© Ulrich Seidl Filmproduktion, Heimatfilm
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»Ich wollte weg sein aus der Welt«

In »Des Teufels Bad« beleuchten die Regisseur*innen Veronika Franz und Severin Fiala ein dunkles Kapitel der österreichischen (Frauen-)Geschichte. Anja Plaschg alias Soap&Skin brilliert als schwermütige Hauptdarstellerin.

Man kann nicht über »Des Teufels Bad« reden oder schreiben, ohne zu spoilern. Wer den neuen Spielfilm von Veronika Franz und Severin Fiala also noch nicht gesehen hat und dies unvoreingenommen tun will, der möge an dieser Stelle die Website schließen und ins Kino gehen. Ansonsten: Reden wir über Depression. »Des Teufels Bad« spielt in Oberösterreich im Jahr 1750: Wir sehen eine Frau, die einen weinenden Säugling auf den Arm nimmt. Sie geht mit ihm durch den Wald zu einem Wasserfall. Sie steht am Rande des Wassers und wirft das Kind in den Abgrund. Dann kehrt sie zurück ins Dorf, um ein Geständnis abzulegen. Die Kindsmörderin wird hingerichtet, ihre Leiche und der abgeschlagene Kopf werden als Mahnmal zur Schau gestellt, ihre abgeschnittenen Finger und Zehen dienen als makabre Souvenirs in einer von religiösen Dogmen geprägten Zeit. 

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Verbrechen gegen Gott

Erst nach diesem Vorspann beginnt die Geschichte von Agnes (Anja Plaschg), die ihr Elternhaus verlässt, um Wolf (David Scheid) zu heiraten. Auf den ersten Blick wirkt sie dabei glücklich: Der Ehemann hat ein Haus für sie beide gekauft, sie wird in der neuen Familie und Dorfgemeinschaft willkommen geheißen und freundet sich mit einer anderen jungen Frau an. Doch das Glück ist trügerisch und währt nicht lange: Die Ehe ist wenig liebevoll, die Schwiegermutter (Maria Hofstätter) drangsaliert sie und die neu gewonnenen Freundschaften halten nur, solange ein Vorteil daraus zu ziehen ist. Vor allem Wolfs sexuelles Desinteresse und der daraus resultierende unerfüllte Kinderwunsch setzen Agnes unter Druck und treiben sie zur Verzweiflung, bis sie nur noch »weg aus der Welt sein« will. Doch Selbsttötung ist ein Verbrechen gegen Gott, die größte aller Sünden, sogar schlimmer als Mord. Und so ist es der Finger der Kindsmörderin, den ihr Bruder ihr als Glücksbringer geschenkt hat, der ihr letzten Endes den Ausweg zeigt.

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Die Erzählung von »Des Teufels Bad« beschäftigt das Regieduo Franz & Fiala schon seit Jahren und nahm ihren Ausgangspunkt mit dem Kurzfilm »Die Trud« aka »Die Sünderinnen vom Höllfall«, Teil der Anthologie »The Field Guide To Evil«, der 2018 beim slash Filmfestival prämierte. Die Dreharbeiten begannen schließlich im Herbst 2020, mitten in der Corona-Pandemie, gedreht wurde bis Jänner 2022 in Litschau, Niederösterreich, sowie in Nordrhein-Westfalen »auf glorreichen 35 mm«, was mit zusätzlichen Herausforderungen in der Produktion verbunden war, aber sich bezahlt macht: Der Film lebt von seiner bedrohlichen, bedeutungsschwangeren Bildsprache, für die Kameramann Martin Gschlacht bei der Berlinale 2024 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Das zweite Standbein ist die sphärische Filmmusik von Soap&Skin, über die Anja Plaschg als Hauptdarstellerin mit an Bord kam. Neben ihrer überzeugenden Performance als zwischen Todessehnsucht und religiöser Ekstase schwankender Agnes macht sich auch Comedian David Scheid gut in seiner Erstlingsrolle im ernsten Fach.

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Suicide by proxy

Die Geschichte selbst basiert auf einem bis dato wenig beleuchteten Kapitel der europäischen Geschichte, nämlich dem sogenannten »mittelbaren Selbstmord«. Als Quelle diente ein Podcast der Historikerin Kathy Stuart und das von ihr zur Verfügung gestellte Archiv aus Gerichtsprotokollen und Forschungsergebnissen. Objekt waren über 400 allein im deutschen Sprachraum dokumentierte Fälle von mehrheitlich Frauen, die über den Umweg der Kindstötung »suicide by proxy« begingen. Dadurch gelang es ihnen, nach der Tat Buße zu tun und der im Falle des Freitods drohenden Verdammnis durch die katholische Kirche zu entgehen. Kinder wurden wohl auch deshalb als Opfer gewählt, weil sie »frei von Sünde« waren und ihnen beim Tod der Weg ins Himmelreich unmittelbar geebnet war. Das Phänomen war vermutlich schon zur Zeit der Hexenverfolgung verbreitet und wird heute noch als Motiv z. B. hinter Selbstmordattentaten angenommen.

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Viktoria Franz und Severin Fiala gelingt es, sich dem schwierigen Thema mit viel Feingefühl und frei von Vorurteilen und Schuldzuweisungen anzunähern. Anja Plaschg selbst plädiert im Publikumsgespräch für den Begriff »Freitod« anstelle des Wortes »Selbstmord«, da diesem eine Anschuldigung inhärent ist. Denn auch wenn von Depression Betroffenen heute dank erhöhter Awareness und professioneller Hilfestellungen andere Lösungsmöglichkeiten offenstehen, sind Menschen, die diese Entscheidung treffen, weder Opfer noch Täter*innen.

»Des Teufels Bad« ist ab 8. März 2024 in den österreichischen Kinos zu sehen.

Menschen, die sich in einer Krise befinden, erhalten qualifizierte und rasche Hilfe unter www.kriseninterventionszentrum.at oder www.telefonseelsorge.at.

Link: https://www.filmladen.at/film/des-teufels-bad/ 

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