Nachdem vor gut zwei Wochen schon Alva Noto/Ryuichi Sakamoto für Aufsehen gesorgt hatten, ließen Coldcut auf einer der Schlussveranstaltungen des Festivals jede Menge knackiger Tanz-Beats und ansehnlicher Visuals vom Stapel. Zwar irgendwie seltsam, dass es eine derart große Institution braucht, um Coldcut endlich mal nach Wien zu bringen, aber immerhin. Der Anlass war indes gut gewählt, schließlich haben Coldcut diesen Frühling ihre neue Veröffentlichung »Soundmirrors« herausgebracht. Der Arkadenhof des Rathauses verlieh dem Ganzen einen durchaus »würdevollen« Rahmen, wenn man aber an Festivals wie etwa das Sónar denkt, hat die Bespielung derartiger Locations etwas durchaus Internationales. Das Jazzfest war heuer mit gut 64.000 Besuchern sehr gut besucht und schon die beiden erwähnten Formationen lassen darauf schließen, dass man sich bei der Festival-Programmierung genüsslich über diverse Genre-Tellerränder hinausgelehnt hatte. Coldcut spielten als Quintett, die beiden Band- und Ninja-Tune-Gründer Jonathan More und Matt Black bekamen Unterstützung von einem DJ, einem VJ und einem Rapper. Vor der Band ein Aufbau an technischen Gerätschaften, an Monitoren, Keyboards und Kontroll-Screens, die mindestens Kraftwerk zur Ehre gereicht hätten. Dahinter eine überdimensionierte Video-Wall, die als Split Screen verwendet wurde.
Eines der Markenzeichen von Coldcut ist ja ihre synästhetische Verschaltung von Bild und Ton, bereitgestellt von der hauseigenen Software »VJamm«, durch die sich Bilder scratchen lassen und von den Sounds gesteuert werden. Während Heerscharen von VJs geometrisch abstrakte Muster durchs Bild jagen, zeichnen sich Coldcut dadurch aus, dass sie nur mit konkretem Bildmaterial arbeiten, das genauso verarbeitet wird wie wenn ein DJ mit Platten spielt: Da wurde geloopt und gesamplet, was das Zeug hielt. Teilweise kamen die audiovisuellen Tracks als heftige Collage aus Nachrichtensendungen und politischer Propaganda daher, Coldcut machen nach wie vor keinen Hehl daraus, dass »da draußen« einiges falsch läuft. – Ähnliches, wenn auch kompakter und eindringlicher, hatte ich auf einem Coldcut-Konzert in Bologna gesehen, auf dem sie u.a. Berichterstattungen von 9/11 und dem beginnenden Irakkrieg zu einem gut einstündigen, ziemlich heftigen Set verhexelt hatten. – Interessant und erstaunlich, dass kurz einmal Bilder von Ministerin Gehrer aufflackerten: Coldcut hatten sich für ihre Wien-Show anscheinend eben mehr überlegt als die Abfolge der Sound- und Video-Sequenzen. Klar durfte in dem gut eineinhalbstündigen Set ein Wildstyle-Remix ihrer legendären, zusammen mit Hexstatic produzierten Nummer »Timber« nicht fehlen.
Während die Band am Beginn druckvoll für Tanzstimmung sorgte, fiel diese Spannung im Mittelteil etwas ab zugunsten von recht ambient- und trancehaften Passagen, die gegen Ende durch ein paar basslastige D’n’B-Breaks für den nötigen Tanzkick aufgelockert wurden. Als letzte Nummer zog die Band bei »Cooking with Coldcut« noch einmal alle Register: Man nutzte das allgemein sehr beliebte Format von Kochsendungen, nur dass in diesem musikalischen Cartoon das Gemüse zu menschenverschlingenden Zombies wurde und sich Jonathan und Matt sämtlicher Ninja- und Kung-Fu-Tricks bedienen mussten, um die Killer-Tomaten und Mutanten-Maiskolben doch noch zu einem wohlfeilen Gericht zu verarbeiten. Enthusiastische Publikumsreaktionen folgten für mehr als 15 Minuten. Aber Coldcut konnten sich nicht mehr zu einer Zugabe erweichen. Was ja auch sein Gutes hat, wenn das Konzept über einer »Anbiederung« an das Publikum steht. Danach war binnen kürzester Zeit wirklich Schluss: Praktisch sofort nach Konzertende war die Bar bereits geschlossen und man wurde auf doch ziemlich bestimmte Art darauf hingewiesen, doch bitte zu gehen. Abgesehen davon war’s ein idealer Abend zum Schauen und Shaken.
Coldcut, 15.7.2006, Arkadenhof/Rathaus
Die englischen Ninja-Master auf Premieren-Besuch beim Wiener Jazzfest.
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