Der in der Southside von Chicago geborene und aufgewachsene Footwork-Produzent DJ Taye war einer der jüngsten Künstler der Teklife-Crew. Dante Sanders, wie Taye mit bürgerlichem Namen heißt, begann seine Musikkarriere im Alter von elf Jahren, als er erste HipHop-Beats im Keller zusammenbastelte. Ein paar Jahre später stolperte er über die prägnanten Sounds von DJ Rashad und DJ Spinn. Für ihn ein lebensverändernder Moment! Von der theatralen Hektik, dem tiefdröhnenden Bass und den zerschnittenen, rasend umherwirbelnden Samples gebannt, fing Taye selbst damit an, Footwork zu produzieren. Eine Musik, die ihn bis heute nicht mehr losgelassen hat. Mit »Still Trippin’« veröffentlicht DJ Taye nun sein erstes Album auf Hyperdub und definiert damit gleichzeitig die Grenzen von Footwork neu. skug konnte DJ Taye, der zur Zeit des Interviews in Ägypten auf Tour war, via Skype ein paar Fragen stellen.
skug: Zuallererst möchte ich mich auf »Still Trippin’« konzentrieren – ein brillantes Album, das die Grenzen des Genres ziemlich ausgiebig erweitert. Als ich das erste Mal davon hörte, war ich sofort neugierig. Wie können wir den Titel des Albums verstehen, da er doch auch anzeigt, dass etwas oder jemand in der Vergangenheit angefangen hat zu »trippen«?
DJ Taye: Es begann wahrscheinlich damit, dass in den späten 1990ern so etwas wie Footwork überhaupt möglich wurde. Rein technisch war das ja nicht so leicht zu produzieren. Viele Leute versuchen heute so zu tun, als hätte Footwork als solches aufgehört zu existieren. Aber das stimmt nicht, wir sind immer noch auf einer Reise, wir haben immer noch neue Abenteuer, wir »trippen« immer noch. Footwork hat nie aufgehört! Ich versuche, immer etwas rebellisch zu sein, wenn die Leute sagen, dass Footwork zu Ende sei oder dass es ein Ablaufdatum habe, aber wir hören damit nicht so einfach auf! Der Titel des Albums selbst ist nicht wirklich auf einen Drogentrip bezogen, obwohl natürlich wieder einmal jede/r denken will, dass es um Acid geht. Aber auch das stimmt nicht. »Still Trippin’« kann als ein Weg verstanden werden, mit der Musik weiterzumachen, auch wenn einige Leute meinen, dass Footwork mit dem Tod von DJ Rashad (2014; Anm.) zu Ende gegangen sei. Wir sind immer noch hier, dieses Ding geht weiter. Footwork sind keine Grenzen gesetzt!
»Still Trippin’« öffnet das Genre für neue Territorien in einer Weise, die ich so noch nicht gehört habe. Kannst du etwas über die Geschichte des Albums erzählen?
Kode9 (Steve Goodman, Gründer von Hyperdub) hat mich bereits 2015 gefragt, ob ich Lust hätte, ein komplettes Album für Hyperdub zu machen. Das war ungefähr ein Jahr, nachdem Rashad gestorben ist. Ich habe dann begonnen, Material zu sammeln, einzelne Samples, kurze Ideen zu skizzieren und das Ganze dann nach und nach zu einer Footwork-Platte zu verdichten. Auf »Still Trippin’« hörst du, angefangen von Jungle-Elementen über klassischere HipHop-Sachen bis hin zu Bossa-nova-getränkten Stücken, ziemlich viele Einflüsse. Die meiste Zeit – und das hat tatsächlich ziemlich lange gedauert – habe ich also versucht, nur zu verdichten und etwas kohärentes Ganzes entstehen zu lassen. Das ist nun mal das, was ich kann. Über zwei Jahre habe ich so all meine Gedanken in diese Zeitkapsel namens »Still Trippin’« gesteckt.
Würdest du sagen, dass »Still Trippin« als Album die natürliche Evolution zu Footwork ist?
Ich kann nur eines dazu sagen: »Still Trippin’«, das bin ich. Da steckt meine Identität drin. Ich bin jetzt wirklich schon einige Zeit ein Teil von Teklife, gleichzeitig aber immer noch einer der Jüngsten. Es ist nicht so, dass ich der Meinung bin, die Leute müssten meine Sicht der Dinge teilen. Aber ich denke schon, dass diejenigen in meinem Alter, die diese Art von Musik noch nie gehört haben, wirklich etwas mit dem Album anfangen können. Das war ja auch ein Ziel von »Still Trippin’«. Dass das Album aus musikalischer Sicht für jeden – auch für jene, die von Footwork noch nie etwas gehört haben – zugänglich ist. Darum auch die unterschiedlichen Einflüsse. Jede/r soll auf dem Album etwas finden, das er/sie bereits kennt. Sei es klassischerer HipHop, Bossa nova oder eben auch verschiedene andere Richtungen. Das ist es, womit sich die meisten wirklich vertraut machen können – und dann kommt eben mein Part!
Es gibt bereits Stimmen, die das Album als Klassiker bezeichnen.
Ich denke, dass die Leute in zehn Jahren darauf zurückschauen und sehen, dass hier jemand ein Risiko eingegangen ist. Ich werde nicht sagen, dass ich die erste Person bin, die über Footwork rappt oder so etwas in der Art zusammenstellt. Das wäre völlig überzogen! Vor allem, weil es am Ende immer noch Rashad zu verdanken ist, dass ich gecheckt habe, was Footwork überhaupt ist. Dass so etwas wie Footwork wirklich möglich ist!
Wie hat das Album dein Live-Set verändert?
Es ist definitiv kein DJ-Set mehr, sondern eher eine Performance. Es hat sich in eine Art Aufführung verwandelt, die mir mehr Möglichkeiten gibt, zum Beispiel, um Tänzer mit mir auf die Bühne zu bringen. Also sozusagen verschiedene Elemente mit ins Spiel zu bringen, um das ursprüngliche Format von Footwork wieder zum Leben zu erwecken. Um ehrlich zu sein, wollte ich eigentlich immer schon mehr als ein bloßes DJ-Set machen. Die Leute können mehr tanzen, sie sollen mehr tanzen, anstatt mich nur anzusehen.
Du hast auf deinem Album auch mit einer Reihe von Frauen zusammengearbeitet – wie Odile Myrtil, UNiiQU3 und Fabi Reyna. Wie sind diese Kooperationen entstanden?
UNiiQU3 (Cherise Gary, Anm.) kenne ich schon länger. Sie hat immer gesagt, dass sie mehr Frauen in Footwork haben will, und ich war so: »Yo, da sind doch viele Frauen, oder?« Nur weil wir nicht so viele Produzentinnen und weibliche DJs haben, bedeutet das doch nicht, dass es keinen weiblich Footwork gibt. Also habe ich ihr ein paar Videos gezeigt und irgendwie kam es dann dazu, dass wir auf dem Album zusammengearbeitet haben. Das passierte ganz natürlich. Im Nachhinein war es auf jeden Fall die perfekte Kombination, an die ich ursprünglich nicht gedacht hätte. Odile, Cherise und Fabi, sie passen einfach perfekt dazu und waren glücklicherweise bereit, mit mir für die Platte zusammenzuarbeiten. Ich denke, es ist gut und wichtig, sie mit einzubeziehen, um diese Seite der Wahrnehmung und diese Energie, wie sie jetzt auf dieser Platte ist, zu bekommen. Ich glaube, dass es wirklich etwas ausmacht, dass das eine Message rüberbringt. Eigentlich ist das ganze Album eine Message. Diese Platte hatte eine Menge von allem und bezieht sich auf viele Dinge, die heute in dieser Welt ablaufen. Vor allem aber ist es gegen jede Form von Sexismus.
Der Grund, warum ich nach der weiblichen Beteiligung auf dem Album frage, liegt darin, dass es, wie du bereits gesagt hast, immer noch eine relativ geringe Anzahl an Frauen als Produzenten in Footwork gibt. Siehst du naheliegende Gründe dafür?
Das kann ich nicht wirklich sagen. Frauen mögen die Musik offensichtlich genauso sehr wie Männer. Da gibt es keine Unterschiede. Allerdings habe ich das Gefühl, dass es mehr Frauen gibt, die zwar die Musik mögen, aber selbst keinen Footwork produzieren. Aber hey, ich bin mir echt nicht sicher. Vielleicht wollen sie einfach tanzen, weil sie ein bisschen mehr davon verstehen …
Footwork hat in der Vergangenheit viel internationale Anerkennung bekommen. Viele Dinge haben sich über die Jahre verändert. Siehst du ein Potenzial für Footwork, vollständig in den Mainstream überzugehen?
Ich denke schon, ja, weil es in gewisser Weise bereits Mainstream geworden ist, zumindest wenn man bereit ist, bestimmte Musik in dieses Genre von Footwork miteinzubeziehen. Schau dir zum Beispiel Chance the Rapper oder Danny Brown an. Das sind nur zwei von ihnen, aber aus meiner Sicht haben sie wirklich mit viel Liebe und Aufopferung etwas dazu beigetragen. Sie haben den Spirit. Sie wollen dich an einen anderen Ort bringen. Das ist es doch, was Footwork ausmacht, right? Aber um ganz ehrlich zu sein, kann ich nicht wirklich sagen, ob Footwork nun vollständig vom Mainstream übernommen wird. Da hängt so viel mehr davon ab …
Wäre das überhaupt etwas, was du mit deiner Musik anstrebst?
Ich meine, es ist möglich. Warum also nicht? Letztendlich geschieht das sowieso nie absichtlich, aber ich würde eigentlich nicht behaupten, dass ich so etwas überhaupt gar nicht anstrebe. Allerdings wäre es gelogen, wenn ich sage, dass dieser Gedanke nicht auch immer mit hineinspielt. Ich denke »Still Trippin’« ist genau das, was ich bin. Ich verkörpere dieses Album in einer Art und Weise, wie sie kein anderer verkörpert. Ich bin schon so lange in der Szene dabei, Musik hat immer eine Rolle in meinem Leben gespielt. Um ehrlich zu sein, ich weiß einfach, wie man etwas auf eine Art und Weise nach Footwork klingen lassen und es dabei gleichzeitig für mehr Leute zugänglich machen kann. Wahrscheinlich macht es genau das zu Mainstream, aber für mich spielt das wirklich keine Rolle. Ich fühl’ mich auch an der Spitze des Undergrounds gut!
Rezension von »Still Trippin’«: https://skug.at/dj-taye-still-trippin/
Link: https://djtaye.bandcamp.com/album/still-trippin