Wann hast Du mit dem DJing begonnen, was waren Deine ersten Erfahrungen?
Begonnen hat das in der Hip Hop-Zeit, also ca. 1985, mit EPMD, EricB&Rakim und vor allem Public Enemy. Dann habe ich mich, so wie das damals populär war, in Richtung Rare-Grooves, Funk und 70er-Jahre Soul entwickelt. Meine Plattensammlung wurde immer größer und als ich im Wiener »Trabant« Leute ihre Lieblingsplatten habe spielen sehen, wollte ich das auch machen. Ich habe hauptsächlich Funk, Soul und immer mehr Jazz-Sachen gespielt. Gemixt habe ich aber damals noch nicht. Ich wollte schon fast ganz mit dem Auflegen aufhören, weil es mich irgendwann total gelangweilt hat, immer wieder nur die alten Platten zu spielen. Ich habe begonnen, das neue, das ich kennen gelernt habe, einzubauen und das hat den Leuten nicht sehr getaugt. Ich hatte schließlich überhaupt keine Lust mehr. 1991 habe ich dann gesehen, was in Deutschland auf den Parties passiert und um wie viel toller das ist, als die langweiligen Parties in Wien. Die DJs dort hatten einfach die besseren Platten. Der Stellenwert eines DJs in Österreich war damals sehr niedrig. Die Essenz aus Funk und instrumentalem HipHop, also allem, was mir immer schon gut gefallen hat, war für mich Techno. Das hat damals keiner nachvollziehen können. Der Alexander Hirschenhauser hat zu mir gesagt: »Techno ist deutsche Faschistenmusik und völlig seelenlos.« Das Verständnis in Wien war also kein großes, und deswegen war meine Orientierung nach Deutschland überhaupt keine Frage. Die Qualität der Musik war einfach besser. Damals war das Verteilungssystem der Platten noch keine Selbstverständlichkeit. Man hat in Berlin Dinge bekommen, die sind – wenn überhaupt – ein halbes Jahr später in München aufgetaucht, geschweige denn in Wien. 1992 war ich bei der Mayday um für die Ö3-»Musicbox« zu berichten. Damals habe ich gemeint: »Ich will auf der nächsten Mayday spielen.« Obwohl ich damals kein Geld hatte, wusste ich genau, dass das funktionieren würde und habe mir um das letzte Geld auch noch Platten gekauft.
Wie hast Du es letztendlich geschafft, als eher Unbekannte auf der Mayday aufzulegen?
Außer DJ Westbam und Jürgen Laarmann, die sind hin und wieder im Hardwax aufgetaucht, kannte ich eigentlich niemanden von den Mayday-Veranstaltern persönlich. Ich habe herumerzählt, dass ich da auflegen möchte und die haben schließlich angerufen und angefragt. Genau zu dem Zeitpunkt ist alles zum Dodl-Techno geworden. »Somewhere Over The Rainbow« kam da auch raus und ich dachte, ich müsste jetzt theoretisch absagen. Ich habe meine »Probe«, Marushas Geburtstag im E-Werk, auch total verhaut, weil ich so schlecht drauf war und den Sound so verachtet habe, zu dem die Fans da herumgesprungen sind. Sie gaben mir darum den schlechtesten Termin bei der Mayday, so gegen 6h früh. Ich hatte aber einige Schlüsselplatten dabei, die die Leute, die im Business sind, richtig verstanden haben. Ich habe bei der Mayday den Spagat geschafft, meinen Marktwert zu steigern und gleichzeitig Credibility aufzubauen. So gesehen war es schon richtig, dort aufzulegen.
Initialzündung 1991: Parties in Deutschland
Wie kam es dazu, dass Du schließlich eine gefragte DJ wurdest?
Eine Hilfe war sicher DJ Hell, der mich immer mitnahm und mich ab und zu auch uneingeladen auflegen ließ. Präsent sein, Leute kennen lernen, ist immer sehr wichtig. Ich habe sicher auch davon profitiert, dass es als Mädchen einfacher ist, sich von der großen Masse an Newcomern abzuheben. Mein ungewöhnlicher DJ-Name hat sicher auch eine große Rolle gespielt und nicht zuletzt bin ich aufgrund meiner Platten-Auswahl gebucht worden. Ich nahm von überallher ausgefallene Platten mit und habe dadurch einen ausgeprägten Musikgeschmack entwickelt. Meine Mixkünste waren es sicher nicht, ich habe ewig nicht mixen können. Ich hatte nie Turntables zu Hause, darum habe ich immer bei den Gigs geübt und das war teilweise ein fürchterliches Geholper. Damals ist das noch eher durchgegangen als heute. Da mein Name ab 1993 mit Mayday verbunden wurde, trotzdem zwischen der Ideologie hinter kommerzieller Technomusik und meiner ein tiefer Graben war, bin ich die ganze Zeit auf Parties gekommen, wo die Leute was anderes hören wollten. Das war grausam. Das Publikum war angefressen und ich war total demoralisiert .
Du warst ab ’93 drei Jahre in Berlin, warum bist Du wieder nach Wien zurückgekommen?
Seit ich Hardwax kennen gelernt hatte, wollte ich dort unbedingt arbeiten. Das war anfangs nicht ganz einfach, weil DJ Rok, ein späterer Freund und auch Lehrmeister, dort die größte Rolle gespielt hat. Er ist schwul und hat gern die schwule grausame Diva raushängen lassen. Als ich ihn einmal gefragt habe, ob ich dort arbeiten könne, meinte er: »Wir nehmen nur gutaussehende Jungs.« Ich habe dort einfach alles gemacht, was man in einem Plattenladen so machen kann. Die Arbeit in dem Geschäft wäre zum Schluss auf einem bestimmten Level stehen geblieben. Es ist nicht wirklich reizvoll, wenn man das Gefühl hat, dass man seine Möglichkeiten nicht mehr weiter ausbauen kann. Dazu kam, dass ich in Berlin so viel gearbeitet habe. Am Wochenende war ich unterwegs auflegen, unter der Woche stand ich immer im Laden und machte irre viel. Ich bin auch etwas überstürzt aus Wien weggegangen. Ich möchte schon gerne wieder mal für ein paar Jahre fort. Grade jetzt geht mir Wien schon ein bisschen auf die Nerven (lacht). Es ist einfach soo lasch hier.
Wo hast Du bis jetzt am liebsten gespielt?
Wenn ich nur eine Wahl hätte, würde ich sagen Berlin. Berlin hat ein unvergleichbar tolles Nachtleben. Es ist irrsinnig vielfältig und viel angenehmer als z.B. in London. In London sind alle total stressed. Es ist wahnsinnig teuer, fast niemand hat genug Geld, jeder muss schauen, wie er die Miete für das nächste Monat zusammenkratzt. Das ist nicht leiwand. Es läuft kaum gute Musik. Alles ist sehr kommerziell, weil man den kommerziellen Erfolg unbedingt braucht. Berlin ist da völlig anders. Es kommen so viele junge Leute nach Berlin, die etwas machen wollen und musikalisch gebildet sind. Man kann dort Sachen spielen, die sind woanders echt schwierig und turnen die Leute vielleicht ab, aber in Wirklichkeit ist das tolle Musik, die in Berlin angenommen wird. Wenn ich dasselbe in Chicago auflege, sind die Leute befremdet. Manche sagen: »Toll, ich habe noch nie so etwas gehört, ist ja ganz großartig!«, für mich sind das aber Standards, die seit Jahren laufen.
Du würdest die Szene in den USA als rückständig bezeichnen?
Was Techno betrifft, ja.
Weite Definition von Techno
Du legst nur Techno auf?
Für mich hat Techno eine sehr weite Definition. Ich spiele auch House-Nummern oder mache mal ein House-Set, bloß klingt das bei mir anders als bei einem englischen Garage-DJ, es ist ein bisschen minimalistischer. Für mich gehört auch Elektro dazu. Es gibt da jetzt eine Band, die nennen sich Peaches. Sie klingen ein wenig nach frühe-90er-Girlie-Band, ein bisschen dreckig. Die würde ich sofort auflegen. Alles was kompatibel ist, mir gefällt und was ich dramaturgisch gut einsetzen kann, das spiele ich.
Wenn Du auf Europa schaust, wo außer in Berlin gibt es eine interessante Szene?
Zürich ist okay. London ist richtig scheiße, in London würde ich mich so unwohl fühlen. Frankreich ist auch nicht so gut. Von der Szene her ist man in Deutschland am besten aufgehoben. Barcelona ist auch toll, weil da junge Leute aus aller Welt einen Zeit lang wohnen, das gibt eine starke Fluktuation.
Wie kommt Deine Abneigung gegen London zustande?
Die Struktur der Szene … das ist so ein Hype Mechanismus. Das hängt sehr mit den dortigen Medien zusammen, mit der Musikpresse. Ich halte von den Magazinen ga
r nichts. Da wird versucht, Meinung zu machen, damit verschiedene Künstler und Platten gepusht werden. Das ist fast mafiaartig, sehr zentralistisch. In Deutschland ist »de-bug« das einzige Musikmagazin, das ich wirklich interessant finde.
Female Pressure
Du warst ja Lecturer bei der diesjährigen Red Bull Music Academy. Bist Du eingeladen worden?
Nein, auf keinen Fall. Ich wollte das gerne machen. Es ist einfach toll, wenn 30 Leute einen einwöchigen Intensivkurs kriegen über alles, was auch vielleicht nur am Rande mit Djing zu tun hat, historische, technische, alle möglichen Aspekte betreffend. Letztes Jahr in Berlin waren zwar Kemistry & Storm eingeladen, schaut man aber dann: »Okay, wer ist hier Herr Wichtig, gibt es da auch eine Frau Wichtig?«, ist das oft eine Alibi-Frau. Dann denkt man ein bisschen: »Warum haben die mich nicht eingeladen?« Dieses Jahr wusste ich aber schon etwas früher darüber Bescheid. Ich schrieb ein Proposal, worüber ich reden könnte und die fanden das gut. Schließlich sprach ich zuerst über mich, danach über Internet und Net-working im allgemeinen. Anschließend ging es um technologische Innovationen, die für den DJ ein Rolle spielen. Es ging oft um Interface, muss ein DJ cooler weise beim Vinyl bleiben, was könnte stattdessen kommen. Das war ganz nett und interessant.
Du hast dort die Erfinder von Midi getroffen?
Roger Lynn und Dave Smith waren nach mir dran. Roger Lynn hat die lynn-drum und den mpc3000 entwickelt, Dave Smith hat Midi erfunden und Sequential Circuits gemacht. Midi ist der Standard seit Jahren. Das war natürlich ein Flash. Es war so, als würde man denjenigen treffen, der das Kupferkabel erfunden hat. Sie versuchen jetzt beide, Programme und software teuer zu verkaufen. Ich bin eher der Vertreter von »open source«, gemeinschaftlich genutzten Gütern und der Offenheit von Information. Female Pressure ist auch nichts anderes als Information, die weitergegeben wird. Ich schließe Informationsquellen kurz, mache sie transparent und zugänglich für alle Leute. Das ist auch eine Art von open source. Ich mache also das Gegenteil davon. Sie sind ein bisschen altmodisch drauf, was das betrifft, pochen auf das geistige Eigentum. Ich habe dann versucht, sie davon zu überzeugen, dass sie ihre Programme open source machen sollen, das war total lustig.
Du hast wahrscheinlich nicht viel Erfolg gehabt?
Sie haben natürlich gemeint, dass sie das nicht machen können. Wir hatten eine Diskussion, danach waren wir alle noch trinken. Es war alles sehr cool, die ganze Stimmung auf der Academy war nett und freundschaftlich.
Was hältst Du auf dem Techniksektor für gut?
Ich selbst benutze immer noch eine 808, eine 606, einen frühen digitalen Drum Computer von Korg, DDD1. Beim Mischen bauen manche Djs eine Drum Machine ein, die als Rythmusquelle dient. Sie nehmen sie mit zum Auflegen, schließen sie ans Mischpult an und benutzen das als zusätzliche Soundquelle. Ich mache das nicht, habe das nie gemacht. Ich wollte es allerdings machen, aber der Gig ist gecanceld worden. Da hatten Miss Kittin und ich geplant, mit vier Plattenspielern, einer Drum Machine, ihrer Stimme und einem Effektgerät aufzutreten, aber die Trotteln von der Cro Bar in Chicago haben den Gig sogar zweimal storniert. Der eine des zweiköpfigen Promoter-Teams hat sich mit meiner Agentin in Chicago abgesprochen. Irgendwann kam er drauf, dass der andere auch schon was ausgemacht hat mit einem entsetzlichen Trance-DJ aus England und es hieß dann: wir müssen diesen englischen DJ machen. Zwei Wochen später kommt Tall Paul von Ministery of Sound doch nicht, also sind Electric Indigo und Miss Kittin jetzt wieder on. Knapp davor, haben sie wieder abgesagt wegen etwas anderem. Das ist mir noch nie passiert. Beim ersten mal habe ich auch nicht weiter darüber nachgedacht, aber das zweimal zu bringen ist eine Komplettverarschung und ein enormer Disrespect.
Du wirst jetzt nicht mehr dort auftreten?
Sicher nicht. Da gingen auch einige böse E-mails hin und her. Ich kenne einen der beiden Promoter persönlich, der tat immer auf »wie super, wie toll, Electric Indigo«.
Um noch mal auf die Technik zu kommen: was bedeutet Mischen für dich?
Dazu gehört auch, einen Ablauf zu gestalten, Atmosphäre zu erzeugen, Nummern zu finden, die zueinander passen, einen Flow oder einen roten Faden haben, dem alle folgen können. Weiters Soundkontrolle mit Equalizern und vieles andere. Auf dem Pioneer 500 oder 600 gibt es Effekte, damit arbeite ich gerne. Beim Nachfolger gibt es auch einen eingebauten Sampler, damit würde ich auch gerne arbeiten, aber ich habe erst zweimal mit dem aufgelegt. Wenn man mitten in der Party davor steht, kann man schlecht ‚rumprobieren, wenn man noch nicht weiß, wo welche Funktion ist. Ich habe zwar schon Plattenspieler und Mixer zu Hause, aber nicht den neuesten Pioneer 600.
Probierst Du neue Geräte meist direkt während des Auflegens aus?
Ja. Wenn das Gerät 100 Extrafunktionen hat, dann verwende ich die beim ersten mal eben nicht.
Hast Du schon eine CD produziert?
CDs eher nicht, aber es gibt einige Platten. Die Diskographie ist auf der website. Ich mache es allerdings selten, es ist einfach eine Zeitfrage. Ich würde gerne öfter produzieren, bin aber nicht fix bei einem Label dabei. Wenn man das so selten macht, muss man sich immer neu hineinarbeiten. Es geht zwar von mal zu mal schneller, aber es ist aufwendiger als wenn man Produzent ist, einen neuen Track macht und ins Studio geht. Bei mir ist das anders. Es steht zwar alles zu Hause aufgebaut, ich muss mich aber trotzdem immer intensiv damit beschäftigen.
Benutzerfreundliche Datenbank
Wie ist es dazu gekommen, dass Du Female Pressure gegründet hast?
Schwierig zu sagen, warum das jetzt wirklich passiert ist. Es ist natürlich auffällig gewesen, dass man immer wieder das gleiche hört: »Warum gibt es so wenige Frauen-DJs?«, und ich hab‘ mir gedacht: »Was soll das eigentlich? Es gibt ja gar nicht so wenige.« Ein weiterer Schritt war, das ich irgendwann alle Namen aufgeschrieben habe, die mir eingefallen sind. So kam ich darauf, dass ich zu den meisten Frauen, obwohl ich sie eigentlich kannte, einfach keinen guten Kontakt hatte. Das waren alles Typen in meinem Adressbuch. Da habe ich mir gedacht, da muss jetzt mal eine Liste gebaut werden und habe das in die Wege geleitet. Ich habe die paar Frauen, die auch aufgelegt haben, kontaktiert, ich habe E-Mails verschickt und geschildert, was ich vorhabe, den Gedanken eben ausgestreut. Es kam viel Feedback. Es war klar, dass es eine Datenbank werden muss. Auch, weil ich mir das als richtiges Tool für andere Leute vorgestellt habe. Viele Frauen benutzen das Internet kaum und wissen wenig darüber. Durch die interaktive Liste kann man sich da warmlaufen. Ich bin ja jetzt auch keine booking Agentur. Ich habe auch nicht vor, so etwas zu tun. Ich habe so eine Art Schirmherrschaft, es ist daher auch nicht perfekt oder kann nicht alle Ansprüche erfüllen. Es hängt eigentlich von den Frauen selber ab.
Das was Du da ins Leben gerufen hast, läuft eigentlich ganz gut …
Ja, ich würde sagen, es hat in den letzten Monaten eine totale Eigendynamik entwickelt. Leute, die vorher nicht unbedingt begeistert waren, machen sich Gedanken, was da alles zu tun ist. Plötzlich heißt es, man muss eine Tour organisieren und da und dort female pressure parties machen. Sie stehen da und sagen »female pressure«, so wie eine Parole. Das ist toll, das habe ich mir nicht erwartet. Mir ist es eher darum gegangen, dass es einmal repräsentativ irgendwo eine Seite oder einen Ort gibt, wo man einfach sieht: es gibt so und so viele weibliche DJs. Da kannst Du auf das ewige Gejammere, es gäbe so wenig Frauen in dem Business, antworten: »Geh??? mal dahin und scha
u??? dir das an.« Das ist alles gerade erst im Entstehen. Es gab noch nicht so viele female pressure parties, die dezidiert auch so promotet worden sind.
Du bist ja gerade aus den USA zurückgekehrt Gibt es dort etwas Ähnliches?
Nicht dass ich wüsste. Das hat mich am allermeisten gewundert, als ich damit angefangen habe. Ich dachte, im Internet gäbe es alles, es gab aber keine Datenbank für Frauen, die im elektronischen Bereich Musik machen. Wenn man sich für eine Sache so engagiert, müsste einem ja einmal irgendjemand erzählen, dass es so etwas Ähnliches schon irgendwo gibt. Das war erst zweimal der Fall. In einem musikalisch vergleichbaren Feld gibt es so was aber nicht, eventuell für Rock Musik.
Marktwert
Erntest Du für das was Du tust Respekt, für Dein Engagement um das weibliche Netzwerk?
Bis jetzt wird das überraschenderweise total positiv aufgenommen. Normalerweise gibt es immer auch schlechte Kommentare, aber dafür ist es wahrscheinlich noch nicht wichtig genug. Wenn es ein globales von mir beeinflusstes Netzwerk von Frauen, Parties und Labels wäre, dann gäbe es sicher böse Stimmen, aber so… Ich bin einfach keine Firma und female pressure ist kein kommerzielles Produkt, deswegen wird das nicht großartig beworben. Das mediale Interesse ist trotzdem groß, es ist einfach ein gutes Thema. Bei den Parties ist das auch zu bemerken. Man könnte vielleicht meinen, Männer wären dadurch verschreckt und bezeichneten es als Lesbenverein oder ähnliches Doofes. Eigentlich überwiegt aber die Begeisterung. Wenn die Musik auch noch gut ist, dann ist es für die weiblichen Besucher toll, weil sie sich irgendwie bestärkt fühlen und für die männlichen Besucher vielleicht etwas verwirrend aber auch ganz super. Natürlich ist es auch so, wenn ich mit Freundinnen auflege oder mit den Frauen, die mittlerweile vielleicht in einem engeren Zirkel sind, dann freuen wir uns auch, dass wir zusammen da sind. Es gibt da keinen komischen Stress, wer wie lange auflegt, oder wer wem eine Nummer wegspielt. Dann macht es mir auch großen Spaß, Frauen zu pushen. Ich finde es total lustig, mit guten Kolleginnen aufzulegen. Es macht wesentlich mehr Spaß, als mit Carl Cox und Sven Väth aufzulegen. Ich glaube, dass sich das auch auf die allgemeine Stimmung überträgt. Wenn die DJs gut sind, einen guten Geschmack und ein Gefühl für die Musik, die Leute und den Club haben, dann ist es klar, dass es toll wird. Die Frauen, die ich mag, bauen Sachen, die ungewöhnlich sind, wo man sich ein bisschen was trauen muss, um die zu spielen, weil sie nicht unbedingt beim ersten Mal hören ankommen, so gut ein, dass es funktioniert. Das macht Spaß, da kann man auch etwas lernen. Es ist sterbenslangweilig, wenn ich mir schon ausrechnen kann, was ein DJ in 20 Minuten spielen wird. Viele männliche DJs spielen oft einen auf sicher und das ist tödlich.
In der letzten Ausgabe von »Testcard« berichten Frauen-DJs, dass sie in der Szene regelmäßig benachteiligt werden. Sie bekommen weniger bezahlt für gleiche Arbeit, werden geschnitten, wenn sie wo hineinkommen möchten usw. Erlebst Du das auch so?
Es stimmt, dass sie weniger bezahlt bekommen, aber dass sie die gleiche Arbeit machen? Man kann die Arbeit verschiedener DJs nicht direkt vergleichen. Das wäre so, als ob man sagen würde: »Der Van Gogh hat die gleiche Arbeit gemacht wie der Degas«. Der Preis eines DJs besteht – grob gesagt – aus zwei Faktoren: dem Marktwert einerseits, d.h. ob viele Leute viel Eintritt zu zahlen bereit sind, und dem Image, das er transportiert, andererseits. Du kannst mit einem DJ auch Credibility und positives Image zu deiner Veranstaltung holen, das ist bei mir eher der Fall. Ich glaube aber nicht, dass weibliche DJs extra benachteiligt werden. Es gibt aber Vorurteile wie z.B., dass man zwar nicht mehr sagt, dass Frauen prinzipiell technisch schlecht auflegen, dass es aber eher unwahrscheinlich ist, über die Technik eines weiblichen DJs in Euphorie zu verfallen, selbst WENN sie supergut ist. Warum Frauen nicht zu den Topverdienern zählen, kann ich auch nicht sagen. Ich kann jetzt nicht sagen: Benachteiligung ja oder nein. Wenn viele Leute kommen, weil die DJ große Titten hat, ist das gewiss kein Vorteil. Es ist ein echt schwieriges Thema, das man von vielen Seiten her beleuchten kann.
Es ist doch auch so, dass Frauen oft viel mehr Hemmungen haben, ihre Künste zu präsentieren, weil sie an ihren Fähigkeiten zweifeln. Manche Männer hingegen stellen sich hin und verbraten mit größter Überzeugung den letzten Müll. Woran liegt das?
Vielleicht daran, dass Frauen ein bisserl mehr reflektieren? Vielleicht sind sie einfach nicht so begeistert von sich, wie Männer. Gerade bei jungen Leuten ist das Schema sehr auffällig und ärgert mich total. Selbst wenn Frauen etwas wirklich sehr gut machen und dann gebeten werden, damit einen Schritt weiter zu gehen, tendieren sie dazu, gleich zu sagen: »Da gibt???s doch andere Experten, die sind auch schon bekannt, da brauch??? ich doch nicht«, usw. Sie trauen sich das nicht zu. Ich denke, das ist ein Missstand, dem ich mit meinen bescheidenen Möglichkeiten ein wenig abhelfen möchte, indem ich als Rolemodel diene. Sei es nur eine, die plötzlich meint: »Wenn die das kann, kann ich das auch machen.« So wird man doch DJ, indem man sich mit dem DJ, dem man gerade zusieht, identifiziert. Du wärst gern an seiner Stelle, weil d es gut findest. Möglicherweise identifiziert man sich eher mit einer Person des gleichen Geschlechts als umgekehrt, so tendenziell populär-psychologisch jetzt einmal in den Raum geworfen.