Willi Resetarits’ Kombo Stubnblues, ins Leben gerufen, als er mit befreundeten Musikern auf einer Almhütte eingeschneit war, weist Verwandtschaft mit dem Wienerlied auf. Bei der Veröffentlichung von »Stubnblues II. Aus Sun und aus Regn«, die in einem wertschätzenden Text von Stefan Koroschetz in skug #70, 4– 6/2007 Niederschlag fand, verkündete Resetarits selbst: »I ziag jetzt no an Zwanzigjahresziegel durch!« Das war ihm leider nicht mehr vergönnt. 2021 erschien das fünfte Stubnblues-Album »Elapetsch«, das sich mit dem Thema Sterben auseinandersetzt und sehr von Resetarits’ Hausheiligem H. C. Artmann, dem Stubnblues 2018 eine Platte widmete, inspiriert wirkt. Jetzt aber zurück ins Jahr 2009, als der spielfreudige Musikant und ideensprühende Projektant skug anlässlich des Erscheinens von »Stubnblues III. No so vü« in seinem geliebten Wirtshaus Birner in seinem Wiener Heimatbezirk Floridsdorf zum Gespräch lud.
Neugier ist Leben
Willi Resetarits, ein Phänomen, das immer präsent war und ist (Schmetterlinge, Ostbahn-Kurti, Stubnblues, Spiritus Rector des Integrationshauses), erzählt über neue Projekte und schließt mit einem seiner ungefähr 27 Herzensanliegen: einem Schüttelreim. (Ein Text aus skug #78, 4–6/2009.)
Spätestens als sich Willi Resetarits auf dem Platz neben dem wärmenden Ofenrohr im Gasthaus Birner an der Alten Donau in Wien niedergelassen, eine Buttersemmel samt Melange vor sich und die Begrüßung abgeschlossen hat, wird eines schnell klar: Hier geht es nicht um ein normales Frage-Antwort-Spiel, sondern um ein wunderbar mäanderndes Reisen durch Geschichten, Erfahrungen und Lebensweisheiten. Was im Laufe des Gesprächs immer mehr beeindruckt, ist, dass Willi Resetarits, egal welches Thema er sich vornimmt, immer wieder zum Ausgangsgedanken zurückkehrt. Diese Rückkehr kann manchmal dauern, aber die Reise zahlt sich immer aus. Dass er ein Geschichten- (und Geschichts-)Kraftwerk ist, ist keine unbedingt neue Erkenntnis. Als frisch gebackener 60er kann er über die Geschichte der Linken in den 1970ern, den deutschen Herbst und die musikalische Begleitung und Verarbeitung durch die Schmetterlinge erzählen. Oder aber über die Teilnahme am Songcontest 1977 in Irland, die über den vorher ausgehandelten Deal die Veröffentlichung der »Proletenpassion« ökonomisch ermöglichte: Immerhin handelte es sich bei dieser Revue durch die Geschichte der Arbeiterbewegung um eine üppige 3-LP-Box.
Erfüllende Themen wären natürlich auch die Grünbewegung (und deren aktuelle Sprachlosigkeit), die Geburt der Extraplatte, des ersten Indie-Labels im Lande Österreich, oder die Gründung des Integrationshauses in Wien, dessen treibende Kraft er lange war und dessen Spiritus Rector er noch lange sein wird. Dann gibt es das Kapitel der Zusammenarbeit mit Günter Brödl, das Österreich und den angrenzenden Außengebieten den originären Popstar Kurt Ostbahn bescherte, der die Poesie des Dialekts in ungeahnte Höhen hievte und damit auch die »Proletenpassion« mit anderen Mitteln (und etwas Inspiration von Herrn Springsteen) weiterschrieb. Dass Willi Resetarits den Kurt nach dem viel zu frühen Tod von »Trainer« Günter Brödl in all seiner Würde und im Vollbesitz seiner Kräfte ohne Rückfahrkarte auf der letzten CD mit »Wenn der Herbst langsam näher rückt« in den Sonnenuntergang reiten ließ, spricht für seine Liebe zu Günter Brödl, seinen Respekt gegenüber der Figur Kurt und seine Konsequenz. Ein buchfüllendes Thema sind auch seine Kollaborationen mit Menschen mit großem Herzen wie Sivan Perwer, Flaco Jimenez, Kinky Friedman, Townes van Zandt, Sabina Hank oder Ernst Molden. Dessen »Hammaschmidgossn« war für mich der größte musikalische Kinnhaken 2008.
Eine Gasse in Wien 19. Eine Spurensuche.
»Der Ernstl (Ernst Molden, Anm. der Red.) hat die ›Hammaschmidgossn‹ ja für mich geschrieben. Ich hab’ ihn gefragt, ob er irgendwann einmal etwas für mich machen kann, und ein paar Tage später war das Lied da. Er war in meiner Sendung ›Trost und Rat‹ (jeden Sonntag ab l3:00 Uhr auf Radio Wien) und ich kenne ihn ja schon lang. Molden war ein junges Bürscherl bei der »Presse« und hat mit dem Kurt Ostbahn sein erstes Interview gemacht, da haben wir uns schon spirituell geliebt. Und in dem Lied hat er angeknüpft an die Spielplätze seiner Kindheit, aber er hat auch den Konflikt zwischen den Reichen am Berg und den Proletenkindern im Tal eingebaut. Die Gstettn war ja der wichtigste Spielplatz, die sind jetzt alle weg, ich hab’ ja selber dort gekickt, dort war der NAC-Platz, das ist jetzt vollkommen unwichtig, aber mir g’fallt’s. Und der Ernst, der hat ja immer den Kontakt gesucht zu den roten G’frastern und beschreibt damit natürlich ein Wien, das es nicht mehr gibt.«
Die Hammaschidgossn beschreibt aber auch die Gefühle des Rückkehrers, der sich die Geborgenheit seiner Kindheit erwartet, die aber von der Gasse in keiner Weise erwidert wird. Diese Zwiespältigkeit macht den Song zu einem Breitwandepos, das die Geschichte jedes sehnsüchtigen Heimkehrers erzählt. Ernst Molden gibt auch ganz offen zu, dass er den Sang als kleines trojanisches Pferd sieht, das er seinem Freund vor die Tür stellt, um ein paar Elemente des Erbes von Kurt Ostbahn wieder an die Oberfläche zu spülen. Willi Resetarits nahm die Anregung zur Kenntnis und machte natürlich das Gegenteil. Was bereits jetzt verraten werden kann, ist, dass die Zusammenarbeit ausgebaut wird. »Bei seinen neuen Liedern, da bin ich ja umgefallen, und selbst wenn das kein Erfolg wird, was ich aber bezweifle, weil wir werden viele Anhänger finden, freu’ ich mich schon, das zu machen.« Was bleibt, ist nichts als die pure Neugier, die wohl erst im Frühsommer gestillt werden wird.
Heimat
Anlass für unser Gespräch ist das Erscheinen des dritten Albums des Stubnblues »No so vü«. »Der Stubnblues, das ist jetzt meine Heimat, das musikalische Trägerschiff.« Die Möglichkeit, mit dem Stubnblues auch leise zu spielen, ist mehr als ein Tribut ans Alter, und es geht auch um das Bedürfnis zu rühren und das auch an den Gesichtern im Publikum erkennen zu können. Und wer hier das Titelstück einmal gehört hat, der kann nicht anders, als es als großes Dokument erwachsener Sehnsüchte ins Herz zu schließen. »Das ist ein Lied, da kommen zwei Sachen zusammen, das ist mir schon einmal passiert, beim Ostbahn. Als ich es das erste Mal gesungen hab’, hab’ ich gedacht, der Blaikner Peter hat das für mich geschrieben, weil er kennt mich ja, ich hab’ mich abgewandt, weil ich hab’ feuchte Augen gehabt. Da erinnerte ich mich daran, wie wir Arbeit (Günter Brödls Version von Springsteens ›Factory‹, ein Klassiker im Ostbahn-Repertoire) eingeübt haben, da hab’ ich gedacht, der Brödl hat den Text über meinen Vater geschrieben und als wir das dann gespielt haben und ich mit den Leuten geredet hab’, ist herausgekommen, dass jeder oder zumindest viele gedacht haben, dass die ›Arbeit‹ über ihren Vater geschrieben ist. In Wahrheit ein Lied über jeden Vater, der sich mit manueller Arbeit zum Krüppel gehackelt hat, und das waren viele. Und bei dem Lied ist es genauso, ich hab’ den Blaikner gefragt, ob er das Lied über mich geschrieben hat, aber da könnt’s passieren, dass das Publikum denkt, ›Ui, der Willi (oder der Peter, je nachdem) kennt mich so gut, der schreibt ein Lied für mich‹. Und deswegen ist es dann das Titellied geworden.«
Der Schüttelreim …
… ist ein Doppelreim, bei dem die Konsonanten vor den zwei Reimvokalen der ersten Zeile in umgekehrter Reihenfolge in der zweiten Zeile auftreten. Und wie der Hörerschaft seiner Sendung bekannt, ist Willi Resetarits ein bekennender Fan und glühender Verbreiter des Schüttelreims. Statt einer Verabschiedung gibt er uns Folgendes mit: »Die Szene spielt vor einem Volksfestzelt, ein Kleingärtner: Wenn Sie mir do hinkacken / kriagen’s sofort an Kinnhaken«.
Willi Resetarits & Der Stubnblues: »Stubnblues III. No so vü« (Eigenverlag)