»Artistic License: Six Takes on the Guggenheim Collection«, Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 24. Mai 2019 bis 12. Jänner 2020. Foto: David Heald © Solomon R. Guggenheim Foundation
»Artistic License: Six Takes on the Guggenheim Collection«, Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 24. Mai 2019 bis 12. Jänner 2020. Foto: David Heald © Solomon R. Guggenheim Foundation

»City is my mirror«

New York ist eine ganz eigene Brutstätte für emigrierte Künstlerinnen und deren Bearbeitungen ihrer Geschichte. Welche Formen diese annimmt, zeigen aktuelle Ausstellungen im Guggenheim Museum und im Metropolitan Museum of Art.

In New York ist gerade der Feminismus modern bzw. wird sogar schon historisiert und wandert ins Museum. Die Anfänge des Feminismus liegen hier quasi schon so lange zurück, dass er wieder als Erinnerung hervorgekramt und neu beleuchtet wird. Die berühmte Lichtkünstlerin Jenny Holzer arbeitet als Kuratorin für das Guggenheim Museum und stellt in ihrer Ausstellung »Good Artists« acht Künstlerinnen wieder aus, die im Jahre 1971 zum Thema »Why have there been no great women artists?«, befragt worden waren. »As a whole, good artists playfully challenge the idea, that a specifically female aestethic actually exists«, ist Holzers Statement zu der ewigen Frage, ob es eine Kunst des Feminismus oder nur feministische Kunst gäbe. Nicht als Kampfbegriff wie in ihrer eigenen Kunst gegen Gewalt gegen Frauen, sondern als Möglichkeit der Auswirkungen von weiblicher Sozialisation betrachtet.

Dieser spielerische Ansatz von möglicher »weiblicher« Ästhetik umfasst zum Beispiel Chryssas seltsame Farbzeichen aus Neonröhren, ihre »cryptic neon reliefs«, die noch schöner sind als die von Dan Flavin aus Brooklyn. Oder die frühen fragmentarischen Holzskulpturen von Claire Falkenstein, alle zwischen 1941 und 1944 entstanden. »Exploding the volume« (1944) mit den gelben, orangefarbenen und braunen Elementen durfte man früher nehmen und damit bauen. Nun nicht mehr.

Flughund und Drehwurm
Man kriegt wirklich den Drehwurm in dem runden Guggenheim-Gebäude, sogar wenn man langsam von unten die Rampen empor schlendert. Die Kunst ist in einer Art Nischen ausgestellt, wie ein großes Werk der Bildhauerin Louise Nevelson, die mit auf den Straßen New Yorks gefundenem Holz werkte.

»Verschiedene Leute haben verschiedene Erinnerungen. Manche erinnern sich an Wörter, manche an Aktionen – meine Erinnerung arbeitet mit Formen und mit Holz«, schrieb sie einst. Aus einer jüdischen Holzhändlerfamilie aus Kiew stammend, mit fünf Jahren nach Amerika eingewandert, fand sich Nevelson erst sehr spät im Leben als Berühmtheit wieder. Hier sind ihre Kästen aus schwarz angestrichenem Holz zu sehen, in denen schwarze Holzstäbe und -teile stehen. Nevelsons »Luminous Zag: Night« aus 1971 (Painted Wood) gefällt vor allem Japanerinnen, die sich damit fotografieren.

Ein sehr schönes gelbblaues Bild von Helene Frankenthaler namens »Canal« (1963), Zahlenbilder von Hanne Darboven und einen kopfüber hängenden Flughund von Louise Bourgeois (»Rabbit«, 1970) kuratierte Holzer auch noch. Dreieckige Lampen hängen im runden Museum, seitlich gibt es runde Polstersessel ohne Lehne zum Ausruhen. Ein afroamerikanischer Guide mit grauen Haaren und riesigen orthopädischen Schuhen lehnt sich an das Geländer, knapp unter der Glaskuppel des berühmten Schneckenhauses am Central Park. Er schaut aus wie nur wenig unter Hundert. In Amerika müssen viele alte Leute arbeiten.

Louise Nevelson: »Luminous Zag: Night«, 1971. Painted wood, 304,8 x 490,2 x 27,3 cm, Solomon R. Guggenheim Museum, New York, Gift, Mr. and Mrs. Sidney Singer, 1977 © 2018 Estate of Louise Nevelson/Artists Rights Society (ARS), New York

Vergessene Dinge als Palast
Im riesigen Metropolitan Museum of Art, vor dem Leute in der Sonne Hot Dogs mit Sauerkraut essen und Musiker Stimmung machen, sind dann Afroamerican Artists zu sehen, die sich mit Kubismus und abstrakter Kunst beschäftigen, die durch afrikanische Kunst inspiriert waren. Hale Woodruff (»The Card Players«, 1930) zum Beispiel oder der kubistische Maler George L. K. Morris mit seiner »American Indian Composition« (1938). Elizabeth Catlett malte eine kubistische, streng schauende Afroamerikanerin (»Head of a Woman«, ca. 1942–1944). Catlett lebte in Harlem und unterrichtete an der George Washington Carver School Nähen und Skulptur. Ihre Community School, »which was attended by domestic workers, cooks, janitors, elevator operators and workers in the garment industry«, war sehr beliebt.

Ein MET-Stockwerk höher beeindrucken riesige Bilder, gekrönt von der Installation »Mrs. N’s Palace« (1964–1977) von Louise Nevelson, die sogar in der Riesenhalle groß ausschaut. Ein Häuschen aus schwarz gestrichenem Holz mit vielen Details und starker Ausstrahlung – »an adopted home« für »Mrs. N«, wie Nevelson in ihrem italienischen New Yorker Viertel von den Kindern gerufen wurde. Dreizehn Jahre arbeitete Nevelson, die noch kurz vor den Nazis in München bei Hans Hofmann Kubismus studiert hatte, an ihrem Palast und er wurde an ihrem 80. Geburtstag »unveiled«. Ihr Palast »is recalling grand memorials and tombs«, »the forgotten things who made up a hole.« Ihr raumgreifendes Schattenarchiv zum Holocaust »Hommage to the Six Million« schenkte sie dem schönen The Israel Museum auf einem Hügel in Jerusalem.

Grande Dame Louise Bourgeois ist in der New Yorker MET untypisch vertreten: Mit ihrer Aussicht auf den »East River from the Shelton Hotel« (1928). Man sieht Industrie, Rauch, Schornsteine. Bourgeois lebte von 1925 bis 1936 im 13. Stock des Shelton Hotels. Wenn man dann einen für New York typischen plötzlichen »unfeministischen« Schwächeanfall erleidet, kann man unten in der MET mit Aussicht auf den Central Park einen Plastiksalat haben und danach das gesamte Plastikgeschirr einfach wegschmeißen.

Louise Nevelson: »Shadows and Flags«, Louise Nevelson Plaza © Melanie Kellermann

Link: https://www.guggenheim.org/audio/track/jenny-holzer-good-artists

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