Gabrieli Consort © Resonanzen
Gabrieli Consort © Resonanzen

Hohe Anregungsfrequenz und Alte Klänge

Im Jänner 2019 fand zum 27. Mal das Festival für Alte Musik, Resonanzen statt. Wie gewohnt war der Andrang groß, denn die Veranstaltung stellt die weitgehend einzige Möglichkeit in Wien dar, Musik aus dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit von den weltbesten Interpret*innen dieses Genres zu hören zu bekommen.

Look down, look down, harmonious Saint,
whilst we celebrate thy art and thee!
Of Music’s force the wonders
show the most of Heav’n
we here can know.

Music! That all-persuading art,
which sooths our griefs, inspires our joys,
soft love creatures, stern rage destroys,
and moulds at will each stubborn heart.

Sweet accents all your numbers grace,
touch ev’ry trembling string;
each note in justest order place of Harmony we’ll sing.
It charms the soul, delights the ear,
to it all passions bow,
it gives us hope, it conquers fear,
and rules we know not how.

(Newburgh Hamilton: »The Power of Musick«)

Als Gegengewicht zu Wien Modern ist das Anliegen der Resonanzen, auf Alte Musik aufmerksam zu machen. Dabei geht es nicht nur um die Aufführung von mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Musik, sondern auch um die möglichst originalgetreue Umsetzung derselben. Zu diesem Zweck werden alte oder nachgebaute Instrumente verwendet sowie auf die damals übliche Stimmung dieser Instrumente Wert gelegt, die tiefer liegt als heute üblich. Aus diesem Grund fordern die Aufführungen die Hörgewohnheiten des Publikums heraus, was sich zum Beispiel bei den Langtrompeten ohne Ventile zeigt, deren Beherrschung, sei sie noch so versiert, immer ein wenig Unsauberkeit mit sich bringt, beispielsweise in den hohen Registern des Clarinblasens. Die ungewohnte Art der Aufführung sorgt zusammen mit einem vielfältigen Rahmenprogramm, das Filmvorführungen, der Nachwuchsförderung im Bereich Alte Musik gewidmete Veranstaltungen und eine Instrumentenbaumesse umfasst, für ein jedes Jahr erneut sehr gut besuchtes Festival.

Kurration
Verantwortlich für die Erweiterung des Rahmenangebots ist Peter Reichelt, der seit elf Jahren die »Resonanzen« kuratiert. Trotz der Zusammenarbeit mit berühmten Persönlichkeiten verlor Reichelt, seiner eigenen Angabe nach, nie das Interesse an Belangen abseits des allzu Bekannten. Das zeigt sich etwa in seinem Zugang zu Alter Musik. Reichelt betonte in einem Interview anlässlich des 25. Jubiläums der Resonanzen, er reagiere empfindlich auf den Mainstream und moniert die Konzentration auf Musik aus dem 18. Jahrhundert, bei der viel »Schrott« entstehe. Ihm sei nicht nur wichtig, auch Alte Musik der Zeit zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert zu präsentieren, die ein sehr spezielles Publikum anspricht, sondern auch verschiedenste Einflüsse in Form von Werken von englischen, französischen, italienischen, deutschen und österreichischen Komponisten zuzulassen.

Programm
»Unser Anspruch ist, die Breite abzudecken, mit den Besten, die wir bekommen können.« Diesem Anliegen wird bei der diesjährigen Ausgabe der Resonanzen erneut entsprochen. Die ältesten Werke datieren aus dem 15. (Jacob Obrecht), die jüngsten aus der Mitte des 18. Jahrhunderts (Jacques Duphly) und mit »Dhrupad-Fantasia« waren sogar Stücke aus dem 20. Jahrhundert, wenn auch als aemolatio des traditionellen indisch-islamischen Dhrupad, zu hören. Neben Stücken von englischen Komponisten (Henry Purcell, Jeremiah Clarke), deutschen, die sich in England etablierten (Georg F. Händel), italienischen (Orazio Michi, Antonio de Teramo), französischen (Jean-Marie Leclair, Guillaume de Morlaye) und erstaunlich weitgereisten (Giovanni Paolo Paladino), bereicherte die Tradition des indisch-islamischen Dhrupad das Repertoire. Zu den mit »Vorspiel« titulierten Veranstaltungen zählten etwa der Musikfilm »Aria«, bei dem bekannte Regisseure wie Jean-Luc Godard, Robert Altman und Derek Jarman filmische Umsetzungen von bekannten Opernarien inszenierten, die Dokumentation »Score – Eine Geschichte der Filmmusik«, in der Koryphäen wie Hans Zimmer oder Thomas Newman zu Wort kommen, aber auch ein Soloauftritt von Jadran Duncumb, sowie ein Barocktanzkurs und ein Auftritt des Barockorchesters der Musik und Kunst Privatuniversität Wien.

Vincent Dumestre © Resonanzen

Wie in jedem Jahr ist auch in diesem die Besetzung der Beteiligten hochkarätig. Zu den Protagonist*innen zählen Dirigenten wie Harry Bicket, Paul McCreesh und das von ihm gegründete Grbieli Consort, Vincent Dumestre, Musiker*innen wie Paul O’Dette, Mara Galassi, Linda Brunnmayr-Tutz, Romina Lischka, Michele Pasotti, Sänger*innen wie Robert Murray, Anna Dennis, Jeremy Budd, Rowan Pierce, Ensembles wie The Sixteen, das Hathor Consort und La fonte musica. Wie dieses vielfältige Programm unter dem Motto »Musik ist Trumpf« zusammengefasst werden soll, erschließt sich nicht direkt, jedoch sorgt dieser Umstand schon länger für muntere Ratespiele und freie Assoziationen.

Hintergründe
Als ein das diesjährige Festival durchziehender roter Faden könnte die heilsame Wirkung von Musik gesehen werden. Hinweise darauf lassen sich finden, wenn etwa auf das Engagement Händels zur Unterstützung eines Hospitals für Findlinge, auf die im Mittelalter der Harfe zugeschriebene therapeutische Wirkung, auf Purcells Zuschreibung, der besänftigende Orpheus des britischen Königreichs zu sein, auf die Messe »Maria zart«, die mit einer grassierenden Syphiliswelle Anfang des 16. Jahrhunderts in Zusammenhang steht, oder auf das musikalische Kondolenzschreiben Clarkes, mit dem Purcells Schaffen über den Tod hinaus gewürdigt werden sollte, rekurriert wird. Vielleicht sollte die der Musik zugeschriebene heilsame Wirkung einem Umstand abhelfen, der bereits wiederholt von den Verantwortlichen des Konzerthauses thematisiert wurde, dem nämlich, dass, was auch bei der diesjährigen Ausgabe des Festivals auffiel, nachdem der letzte Ton auf der Bühne verklungen war, im Publikum ein geräuschvolles Hust- und Räusperkonzert begann. Nicht nur für Zuhörende, sondern mitunter auch für Protagonist*innen irritierend an diesem Symptom der Atmungsorgane im Rahmen der Resonanzen ist, dass nicht genau ausgemacht werden kann, ob es mit dem hohen Altersdurchschnitt oder mit unbefriedigten hohen Ansprüchen des Publikums verbunden ist.

Link: https://konzerthaus.at/programm/festivals#url=2555

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Text
Bernd Gutmannsbauer

Veröffentlichung
04.02.2019

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