© Pe Tee
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Der große Minister – Teil 3: Die Schwingen des Weltgeists

Jetzt ist es aber schnell gegangen mit der österreichischen Bundesregierung und die aktuelle Satire »Hykels wundersame Visionen und Taten« scheint zu einem Historienroman geworden zu sein. Aber nur für Optimist*innen, die anderen sollten weiterhin genau hinschauen. Die Autoren lesen live am 1. Juni 2019 in Wien.

»Goldi, hier drüben!« Hykel stand auf der anderen Straßenseite und hob diskret den Zeigefinger.
Goldi rümpfte die Nase und wartete auf die nächste Grünphase. Dass das Bundesamt für Terrorbekämpfung und den Schutz unserer Verfassung von zwei so stark befahrenen Straßen ins Eck gedrängt wird … Da ist’s im Landesamt dann doch beschaulicher, dachte er noch, bevor er sich über die Kreuzung wagte.
Hykel strahlte über das ganze Gesicht und deutete auf das Eckgebäude. »Schauen Sie, mein lieber Herr Goldgräber«, hob er ungewohnt förmlich an, »meine Vision betrifft dieses Gebäude und natürlich das rastlose Treiben hinter diesen Mauern.«
Goldi zupfte ein Etui aus dem Sakko und steckte eine Zigarette in den Mundwinkel. Zuerst misslang das Anzünden wegen des Wiener Windes, als aber dann eine endlose LKW-Kolonne vorbeiratterte und seine Tschick beinahe auf dem schmalen Gehsteig landete, verlor er die Geduld. »Hykel, ich kenne dieses Gebäude von außen und bald auch von innen. Wenn nur nicht diese Grattler vom Ausschuss wären. Gehen wir ums Eck zum Hochnerpark!«
»Hochner, ist das nicht diese Journaille?«, fragte Hykel, als er vor sich den Park sah, in dem ein paar knorrige Bäume ihr tristes Dasein fristeten.
»Genau, Robert Hochner. Seit seiner Zeit bei der Arbeiterzeitung bis zu seinem Ableben unter Beobachtung. Man kann nie vorsichtig genug sein. Setzen wir uns.«
»Mein lieber Goldi, das ist jetzt aber doch etwas befremdlich hier! Wir sitzen im Hochnerpark und der Stadtteil heißt St. Marx … Obwohl ja der junge Marx durchaus von Hegel inspiriert wurde … Bedenklich, wie manche dann doch noch so fehlgeleitet werden können.« Hykel lauschte dem monotonen Dröhnen der Südosttangente und ließ seinen Blick über die Kräne streifen, die sich hinter den alten Schlachthallen in den Himmel bohrten. »Der Weltgeist ist ja nicht für jedermann …«
»… oder jederfrau«, feixte Goldi und ließ den Rindenmulch unter seiner Sohle krachen. »Und wenn sich der Weltgeist doch mal sehen lässt und wir ihn sacht umarmen, braucht’s halt ein paar beherzte Umbauarbeiten und Personalrochaden, damit er sich auch wohl fühlt bei uns«, dozierte Goldi und schnippte seine Zigarette in den Kiesweg.
Hykels Nervosität war nun wie weggewischt, er stützte sich an der Rückenlehne ab, wobei er tunlichst darauf bedacht war, nicht in den Taubendreck zu greifen. Dann erhob er sich mit einem Ruck und wippte feierlich von einem Fuß auf den anderen. »Goldi, ich danke für diese rasiermesserscharfe Analyse des verändernden Weltgeistes, ich habe doch immer schon geahnt, dass wir beide wie Erbsen aus derselben Schote sind.« Er ließ diese Erkenntnis sich gleich Morgentau auf die Sitzbank senken und hob wieder an: »Das Alte bleibt, das Neue geht und natürlich auch in seiner antithet… « Das Stakkato eines Presslufthammers, vielleicht vom Klestilplatz, vielleicht auch aus einer der vielen Bauruinen, die gleich verfaulten Zähnen die Gegend säumten, zwang ihn, kurz innezuhalten. »…ischen Form, also vice versa. Sie verstehen?«
»Klar, aber jetzt bitte zur Sache«, antwortete Goldgräber und sog hastig an der nächsten Zigarette.
»Ich meine, die Hausdurchsuchung beim Verfassungsschutz hat ja recht gut funktioniert.«
»Tadellos, wie ich meine. Und war eine wirklich originelle Idee.«
»Aber, das können wir nicht jedes Jahr liefern. Es war ein guter Opener, aber was wir brauchen, ist eine Truppe, mit der wir in Ruhe arbeiten können. Und zwar in diesem Haus«, und er zeigte mit seinem Finger um die Ecke.
»Hm.«
»Wie Sie wissen, habe ich lange Zeit für Jörg, den Sonnenkönig, Reden geschrieben. Einfache, erheiternde, mit einem starken Schuss Beleidigungen. Ein simples Rezept. Auch für Fernsehdiskussionen habe ich ihn gebrieft. Ich kann mich gut erinnern, wie er einmal zu mir sagte: Dieser Hochner will immer Antworten. Was interessieren mich die Fragen eines Fernsehjournalisten?«
»Stimmt. Die sind genauso deppert wie die vom Untersuchungsausschuss.«
»Und dann kam plötzlich dieses legendäre Interview von Otto Waalkes. Damals bei der Ingrid Thurnher. Es war genial.«
»Kann mich erinnern. Ich konnte mich kaum halten. Wo er sie umarmt hat. Es war zum Totlachen.«
»Das auch. Doch mir wurde damals eines schlagartig klar: So muss Politik funktionieren.«
»Wie bitte?«
»Ganz einfach. Was ist damals passiert, mein lieber Goldgräber? Was haben wir gesehen?«
»Gesehen? Der Otto hat komisch herumgeredet und lustig gepfiffen.«
»Das auch. Aber das Wichtige ist: Er hat keine einzige Frage beantwortet und ist schließlich unter den Tisch gekrochen. Nur, was ist wirklich passiert?«
»Er hat ihre Beine gekitzelt, vermute ich.«
»Benützen Sie ihren Geist, mein Lieber. Sprengen Sie Ihre Denkfesseln. Was ist passiert?«
»Sie ist ihm auf die Finger gestiegen?«
»Otto war als Abwesender permanent anwesend. Er kontrollierte das Geschehen in seiner abwesenden Anwesenheit. Niemand weiß, was er unter dem Tisch machte. Er war da und tauchte schließlich zur Belustigung der Zuschauer immer wieder auf und machte weiter den Kasperl. So funktioniert der tiefe Staat, mein Lieber. Nur so kann man ruhig regieren. Und das brauchen wir.«
»Einen Kasperl?«
»Nein, nein, eine geheime Elitetruppe, die mir unterstellt ist und unterhalb des Verfassungsschutzes operiert. 100 Personen. Das würde fürs Erste reichen. Und ich weiß auch schon, wie sie heißen wird. Gehyki, Geheime Hynkl Kieberei.«
»Ein ansprechender Name. Keck, neckisch und richtig knackig. Alle Achtung.«
»So ist es. Von Zeit zu Zeit zeigen wir uns und machen ein paar Späße.«
»Und unten …«
»Machen wir es wie Otto Waalkes!«
»Die abwesende Anwesenheit. Die antithetische Form vice versa. Ich verstehe.«

The Real Crime Inc. lesen gemeinsam mit Stefanie Sargnagel am Freitag, dem 1. Juni 2019 bei der Soli-Veranstaltung gegen Bullen Repression am Wagenplatz in Wien.

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