Brian Wilson © IthakaDarinPappas, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
Brian Wilson © IthakaDarinPappas, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Brian Wilson †

Der Mastermind der Beach Boys verstarb am 11. Juni 2025 im Alter von 82 Jahren und hinterlässt ein heterogenes Werk mit Anflügen einer Genialität, die Wilson nur skizzenhaft verwirklichen konnte. Anmerkungen aus der Redaktion.

Bei Brian Wilson und den Beach Boys kam immer viel zusammen: California (bevor daraus eine libertäre Ideologie wurde), Surf, ewige Teenage-Jugend, aber ebenso Manic Depression, Charles Manson und frühe Teenage-Melancholia. Wilson stand dabei aber auch noch für eine Art Pop-Verständnis, wo es darum ging, aus kleinen Pop-Songs große Pop-Art zu fabrizieren. Damit transformierte Wilson nicht den doch auch immer etwas klaustrophobisch anmutenden »Wall of Sound« von Phil Spector in Richtung ozeanische Unendlichkeiten und legte dabei u. a. mit »Little Deuce Coupe« (1963) einen nicht unwichtigen Baustein zum sonischen Rock’n’Roll-Verständnis von The Velvet Underground vor.

Gleichzeitig erweiterte er (als wohl am wenigsten an den sportlichen Aspekten von Surf interessierter Beach Boy) die inhaltliche Palette genuiner Teenager-Themen. Denn während alle Welt die Beach Boys ausschließlich mit Happy-Summer-Sound assoziierte, besang Wilson schon 1963 Einsamkeit (»In My Room«), Todessehnsucht (»Lonely Sea«) und als angehender Twentysomething 1965 in »When I Grow Up (To Be a Man)« die Angst vorm Älterwerden. 

Der Rest ist Legende: Angeregt von den Beatles (»Rubber Soul«) definierte Wilson mit »Pet Sounds« die Möglichkeiten von Pop gänzlich neu (woran die Beatles mit »Sgt. Pepper« nur noch scheitern konnten). Danach scheiterte er nicht nur an sich selber, sondern an zu vielen Drogen und einer eigentümlichen Mischung aus Traditionsverbundenheit (Psychedelic als Vocal-Exotica) und Avantgarde-Versuchen (Gemüse als Instrumentarium). Kurz: Wilson war Pop als ambivalente ästhetische Theorie: Immer wie etwas aus der Zeit gefallen und dabei dieser ebenso nachjagend wie vorauseilend. Zwei von Didi Neidhart 2011 und 2012 für skug verfasste Artikel, nachzulesen hier und hier, bezeugen dies.

Teenager werden

Brian Wilson war einer jener Charaktere (konventionell »Musikgenie« genannt), der dazu zwang, Magazine wie skug zu gründen. Denn wo sollte sonst die unergründliche Tiefe in scheinbar seichten Songs entschlüsselt werden? Wilson schaffte es, die Beatles vergleichsweise ein bisschen grob wirken zu lassen. Musikalisch wird bei den Herren aus Liverpool schon auch mal herumgeklopft und geholzt, wo Wilson stets Harmonien einsetzte und den Eigenklang von Instrumenten kontrastierte. Außerdem, Paul und John hatten gut funktionierende Frontallappen, selbst »Across the Universe« ist eine intellektuell kontrollierte Ode. Das sind Aussagen mithilfe von Kunstwillen. 

Wilson hingegen erlag seinem Material. Das Meisterwerk »Pet Sounds« ist allerdings kein Exerzitium im »Tier-Werden« sondern eine Transformation ins Teenager-Dasein, das es weder für Wilson noch sonst jemandem je hätte geben können. Die Beach Boys besangen ein unmögliches Leben und zumindest einer von ihnen wusste das auch. Das Faszinierende an den Beach Boys war dieses Beschwören eines lustigen Abhängens am Meer, mit ganz viel »Fun, Fun, Fun«, das Wilson selbst am wenigsten auch nur in Ansätzen erleben konnte. Angeblich erzeugten Meereswellen Angstzustände in ihm. Kein Fun.

Wie fast alle großen Künstler*innen des 20. Jahrhunderts gelang es Wilson, seine Vision provisorisch zu fassen und in einem Großwerk (»Pet Sounds«) zu skizzieren. Dies war aber nur Vorbereitung zum eigentlichen Coup, der bei Wilson eine »Teenager-Symphonie für Gott« hätte werden sollen. Während seine damals lächerlich erfolgreiche Band allein auf Tournee geschickt wurde, saß Wilson im Studio und arbeitete mit Arrangeur Van Dyke Parks an einem Werk, das schlicht »Smile« heißen sollte. Das epochale »Good Vibrations«, das nach unzähligen Mixes finalisiert werden konnte und bereits auf »Pet Sounds« erscheinen sollte, gelang es noch fertigzustellen und ist vielleicht einer der bestens Songs ever – auf seine überproduzierte Art. Der Rest des Albums hingegen blieb unveröffentlichte Skizze, weshalb die Teenager der Welt den Weg zu Gott dann auch nicht mehr gefunden haben. 

Abschließend noch ein Hörtipp aus dem Universum des »Smile«-Materials: »Cabinessence« – ein vertontes Hieronymus-Bosch-Gemälde. 

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