Flyer BAM-Fest © Kathi Arnecke
Flyer BAM-Fest © Kathi Arnecke

Großes BAM-Fest in Wien

Braucht es überhaupt alternative, linke und unabhängige Medien, oder meinen die das bloß selbst so? Eigenmarketing quasi. Besonders beim Blick auf den Rechtsradikalismus und dessen mediale Verwurstung sollte die richtige Antwort (»Ja, es braucht sie«) eigentlich auf der Hand liegen.

Nein, eigentlich unzufrieden sind wir nicht (zumindest nicht ununterbrochen), wenn wir mit traumhaperten Augen durch die mainstreamigere Presse blättern oder uns vom Radio- und Fernsehprogramm besäuseln lassen. Passt schon alles irgendwie, die Einstellungen kann man nachvollziehen, die Einschätzungen sind weitgehend zutreffend und vielleicht (gähn) ist man selbst manchmal etwas zu schrill. Nur (Klingelingeling – aufgewacht!), irgendwie stimmt es dann auch wieder nicht. Diese Obsession mit dem Kompromiss, die linksliberales Denken und Publizieren ausmacht, die ist schon sehr verdächtig. Denn ein Kompromiss kann leicht zu einem intellektuellen Gefängnis werden, das lebenslang nicht verlassen wird. Vielleicht hat man sich nur eingebildet, es sei im Wald der eigenen, folgenlosen »Überzeugungen« alles gut eingerichtet, nicht zuletzt, weil man gerne die eigenen Unterlassungen leugnet. Außerdem: Lügen sind eine Banalität, die früher oder später auffliegen, aber mit der Halbwahrheit geht man durchs Leben – durchs zunehmend trübe.

Wie halten wir es denn mit Rechts?
Gut zeigen lässt sich dies am Umgang mit Rechtsradikalismus, den die meisten Medien pflegen. Dieser Umgang hat den sich seit Jahrzehnten vollziehenden Hangrutsch nach rechts mitbedingt. Dafür gibt es zwei Gründe, einen strategischen und einen moralischen. Zunächst profitiert das rechte Spektrum strategisch von einer thematischen Geschlossenheit. Die Reihen sind fest geschlossen zwischen dem, was heute als »Mitte« gilt, und dem kaltem Killerwahnsinn von Rechtsaußen. In der Mitte finden sich längst rechtsautoritäre Deutungsmuster mit gewissen zarten Tendenzen zu Polizei- und Überwachungsstaat sowie dem unverbrüchlichen Schwur auf den Kapitalismus, insofern dieser nicht gar so schiach ausbeutet (also zumindest nicht bei »uns«). Von dieser Mitte ausgehend diffundieren die Themen unbemerkt hinüber zu immer gewaltsameren Deutungen, bis hier und da waschechte faschistische Äußerungen aufblitzen. Mal werden diese korrigiert, mal lässt man sie einfach so stehen. Wirklich aufspalten lässt man sich aber nicht. Die Abgrenzungen von den regelmäßigen »Einzelfällen« sind längst oberflächliche Routine.

Auf Seiten der Linken gibt es keine vergleichbare Amalgamierung, die helfen würde, linkere und progressivere Positionen allgemein bekannt zu machen und zu etablieren, damit die Mitte wieder »zurückrücken« würde. Linksliberale Politiker*innen oder Zeitungskommentator*innen drehen beispielsweise sofort durch, wenn Stimmen laut werden, die sich links von ihnen positionieren. Dies zeigt sich aktuell an den kreuzbraven jungen Linken Julia Herr (A) oder Kevin Kühnert (D). Diese wagen es, Themen wie etwa »Verstaatlichung«, »Kooperativen« und Kritik an dem Umgang mit Konzerngewinnen anzusprechen. Dabei sagten sie Dinge, die von der CSU in den 1950er-Jahren als selbstverständlich und richtig angesehen worden wären. Die angeblich linksliberale Presse schnappt hingegen sofort über, wenn sie davon hört. So als hätten die beiden die »Pol-Pot-Gedächtnismedaille« gestiftet und würden an Umerziehungslagern basteln.

Die Rechten brauchen sich in solchen Momenten nur zurückzulehnen und können genießen, denn alle Verleumdungsarbeit machen die Linksliberalen schon selbst. So als würde mit dem bösen »S«-Wort (ja, es lautet »Sozialismus«, bitte an dieser Stelle ganz leise lesen, damit es niemand hört) augenblicklich alles Weihwasser im Umkreis verdampfen. Hier zeigt sich, wie hochproblematisch der »Kompromiss« der »radikalen Mitte« ist. Was diese gerne als »vernünftig« apostrophiert, trägt nämlich längst Züge einer Radikalisierung. Wer sich darauf einlässt und seine geliebte liberale Zeitung beim Dösen in den Schoß sinken lässt, befördert damit leider zuweilen die Normalisierung von proto-faschistischen Deutungsmustern. Es fängt an bei geistigen Aussetzern wie »Geben wir Philippa Strache eine Chance, denn sie ist eine Frau« und gipfelt in zarter Rechtfertigung der »Festung Europa«. Wenn nicht einmal dieses Festungskonzept des Draußen-bleiben-Müssens der Ausgebeuteten hinter Stacheldraht – und drinnen wird weitergeschlemmt – den dauernden und energischen Widerspruch erfährt, den es verdient, dann wird klar, dass der Kompromiss der Mitte nicht nur eine strategische Misere ist.

Formatradio-Feuilleton
Denn moralisch gesehen ist die Sache noch viel düsterer. Gesellschaft ist das, was die Beteiligten daraus machen. Sie kann Gemeinschaft sein, technokratischer Steuerungsraum oder Unterdrückungsapparat. Die Entscheidung darüber obliegt jeder und jedem Einzelnen. Es ist eine zuweilen kaum tragbare Bürde und die Ausrede, man könne allein eh nix ändern, beinhaltet eine – meist uneingestandene – politische Entscheidung. Diese Beobachtung ist Bad News für uns alle, aber der Kompromiss der mainstreamigeren Medien leugnet dies gern. Diese funktionieren nämlich, weil vom Zuspruch potenzieller Kund*innen abhängig, wie das Formatradio. Kommerzielle Radiomacher*innen haben irgendwann festgestellt, dass niemand das Radio einschaltet, selbst wenn die großartigste Musik läuft, weil man diese nämlich nicht hört, wenn der Apparat ausgeschaltet ist (logisch, gell?). Was die Sender aber machen können, ist Musik spielen, die keine*n nervt, dann schaltet wenigstens niemand ab. Deswegen weiß jede*r erfahrene*r Medienmacher*in: Bloß niemandem aufs Fußerl treten. Immer schön alles so deuten, dass möglichst alle sagen »Ja eh« und niemand soll sich durch eine Nachricht, eine Meinungsäußerung oder Analyse empört, aufgeregt oder gar angegriffen fühlen. Subtext folglich: »Wir sind eh alle okay.«

Stimmt halt leider nicht. Einige von »uns« sind nicht nur nicht okay, sondern sogar gefährlich. Zum Beispiel, weil sie menschenverachtende, rechtsradikale Ideologie verbreiten. Wir müssten gemeinsam auf diese gesellschaftliche Gefahr reagieren und tun genau dies leider viel zu wenig. Beispielhaft lässt sich dies an der Diskussion über den neuen Film »Inland« von Ulli Gladik zeigen. Der Film ist der gefühlt 300.000ste Versuch, »endlich« mit den Rechten ins Gespräch zu kommen, und findet allgemein wohlwollende Aufnahme im Feuilleton. Der Film ist – wohlgemerkt – durchaus gelungen und hilft tatsächlich beim Verständnis rechter Einstellungen, auch, weil er in Form der Kommentare der Regisseurin widerspricht. Nur große Erkenntnisse kann er nicht liefern. Er bietet keine Deep Story, sondern zieht den Hering mit dem Vierspänner zu Markte, indem höchst aufwendig dargelegt wird, dass die meisten Menschen in Österreich kein Klassenbewusstsein haben. Klaro, woher sollte das auch kommen? Welches Medium würde ihnen denn dabei helfen? Es gibt allgemein kaum Möglichkeiten, die eigene (Erwerbs-)Lage zu reflektieren. Was dann in Filmen wie »Inland« zuverlässig passiert, ist die Vermischung von persönlicher Tragödie der dargestellten Personen mit der von diesen angenommenen Ideologie. Nur: Ideologie und persönliche Tragödie bedingen einander nicht, stattdessen vernebelt der Blick auf das tragische Schicksal die Inhalte der menschenverachtenden Ideologie und vermenschlicht diese sogar. Natürlich hat man irgendwie auch Mitleid mit einem armen Würsterl, das sagt: »Meine letzte Hoffnung war Hitler.«

Soll ma reden? Nur wie?
Klandestin schleicht sich in die Betrachtungen zu Filmen wie »Inland« (und leider liegt der Keim dazu in den Werken verborgen) eine gewisse Umkehrung wahrer Tatsachen. Denn in vielen Kritiken und Einschätzungen zu dem Film wird die gemütliche Normalisierung des Rechtsextremismus propagiert, ohne dies zu bemerken. Die »Formatradio-Verblödung« läuft immer nach diesem Schema: Man dürfe den Menschen nicht von »oben herab« kommen, man dürfe sie nicht als Rassist*innen diffamieren etc., sondern müsse ihre wirtschaftlichen Sorgen und Abstiegsängste begreifen und dergleichen mehr. Nun, das geschieht seit vielen Jahrzehnten in Deutschland (es gab zeitweilig kaum einen bekennenden ostdeutschen Rechtsextremen, der nicht seinen eigenen Fernsehbericht bekommen hat) und natürlich auch in Austria, seit Haider das Deutungsruder übernommen hatte. Geändert hat das ganze Verständnis nichts, es hat nur Haltungen propagieren und verbreiten geholfen, die anti-demokratisch und anti-humanistisch sind. Mir nichts, dir nichts werden dabei auch gerne lupenreine rechtsradikale Argumentationsmuster übernommen, wie jene von der übertriebenen Political Correctness, weil – you know – a little bit of fascism ist halt normal.

Das Gegenteil dieser Verständnishypothese ist hingegen zutreffender und dies zu belegen, gelingt ohne jede soziologische Studie mit dem reinen Griff an die eigene Nase. Und dann sollte es heißen: »Ich stehʼ zu meinem Unverständnis!« In den zahllosen sozialen Situationen, die ein Leben ausmachen, sind es rare Momente, in denen es ein wenig bitzelt oder sogar kracht. Also Momente, in denen der Tante, dem Onkel, der Nachbarin, dem Trafikanten oder wem auch immer einmal kategorisch widersprochen wird, wenn diese meinen: »Die Ausländer sind *oink, oink* (bitte eines der tausend Klischees einsetzen das eh jede*r kennt)«? Wer hat es dann aber gewagt, eine Linie zu ziehen und seine eigene Haltung zu vertreten? (Und dabei übrigens auch zu reflektieren, denn dazu wird man in solchen Kontroversen gezwungen.) Wer ist zumindest ein paar Mal auch dem schmerzhaften Konflikt nicht ausgewichen? Genau in diesen Momenten nimmt eine Gesellschaft ihre Form an. Rechte, Rechtsautoritäre oder auch Rechtsextreme können heute viel zu oft auf das Schweigen der Mehrheit setzen. Unangenehm aber leider wahr. Rechte bauen darauf, dass ihnen im Alltag kaum widersprochen wird, und sie können darauf setzen, dass in den Fernsehgesprächsrunden noch die menschenfeindlichste Position von einem der Gäste vertreten wird. Soll doch schließlich in der Glotze doch ein rundes Panoptikum gebildet werden, das einem Schlammcatch-Wettbewerb der Freaks gleicht, denn das sind im Kern die Talkshow-Formate. Der oben angesprochene Kompromiss erweist hier erneut die strategische Misere, denn einmal als »Experte« etabliert, findet noch die größte Nazi-Sau das ORF-Mikro unter ihrem Rüssel. Folglich hat die Kombination mangelnder Zivilcourage, die eingestandenermaßen nicht immer leicht zu erbringen ist, und die mediale, an der Soap-Opera geschulte Dramaturgie dazu beigetragen, dass rechtsradikale Positionierungen zum ganz normalen Mainstream wurden. Deswegen lautet die brennende Frage: »Wer widerspricht?«

BAM-Fest am 29. Juni 2019
Okay, die Antwort ist jetzt aufgelegt: BAM widerspricht natürlich. Die Mitglieder des Bündnisses alternativer Medien machen bei dem schleichenden Rechtsruck nicht mit, sondern stemmen sich mit ihren Möglichkeiten dagegen. Sie halten Anti-Faschismus und Anti-Rassismus nicht für ein halbherziges Sprüchlein, sie glauben nicht, dass Feminismus ein Witz ist, sie wissen, dass eine Society versulzt und verödet, wenn sie sich nicht ihrer Queerness öffnet. Und dergleichen mehr. Dafür braucht es Medien, die bereit sind, dies auch zu diskutieren. In den nächsten Tagen wird skug einige Mitglieder von BAM anhand deren eigener Texte vorstellen und wir freuen uns ganz tierisch auf das große BAM-Fest in Ottakring am 29. Juni 2019. Detailfragen zum Umgang mit dem Rechtsradikalismus erörtern wir mit dem geschätzten österreichischen Rechtsextremismusforscher Andreas Peham, dem sicherlich einiges zum medialen Gebaren der Rechten einfällt. Es werden sich alle BAM-Medien mittels Gesprächen und Workshops vorstellen. Es dürfen informell alle Fragen an die Medienmacher*innen gestellt werden, die man als Leser*in nie zu fragen wagte, und damit das Ganze ein rundes Fest wird, gibt es reichlich Speis & Trank und Musik der Extraklasse: Beschwerdechor mit Special Guest und Laura Rafetseder live. Wir freuen uns auf euch!

Link: https://www.bam.jetzt

Über die anderen Mitglieder des Bündnisses alternativer Medien:
Volksstimme: https://skug.at/die-volksstimme-wir-ueber-uns/
MALMOE: https://skug.at/allein-machen-sie-dich-ein/
Bildpunkt: https://skug.at/vor-fatalismus-sollten-wir-uns-hueten/

favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Ähnliche Beiträge

Nach oben scrollen