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Giya Kancheli | Tigran Mansurian/Kim Kashkashian

»Diplipito« | »Monodia«

ECM New Series/Lotus

Um einen gewissen Sarkasmus war der Georgier ja nie verlegen: Kancheli widmet den »Valse Boston« einerseits dem Dirigenten Dennis Russell Davies unter dem Stuttgarter Kammerorchester, andererseits seiner Frau, mit der er nie getanzt hat. 3/4 -Takt ertönt keineswegs und auch eine mondäne Unterhaltsamkeitssphäre, wie sie die Liner Notes herbeischreiben, scheint etwas konstruiert. Der Walzer erscheint als ferner Klang, wie so vieles bei Kancheli. Einzig eine triolische Bewegung verheißt etwas Schwung, indes, sie will nicht recht vorankommen. Im Klavierspiel von Davies lösen schroffe Clustergeräusche melodiöse Passagen ab. Hier mag die Qual aber auch das empfundene Glück eines Klavierunterrichtes nachhallen, aber grundsätzlich ist ja Kancheli einer, der gern Schönklang teils mit brutalen Dissonanzen aufhebt, und einmal mehr erheben sich die Streicher, die trotz ihrer Luftigkeit erinnerungschwangere Melancholie in sich tagen, in lichte Höhen. Dies kommt voll auch im Titelstück zur Geltung, das in einer »schlafwandlerischen Ausdrucks-Entrücktheit verharrt« und eben in Joseph Brodskys Motto »Mein Stille-Schaffen, mein stummes …« gipfelt. Nach Countertenor Derek Lee Ragin und Violoncellist Thomas Demenga übernehmen bei Tigran Mansurian Kim Kashkashian (Bratsche) bzw. Oleg Kagan (Violine) die Soloparts. Auch der Armenier Mansurian, dessen Schaffen vom Musiksammler/Komponisten Komitas wesentlich inspiriert ist, grenzt seine Musik in diesem Fall auf Streicher, in diesem Fall jene des Münchner Kammerorchesters ein. »… and Then I Was In Time Again« geht auf William Faulkner zurück, während das »Concerto For Violin And Orchestra« eine mystische Stimmung aufwühlt. Nach dem entrückten »Lachrymae« für Jan Garbarek (sopransax) und Kashkashian folgt »Confessing With Faith«. Mansurian hat sieben Gebete des christlich-armenischen Kirchenführers St. Nerses Schnorhali (1100-1173) zu einer mahnenden Klage gegen die Genozide am armenischen Volk vertont. Countertenor David James scheint über den Chorstimmen der drei anderen Sänger des Hilliard Ensemble zu schweben und auch Kashkashians Viola strahlt im ätherischen Ton.

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