»Pattern and Decoration« © Stephan Wyckoff/MUMOK
»Pattern and Decoration« © Stephan Wyckoff/MUMOK

Glittering The World

Kunst von Feministinnen, von unterdrückten Volksgruppen oder aus dem Handwerk als Vorbild: Das Wiener MUMOK zeigt Kunst, die glücklich machen soll und »quietly revolutionary«. Was für ein Sakrileg!

Vier Nackerte präsentieren ein bemaltes Tuch, als lebendiges Bild sozusagen. Das Tuch als Bild im Bild zeigt der Film »The Persian Line, Part 2« aus 1976 von Robert Kushner. Zwei Asiatinnen rennen nach einem Blick auf den Bildschirm kichernd weiter. Nackerte! Es ist eindeutig 1970er-Jahre-Kunst, die hier im Wiener MUMOK präsentiert wird. Titel der Show ist »Pattern and Decoration«. Einige der mittlerweile um fünfzig Jahre gealterten Künstler*innen schauten auch persönlich zu einer Diskussion vorbei. Sie erfreuen sich nach wie vor ihres Lebens und schauen völlig entspannt aus. Ein Striptease von Männern zu orientalischer Musik. Bunte Stoffe, glitzernde Materialien, ausgeschnittene Papierpuppen. »How can one dare to be happy or produce art that dares to make us happy in such a wretched world«, steht im Buch von Filmemacher Robert Kushner und war eine der zentralen Fragen dieser US-Kunstrichtung. Schön bunt ist es hier in dem minimalistisch ausgerichteten Museum. »Negativität wurde zu einem Klischee in der Kunst, zu einer Salzsäule«, steht an der Wand. »Happiness« hingegen sei »quietly revolutionary«.

Miriam Schapiro: »Geometry in Flowers«, 1978 © MUMOK

Anti-konzeptionell
»Wir sagten, das ist eine Möglichkeit. Aber wir haben eine andere. Die Leute hassen das«, wird ein Künstler zitiert. Eigene Vorurteile und Projektionen bebildern – aber mit Spaß. Es ging um die »Freude, mit Kunst zu kommunizieren«. Um neue Formen, x Möglichkeiten von Kunsthandwerk, der Verbindung von Kunst und Handwerk, die ja oft verpönt war. Diese Hybridisierung hinterfragte die ganze minimalistische, konzeptionelle Ästhetik. Mosaike, Keramikfliesen, viel Glitzer und Gold. »Das Muster ist die Basis der Dekoration. Dekoration ist der Kanal für den Gedankenprozess, den wir Kunst nennen«, sagt eine Frau in einem Film. Erstaunlich viele migrantische Jugendliche besuchen die Schau. Ein Mädchen mit Micky-Maus-Ohren passt hervorragend herein. In dem Film »Solomon’s Lot« aus 1973 kann man Musik wie aus einem Weltempfänger hören, immer wieder wird am Regler gedreht. »Everything is going to be fine«, sagt die afrikanische Kunstaufsicht und lächelt »quietly revolutionary«. Die Performances der Bewegung sind entspannt und »laid back«, jeder und jede ist mit sich selbst beschäftigt, so wie in dem Video »Pinwheels« (1977) von Tina Girouard, in dem mit Scherben Klänge erzeugt werden. »Feminist art raises consciousness, invites dialogue, and transforms culture«, steht im Katalog. Männer würden an ihre Kunst wie Waffen denken. Eine Liste mit dementsprechenden Zitaten ist angeführt. Ein Ziel dieser Waffen wäre u. a. das Dekorative gewesen.

Robert Zakanitch: »Flash«, 1978 © MUMOK

Volkskunst feiern
»Papa, schau, wir müssen ganz viele Schokobonbons essen, um aus den Hüllen was zu machen«, sagt ein Mädchen angesichts der Kunst aus glänzendem Bonbon-Papier. Wirkt anregend. Künstler Thomas Lanigan-Schmidt interessierte sich für die orthodoxe Kirche. Alles glitzert, alles glänzt. Der kleine Bruder des Mädchens entdeckt einen Schlüssel in einer Matsch-Gatsch-Installation. Die Kunstwerke stammen großteils aus der Sammlung Peter und Irene Ludwig. Das MUMOK hieß ja früher Sammlung Ludwig, als es noch im Palais Liechtenstein angesiedelt war. Die Schau wurde vom Ludwig Forum Aachen übernommen. »Art can plant seeds of optimism deep in the human psyche«, meinte der Künstler Robert Zakanitch. Egalitär, kollektiv und lebenspraktisch wollte die Pattern-and-Decoration-Bewegung sein. Sie wollte Kunst, die als »nieder« galt, feiern. Sie holte sich aus China und aus dem Orient Anregungen. »The non-Western ideals of pleasure, meditation and loss of self are clearly not understood by the exponents of ego assertion, transcendence and dynamism«, wie es im Katalog heißt. Es ging der Pattern-and-Decoration-Bewegung darum, Kunst von Frauen, Kunsthandwerk und so genannte Volkskunst möglichst laut zu feiern. Das ist ihr gelungen.

»Pattern and Decoration« ist noch bis 8. September 2019 im MUMOK zu sehen.

favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Ähnliche Beiträge

Nach oben scrollen