Im Roman »His Master’s Voice« (»Głos Pana«, 1968) von Stanislav Lem erzählt der Protagonist von einem Projekt, in dem amerikanische Wissenschaftler in Zeiten des Kalten Krieges Signalen aus dem Weltraum nachgehen. Peter Hogarth, ungarischer Flüchtling und genialer Mathematiker, macht sich daran, diese zu entschlüsseln. Im gleichnamigen Film von György Pálfi aus dem Jahr 2018 (nach »Taxidermia«, 2006; »Final Cut«, 2012; »Free Fall«, 2014) wird diese Story als spirituelle Vorlage benutzt, allerdings macht sich Hogarths Sohn anhand loser Informationen auf die Suche nach dem verschwundenen Vater auf dem Planeten Terra selbst. Was hat das zu bedeuten?
Die ursprüngliche Geschichte von Lem verwurstet Pálfi geschickt in einem Potpourri aus verschiedenen Ebenen und Darstellungstechniken. Die Suche nach dem Vater, der seine Frau und seine beiden Söhne Anfang der 1980er-Jahre in Ungarn zurückließ, erlaubt es dem Regisseur, einen Thriller zu fabrizieren, der jedoch nicht annähernd dem klassischen Genre zuzuordnen ist. Dabei nutzt er diverse filmische Techniken, die »His Master’s Voice« zumindest visuell durchgehend äußerst ansprechend machen. Sei es die opulente, psychedelische Anfangsszene, die an Kubricks Science-Fiction-Monument »2001« erinnert, sei es die beeindruckende Szene mit dem Gezeitenwechsel, die dem Team laut Regisseur ein ganzes Jahr Arbeit abverlangte, oder seien es sämtliche anderen gewitzt eingesetzten Techniken. Das macht Spaß.
Im Film fällt auf, wie allerlei Möglichkeiten der digitalen Aufzeichnung bzw. der bildlichen Welterschließung ihre Verewigung finden: Man sieht den Protagonisten durch seine Digitalkamera schauen, durch seine Handykamera, er schaut Fernsehen, wir schauen Fernsehen, wir sehen YouTube-Videos, alte Bilder aus Bibliotheken, Mikrofilm. Das ist eine interessante Art und Weise, Medienarchäologie zu betreiben, und sie dann in Form eines Essayfilms zusammenzuführen. So werden die Zusehenden durch die verschiedenen Ebenen der Wahrnehmung des Protagonisten geführt und erleben seine Reise von Ungarn nach La Paloma, Colorado. Und dabei sprechen vor allem die Bilder, nicht der Protagonist.
Rote Fäden im Film sind – neben dem beeindruckenden Noise-Score – die Suche nach dem Vater, die Suche nach dem Ursprung, die Suche nach Gott und zugleich die Art der Wahrnehmung der Wirklichkeit durch verschiedene Medienformen und die detektivische Suche nach einer Person mit Hilfe eben dieser Medien. Das ist viel auf einmal, vielleicht sogar etwas zu viel, v. a. symbolische Szenen, die ohne Erklärung zwar recht schön sind (der Riese), aber im ganzen Vielerlei nicht unbedingt aufgehen. Die vielen Ebenen lassen den Film teils überambitioniert und unfertig erscheinen, über die Spieldauer von fast zwei Stunden nicht wirklich fesselnd. Surreale Szenen wirken zwar überraschend, aber nicht wirklich passend. Die Spannung der Suche nach dem Vater ebbt bald ab und andere Ideen, wie die der Ahnenreihe, verlaufen leider im Sande oder wirken fehl- bzw. unplatziert. Was hat das alles zu bedeuten?
Pálfi gibt Grund zu Annahmen, jedoch nicht genügend Hinweise, um diesen die nötige Grundlage zu verschaffen. Man ist gezwungen, die Symboliken hinzunehmen und darauf zu vertrauen, dass sie irgendeine Tiefe und Bedeutung haben. Der Film ist visuell laut, aber die leisen Töne sind es, die fehlen.
Link: https://slashfilmfestival.com/programm-2019/his-masters-voice/