Viele verbringen ihre Zeit gerade mit Doomscrollen, in der vagen Hoffnung, herauszufinden, was dieser Tage mit uns geschieht. Es sind tatsächlich Zeiten der Umwälzung. Einer jener möglicherweise entscheidenden Momente war, als Donald Trump, der frisch gebackene 47. US-Präsident, im Weißen Haus vor die Kameras trat und neben seinem Podium drei gutgelaunte Männer grinsten. Sie versprachen eine gemeinsame Investition von 500 Milliarden US-Dollar in Künstliche Intelligenz. Nur einmal zur Einordnung: Aufgrund des Spardiktats muss das – zugegeben kleine – Österreich im nächsten Jahr 6,4 Milliarden Euro einsparen, das sind 1,3 Prozent der Washingtoner KI-Investment-Summe. Die Einsparungen in Österreich bedeuten, dass es für 9 Millionen Österreich*innen keine Bildungskarenz mehr geben wird, dass sie keine Ausgleichzahlung mehr für die steigenden Kosten durch die CO2-Besteuerung erhalten (Klimabonus), dass die Schulen des Landes nicht die zusätzlichen administrativen Kräfte für das völlig überarbeitete Lehrpersonal erhalten werden und das sind nur ein paar Beispiele. Die zahlreichen anderen Sparmaßnahmen kennen die österreichischen Regierungsverhandler*innen noch nicht oder wollen sie nicht nennen. Unterm Strich heißt es aber für Austria: mehr Arbeit, weniger Freizeit, weniger Geld, weniger Sozialleistungen etc. Dahin geht die Reise.
Die einen müssen sparen, die anderen verfügen über unbegrenzte Mittel
Das Spardiktat hat die ganze Welt fest im Griff. Weil wir in ironiefreien Zeiten leben, wird der reichste Mann der Welt (Elon Musk) damit beauftragt, das Sparpotenzial der US-Verwaltung zu ergründen. Er hält Billionen (amerikanisch »Trillions«) für einsparungsmöglich. Die Erkenntnis kam ihm vermutlich eines Nachts beim Computerspielen. Die neue US-Regierung betreibt aktuell eine Politik der Reizüberflutung. Es gibt so viele neue Erlässe in so kurzer Zeit, dass es dem Publikum entgehen soll, wie mit ihm umgegangen wird. Das klappt nicht immer. Der Einstellungsstopp bei der VA Medical Care Behörde, die für die Gesundheitsleistungen der Veteranen zuständig ist, wurde entdeckt und nach öffentlichem Aufschrei zurückgenommen.
Warum muss eigentlich gespart werden, wenn offenkundig für die KI immer genügend Geld vorhanden ist? Ein interessanter Punkt, der zu selten hinterfragt wird. Die halbherzige Erklärung »von oben« lautet, es gäbe schließlich ein Wettrennen, wer die zukünftige »Schüsselindustrie« KI in Händen halten wird, und die USA wollen ganz, ganz sicher sein, dass sie die Nase vorn haben. Jene drei eingangs erwähnten Herren im Kaminzimmer neben Trump stammen von einer US-amerikanischen Soft- und Hardwarefirma, einer japanischen Bank und jenem Herrn, der uns mit Chat-GPT beschenkt hat. Die drei beten bei ihrem Auftritt im Weißen Haus nichtssagende Statements runter und dann stellt Donald Trump eine Frage aus dem Off, die ziemlich faszinierend ist. Weil a) er – was so gar nicht seine Art ist – den Männern zumindest selektiv zugehört haben muss und weil b) die Frage angemessen ist. Trump fragt, ob einer der Investoren etwas mehr erläutern kann, wie die KI helfen wird, Krankheiten (Krebs zum Beispiel) zu bekämpfen. Alle drei sind auf dem falschen Fuß erwischt. Das können sie noch nicht so recht sagen. Aber ja mei, wofür hat man eine Künstliche Intelligenz? Die wird das schon irgendwie herausfinden in den nächsten Jahren. Schließlich stehen ihr dafür 500 Milliarden zur Verfügung.
Meme-Coins für die Massen
Der Riss, der durch die Weltgesellschaft geht, ist überdeutlich. Auf der einen Seite gibt es die »Sparefrohs«, die sehen müssen, wie ihnen der Sozialstaat unterm Hintern weggekürzt wird, und auf der anderen Seite einen Haufen Mega-Reicher, die sich kaum mehr die Mühe machen, ihre bösartige Freude über die erbeuteten Mittel zu verbergen. Sie bekommen immer mehr Instrumente für ihre Raubzüge in die Hand. Donald Trump selbst hatte kurz vor seiner zweiten Präsidentschaft eine Meme-Coin herausgegeben. Das ist ein digitales Foto von Trump, das gesichert keinerlei eigentlichen Wert besitzt, als handelbarer Token Trump aber Milliarden eingebracht hat. Viele seiner in finanziellen Dingen weniger bewanderten Anhänger wird Trump damit ganz unmittelbar berauben können. Manche von ihnen glauben, jetzt auf den Zug mit Bitcoin und Co. aufspringen zu können, weil »ihr« Präsident ihnen den Weg weist. Sie verkennen, dass Trump ein vielfach des Betruges überführter Straftäter ist. Die Trump-Coins sind folglich auch so konstruiert, dass Trump den Käufer*innen den Teppich unter den Füßen wegziehen kann. Bei einem sogenannten »Rug Pull« nimmt der Herausgeber die Coins mitsamt den eingezahlten Geldern einfach zurück und hinterlässt vollkommen wertlose, weil nicht mehr handelbare Datenhäufchen. Die Möglichkeit, dagegen zu klagen, wurden übrigens vorsorglich rechtlich ausgeschlossen. Gut möglich, dass Trump dies nicht einmal im Sinn hat, denn wichtiger für ihn ist, dass der Kauf dieser Trump-Coins ein legaler Weg ist, den Präsidenten der USA zu bestechen. Wer was von dem »transaktionalen« Präsidenten will, kauft einfach Tausende seiner Coins.
Bei all dem gilt ein weltweit praktiziertes Prinzip. Die Umverteilung findet von unten nach oben statt. Wer arm ist und sich dennoch an Finanzmarktprodukten beteiligt, darf sich gewiss sein, die großen Vermögen würden sich garantiert nicht daran beteiligen, wenn sie Geld verlieren könnten. Ein Gebot der Logik: Sie wären ja nie große Vermögen geworden, wenn sie nicht kleine aufgesogen hätten. Warum sollten sie sich bitte an einem neuen digitalen Börsenspiel beteiligen, bei dem sie mehr reinstecken als rausholen? Es gibt in der Welt zwei Wege zum Reichtum großen Stils: Entweder wird (wenig elegant) eine Bevölkerung mit Waffengewalt beraubt und ihr werden die ihr zustehenden Ressourcen weggenommen oder (wesentlich eleganter) man lässt auch die armen Schlucker sich an einem (Finanz-)Markt der »freien Welt« beteiligen, der zu ihrem Nachteil arbeitet. Ganz schön schlau! Die Koalitionsverhandlungen zwischen Konservativen, Liberalen und Sozialdemokraten in Österreich sind übrigens gescheitert, weil Österreichs Banken keine Bankenabgabe wollen. Die wäre ein Abschöpfen jenes Reichtums, der mit Finanzmarktprodukten erzielt wurde, und die Bereitstellung dieser Gelder für allgemeine, gesellschaftliche Aufgaben. Das darf nicht sein, denn es muss schließlich unten gespart werden und es darf keine parlamentarische Kontrolle über Reichtum ausgeübt werden.
Demokratie in Zeiten der Superreichen
In den USA, in Europa und in Österreich hört die Bevölkerung aktuell das immer gleiche Lied, das aus drei Strophen besteht. 1. Es muss jetzt schnell gehen, die Märkte werden sonst unruhig. 2. Die Menschen haben über ihre Verhältnisse gelebt und deshalb muss jetzt kräftig gespart werden. 3. Alle Probleme wird eines nicht allzu fernen Tages die Künstliche Intelligenz lösen. Jede dieser Aussagen ist falsch. Sie können aber nicht hinterfragt werden, weil es ja schnell gehen muss. Dem Publikum wird die – im wahrsten Sinne des Wortes – Schuld an der Misere gegeben und obendrauf gibt es das haltlose und völlig übergeschnappte Heilsversprechen: Die Künstliche Intelligenz wird für alles eine Lösung finden. Wird sie aber nicht, sie ist weitgehend Vorwand dafür, das Gemeinwesen auszurauben.
Vor dem Hintergrund wird es für eine demokratische Politik zunehmend schwer, weil ganz offenkundig nur die Interessen des großen Kapitals bedient werden. Das Gefühl, es sei ohnehin egal, wer gewählt wird, ist dennoch falsch. Es war ein schwerwiegender Fehler, Trump ins Weiße Haus zurückzulassen. Auch wenn Kamala Harris eine finanzmarktfreundliche Politik gemacht hätte, wäre unter Präsidentin Harris zumindest manches gemildert worden. Auch ist es nicht unerheblich, ob in Österreich eine in Teilen rechtsextremistische Partei sozial-populistische Simulation betreibt und ansonsten alles herschenkt oder besonnene liberale und sozialdemokratische Kräfte zumindest einige Milderungen durchsetzen. Es geht hierbei schließlich manchmal um Leben und Tod für die Betroffenen von Sparmaßnahmen. Mittelfristig braucht es jetzt viel Courage. Die Blödheiten und falschen Versprechungen schnellen Reichtums durch »irgendwas mit KI« sind massentauglich. Das Bewusstsein, sich damit nur zum Helfershelfer der Kapitalinteressen zu machen, ist kaum vorhanden. Dafür einzustehen, dass es besser ist, für ein Gemeinwesen zu arbeiten, Steuern zu zahlen und sich an Regeln zu halten (klingt cool, gell?), ist kein easy sell. Gerade weil die Welt vor enormen Schwierigkeiten steht und ein gewisses Weltuntergangsgefühl sich längst breit gemacht hat. Wie käme sonst jemand auf die bizarre Idee, Grönland zu kaufen, wenn jetzt nicht das Eis rasend schnell schmelzen würde? Der Gedanke, der uns zur Solidarität ermahnen sollte, ist allerdings simpel: Wenn es nur ums Geld geht, dann werden die meisten von uns keine Chance haben.