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otto lechner © by klaus tauber

7. 6. 2010: Otto Lechner & Windhund & Zumari Horns from Zanzibar im Porgy & Bess (Began in Africa III)

»Die subjektive Prolo-Schlagzeug-Kritik«, Teil 2.
Tröten in die Luft und Freiheit für verheiratete Frauen.

Vielleicht ist es unfair, zum Schreiben einer Konzert-Rezension Fela Kutis »Upside Down« auf dem Plattenspieler zu hören. Doch wie die Herausforderung der zugleich komplizierten und einfachen afrikanischen Rhythmen in den Schreibgriffel kriegen? Die grundsätzlichen Probleme, wenn europäische MusikerInnen afrikanische »begleiten« wollen? Ist es europäische Anma&szligung mit den Triolen des Jazz und geraden Ansätzen aus dem Rock (ja, ich wei&szlig um die schwarzen Wurzeln dieser Musikrichtungen) der Polyrhythmik und der polymorphen Atmosphäre mancher Sessions afrikanischer Musiker beikommen zu wollen?
»Sie hören schon, wir müssen noch ganz viel lernen. Melissa, Ritter und ich fahren im Juli nach Sansibar«, sagt Otto Lechner am Ende des Konzertes im Porgy & Bess. Wobei Otto ein Zuhörer ist, der sehr konzentriert auf die anderen achtet und zur Not sogar fröhlich Lärm produzieren kann auf seinem Akkordeon.
Es klingt wie die Afrikabilder im TV, weite Ebenen, »Serengeti darf nicht sterben«*, Universum schauen – das erste Lied ist ziemlich jazzig, allein Melissa Coleman auf dem Cello baut Störgeräusche ein. Bis die Tröten kommen. Erst ist nur ein undefinierbarer Lärm aus der Ferne zu hören, dann steigen Sekembuke und Siga seitlich die Stiege hinunter, in einer Tour auf ihren Zumari-Hörnern blasend. Die gepflegten Jazz-Fans im Porgy und Bess staunen. Das ist Krach und zwar eher nur Ein-Ton-Krach, eine Zumari Horn-Tröte eben, mit durchdringendem Ton. Dazu sind die beiden noch ganz in wei&szlig in traditionelle Kostüme mit langem Rock gekleidet. Mit wei&szligen Touristen T-Shirts aus Sansibar – der eine mit einem riesigen Elefanten vorne drauf, der andere mit einem Zebra. Tröt, tröt.

otto3.jpgEiner der Afrikaner lächelt schon, dann singen beide laut zusammen, es klingt wie ein Gespräch oder eine Erzählung. Einer tanzt schon, volle Show auf der Bühne. Otto paraphrasiert, Rosmanith schaut über seine Brille und versimplifiziert den Rhythmus auf gerade und drivt. Der Geiger macht seine Mineralwasserflasche mit den Zähnen auf. Das Duo ruft wieder los, schreit, kreischt fast. Leider gibt es keine Untertitel für Suaheli.

Man muss Rosmanith schätzen für sein melodiöses Engagement,  aber er liebt seine dekorativen Klappern zu sehr. Man sollte Otto auch mal alleine spielen lassen können.
Der Tontechniker ist sicher heimlich ein Rocker.
Peter Rosmanith überlagert erst mit dem Schlagzeug die Percussion der beiden Afrikaner, dann spielt er mit einer Hand auf der Cajon, auf der er sitzt, mit der anderen bedient er mit normalem Stecken sein Schlagzeug. Das passt besser. 1234, 123, und ein kleiner Hüpfer, so löst Rosmanith später das Problem mit den sechs Achteln in der afrikanischen Musik.
Sekembuke und Siga aus Tansania blasen inzwischen wieder frech und fröhlich auf ihren dunkelbraunen Tröten (Lehm, Holz? – das Horn eines Tieres!) vor sich hin, very jazzy. Sie lehnen sich sitzend mit den Rücken aneinander, die Tröten fröhlich in die Luft haltend, wiegen sich mit. Endlich Spa&szlig auf der Bühne. Noch tiefer, man sieht sie nicht mehr, sie liegen ganz entspannt auf der Bühne, Tröten in die Luft … Otto zuckt aus – musikalisch.
»Wir sind beide Komödianten im Fernsehen. Wir haben unsere eigene Show«, erzählt Shaaban Muasi Vuai (Sekembuke) später. »Wir sind berühmt in Sansibar. Das mit den Trommeln war ein Problem. Wir spielen normalerweise nicht auf Djembes, aber unsere eigenen Trommeln kamen nicht mit dem Flugzeug an.« Die Lieder haben ernsthafte pädagogische Texte. »In Suaheli nimmt man einen Satz und der ganze Text entsteht über diesen Satz. Ein Lied brachte Tipps zur Kindererziehung, damit die Kinder so werden, wie man sie erzieht«, erklärt ?bersetzer Bunduki. »Der Song »Halindwa« sagt, dass man eine Frau nicht stoppen kann, wenn sie etwas wirklich machen will. Das ist ein traditioneller Song gegen bestimmte islamische Richtungen, die vor 600 Jahren von der arabischen Halbinsel importiert wurden und Frauen einsperren wollen. Doch unsere Mentalität ist anders, auch eine verheiratete Frau hat ihre Freiheit und eine Frau ist nicht treu, nur weil man sie auf Zuhause begrenzt. Du kannst eine Frau nicht in einen Käfig sperren.« Ein Streitgespräch zum Thema Kolonisation beginnt. Die Deutschen waren nur auf dem Festland, Sansibar von den Engländern kolonisiert, die die Unabhängigkeit 1963 bestimmten Gruppen übergaben. Bunduki: »Wie in Rhodesien wurde die Unabhängigkeit und die Regierungsmacht der arabischen Partei und nur einer gewissen afrikanischen Partei übergeben. Alle anderen Afrikaner kämpften weiter.«

Nach der Pause

»African and European musicians – they meet«, sagt ein Junge aus Tansania einfach, um die Annäherung in den Rhythmen zu beschreiben. Doch das klappt nicht durchgehend. Passt die Klangkugel urschön, die Rosmanith als Melodie- sowie Rhythmusinstrument mit den Händen spielt, so hören die beiden Afrikaner auf zu trommeln, wenn R. auf dem Schlagzeug los legt. Jazzbesen passen hier überhaupt nicht, sind zu dekorativ. Sekembuke wischt nur noch mit der Hand in der Luft hin und her über die Oberfläche der Djembe, deutet das Mitspielen an, kann sich nicht in Triolen verlieren, manchmal tippt er nur vorsichtig mit dem Zeigefinger auf die Trommel. Es ist schwer.
otto2.jpgOttos elektrische Zither hat eine Spannung wie eine singende Säge, nein, das ist Matjas elektrische Geige, der sich in diesem Konzert sehr zurück nimmt. Karl Ritter tigert sich in seine Gitarre. Mir fehlt Anne Bennent, die den Zumari-Tröten und dem Sprechgesang von Sekembuke und Siga etwas entgegen zu setzen hätte – sie sollte auch nicht nur mit französischen Hiphopern Gedichte aufsagen.
Als sich aber gegen Schluss die zwei Comedy-Schauspieler-Musiker und Bandmitglieder der Band of Zanzi oder Kidumbwe, Kidumbwe auf Tröte und Trommel aufteilen und Siga der Tröte bei sehr flottem Rhythmus Melodien entlockt, mehrere kurze Sequenzen, die er von Otto übernimmt, der sogar selber singt, ist die Fusions-Welt wieder in Ordnung.
Die Tröte hat die Melodie! Das klingt irre! Otto grinst.

Was aber noch alles in der Welt zwischen Schlagzeug und Percussion möglich sein könnte, zeigt u. a. Jahmaik Nyawade beim Bikutsi-Konzert von Vero Lareine, die wiederum ihre Stimme als Rhythmusinstrument verwenden kann. Selbstbewusst und fröhlich sitzt der Musiker – Dreads aufgesteckt, wei&szliges Satinhemd, schwarze Hose – am Boden vor seinen »Talking Drums« und lässt seine Holzstecken im Kreis über seine vor ihm stehenden Trommeln wandern.

In memoriam Bernhard Schlosser.

*»Serengeti darf nicht sterben – töten wir die Neger«, Lied der Frauen-Punkband Potschemuh, ehemals besetztes Haus in der Wiener Ägidigasse.

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