Das präparierte Piano feiert ein kleines, unbeachtetes Revival. Wobei … seitdem John Cage das toy piano in die zeitgenössische Klassik eingeführt hat, war es immer wieder in Mode und hat auch im Pop einige Verehrer gefunden, etwa Vampire Weekend, The Dresden Dolls oder Tori Amos. Unlängst hat Isabel Ettenauer mehrere Stücke des Komponisten Karlheinz Essl am Spielzeugpiano eingespielt (vgl. http://www.skug.at/article7545.htm) und gerade eben präsentierte auch die Schweizerin Vera Kapeller eine CD vielseitig interpretierten Stücken für präpariertes Klavier und Spieldose vom Komponisten Paul Burkhard. Die vorliegende CD vonIngrid Smoliner präsentiert hingegen Eigenkompositionen und unterscheidet sich auch in ihrem instrumentalen Zugang von den anderen beiden Beispielen. Bei Schmoliner klingt das präparierte Klavier erstaunlich anders – mal nach Marimbas, mal nach Zither, mal nach singender Säge. Vermutlich nicht ganz ohne stolzen Unterton steht darum »performed withoutelectronic devices« auf der CD Hülle. Allein dieser experimentell-virtuose Zugang macht die ZwergInnensuite, wie man den kyrillischen Titel der CD übersetzen könnte, hörenswert. Spannend aber auch der thematische Zuschnitt. Die sechs Stücke der CD, die um das Thema der buckeligen Hexe, der Percht, der Zampamuatta, der Baba-Yaga (als russische Variante) kreisen, evozieren tatsächlich einen düsteren Soundtrack zwischen Märchensage und Horrorshow, zwischen Gnomgetrappel und heidnischen Waldritualen. Herrlich, wie auf den betörenden Sirenengesang von »balaena mysticetus« die minimalistisch-bruitistische Wucht des Baba-Yaga Stücks folgt, um dann wieder von der sphärischen Schönheit »Teadin« abgelöst zu werden. So griffig und mit so viel Klanggestaltungswillen hört man das selben. Ganz zweifellos ist »??????? ?????« das Meister(innen)stück einer großen Klavierhexe.
Ingrid Schmoliner
»??????? ?????«
Corvo Records
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