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Naked Lunch

Songs for the Exhausted

Motor Music/Universal

Gestresste Zeiten. Eingebunkert in Überlebensdruck, Selbstfunktionalisierung, Deeskalation von Gefühl. Dann so eine Platte, die einem im Schonkostgang erzählt, dass es eben nur die Liebe braucht, die leise pumpert und im Halbfalsett raunzt. Schon pulst einem der Verriss in den Fingern. Und plötzlich passiert es. Man verliert den Job. Die Frau verlässt einen. Frühmorgens wird man von der Dachlawine getroffen und liegt drei Wochen mit Stirnhöhleneiterung im Koma. Dann wacht man auf und auf einmal liebt man diese Platte, zumindest zur Hälfte, wie man das Leben als leidendes wie Jucheisa grölendes Ganzes nie zeitgleich zu schätzen weiß. Verzweifelt, aber nie entmutigt. Der Leitspruch unserer Klagenfurter Indie-Heroen, die mit den Gitarren auszogen um den alternativen Chartsglobus zu erobern, es fast schafften und mit Stereowatschen des Schicksals wie der Kritiken entlohnt wurden. Nach fünf Jahren im Schmollwinkerl und vier Labelwechseln machen sie nun das Stehaufmännchen. Geknickt, aber mit zwinkernden Augen. Die breitfröhlichen Popschelmereien, die verwaschenen, Dinosaur bis Notwist-geschulten Gitarrenwände, die kindlichen Melodeien auf einem Bouquet der Weltmelancholie, all die sind ziemlich verschwunden. Stattdessen regieren die naiven Psychosen der Flaming Lips, die schönen einsamen Männer am Piano wie frisch vom weißen Album, der Daseinsgegerbte traurige Gitarrenhengst à la Tom Petty (besonders bei »The Deal«). Da nervt das Unterspielen bei den schwachen Nummern (»First Man on the Sun«, »Lost it all«). Brilliert bei den Perlen wie der Single »God«, dem sagenhaften Tracks »King George« und »Stay«. Liebe braucht Zeit. Und Leidenschaft. Die muss man der Platte geben. Die wahre Größe einer Band zeigt sich halt erst, wenn bei Katerstimmung, fünf Uhr morgens mit gebrochenem Herzen noch Atem über ist.

>> www.nakedlunch.de

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Text
Paul Poet

Veröffentlichung
07.06.2004

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