In mindestens zweifacher Hinsicht ist dieser Tonträger eine Besonderheit. Zum einen fesselt der hypnotisch-minimalistische Drive dieser sechs leicht retardierten Stücke von Anfang an. Wir hören ein reines Akustiktrio, Piano, Bass und Schlagzeug, aber so extrem zurückgenommen in melodisch-harmonischer Hinsicht, zugleich so hammerhart perkussiv auf allen Instrumenten gespielt, dass sich daraus eine schlafwandlerische Balance zwischen Meditation und Ekstase ergibt. Die allesamt ineinander überfließenden Tracks auf »Dysnomia« entwickeln einen mürrischen Sog, ein Migräneticken im Hinterkopf an der Grenze zur mechanischen Reduktion, dass man eigentlich eher an einen elektroakustischen Grenzgänger denken würde. Auf Live-Mitschnitten verliert sich diese Perfektion ein wenig, aber auf der Bühne soll der Eindruck nichts weniger atemberaubend sein. Die zweite Besonderheit an der Sache ist die Besetzung selbst: am Klavier Amino Belyamani aus Marokko, am Schlagzeug Qasim Naqvi aus Pakistan, am Kontrabass Aakaash Israni aus Indien, alle drei in Brooklyn, New York, tätig. Dieses dislozierte multinationale Zusammentreffen, das vielerorts bereits gewürdigt wurde, ist obligatorisch. Natürlich fußt »Dysnomia« ursprünglich auf ebenso nordafrikanischen wie indisch-pakistanischen Einflüssen, doch sind es erst der knochentrockene Art School-Einfluss (die drei Musiker lernten sich am Californian Institute for Arts in L. A. kennen) und die jahrelange Destillationsarbeit, die dieser Musik am Ende den Schliff und die Gediegenheit geben. Das ist auch der Grund, wenn man »Dysnomia« beim ersten, zweiten Anhören vielleicht noch ermüdend empfinden mag. Man hört eine folkloristische Transformation selten in dieser perkussiven Reinheit. Man muss also beim Hören buchstäblich erst dorthin kommen, wo die drei Herren bereits sind. Oder um es so zu sagen: Was man hier hört, ist eine Klasse für sich.