Schön sind sie schon, die alten skug-Hefte. Irgendwie. Einige sehen aus wie zusammengeheftete Erpresser*innenbriefe, aber das ist eben das Punk-Erbe, andere wie geschmeidige Hochkunstmagazine. Die meisten sind mit Idee designt, mal vielleicht ein bisschen sehr ambitioniert, wenn silbrig spiegelnde Untergründe auf hellgraue Schrift treffen. Was immer da verdruckt wurde an Farben, die sind sicherlich für den Papiermüll viel zu toxisch. Die Cover platzen zuweilen mit einem solchen Weirdo-Humor hervor, dass sich die Zahnpasta freiwillig in die Tube zurückzieht. Hier wird Exegese verlangt. Übrigens, eine Zeitung suggeriert eine Kontinuität, die es de facto nicht gibt. Das heutige Redaktionsteam hat natürlich keinen Schimmer, was sich die Kolleg*innen bei vielen Entscheidungen damals gedacht haben. Bewundernd können wir nun sagen: »Eine Katze mit Laserstrahlenaugen. Irgendwie logisch.« Oder: »skug is not a popgroup. Sicherlich.« Werbewirksam ist, was wirksam wirbt. skug war und ist immer auch eine Einladung zum Miträtseln. »Ästhetik und Politik von unten« eben. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.
Was liegt in dem alten Papier verborgen?
Die Hefte sind in vielerlei Dimension Dokumente. Nicht erst die Psychoanalyse, Kulturanthropologie und ihr missratenes Stiefkind, die Cultural Studies, lehren uns seit Langem, wie banal und bedeutungslos im Grunde das ist, was wir sehen sollen. Wenn wir die Welt durch die Blicklenkungen der großen Meister*innen sehen sollen, dann sehen wir ja eben nur dies und erleben uns im gelenkten Blick. Aber was liegt neben dem uns zugedachten Filtrat? Je älter das Beiwerk, desto bedeutsamer ist dies. Wer fände es nicht interessant, Stellenanzeigen rund um Christi Geburt lesen zu können, die einen Einblick in den damaligen Jobmarkt geben? skug ist zwar etwas jünger, aber seine Backissues warten auf mit Inseraten, die aus dem letzten Jahrtausend stammen. Wir dürfen kurz festhalten, Microsoft Publisher verfügte damals über eine üppige Anzahl formschöner Grafiken. Warum nicht damit den Plattenladen bewerben? Oder auch einfach mal selbst zum Filzstift greifen für ein fetziges Comic. Die Nineties und die Noughties waren eine Zeit, die einfach noch nicht so ermüdend auf perfekt gemacht hat.
Allein in diesen Bildgestaltungen liegt schon was drin, weil das, was damals selbstverständlich war, heute schon ein bisschen zu schillern anfängt. Und dann der Inhalt. Was war seinerzeit normal, okay oder falsch? Manches, das heute zunächst schwer verständlich wirkt, scheint dann etwas zu entbergen. Aha, das fand man damals witzig, so haben sich diese Bands inszeniert, so hat man damals solche Äußerung kommentiert. Das ist eben Geschichte. In Wort und Bild. Himmel, es hat sich viel getan. Ach, und wie jung die damals alle noch waren oder noch gar nicht geboren oder noch gar nicht vollkommen komplett vergessen. skug hatte früh schon seinen besonderen Bogen, über so ziemlich alles zu schreiben. Es wurzelte im Fanzine, aber man kann von vielen Dingen Fan sein, und bald wurde es Debattenmagazin für einfach alles, außer Tomatenveredelung. Allerdings, kann man es wissen? Hat wer jedes Wort gelesen?
Vieles findet sich mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur und ganz absolut nur in skug. Live-Reviews von Bands, die nie mehr gemacht haben als eben jenen einen Auftritt, der in skug begeistert besprochen wurde. Oder auch diese Interviews mit Größen, bevor sie Größen waren und noch gar nicht wussten, wie Größen zu reden haben (Kleiner Hinweis: »groß«). skug ist sicherlich ein Szeneporträt, von Wien, von Austria und von dem, was sich von der großen Welt im skug-Spiegel einfing. Es bilden sich die Lernprozesse ab, die immer zweischneidige Professionalisierung, die dann wieder bekämpft wurde durch noch größere Professionalisierung. Und dann ist da diese eigentümliche Überwachheit, die dazu verleitet zu denken: »Das nächste Heft, das wird es sein, das wird alles auf den Kopf stellen.« Diese gewisse Dauerübergeschnapptheit belegt schon ein müder Blick auf die Cover. Also »gut« sind sie vielleicht nicht alle, aber keines wurde mit angezogener Handbremse gemacht. Kann man natürlich alles auch ganz anders sehen und sich denken, ach wie fein, dass wir heute unsere Handheld-Devices haben und die Augen nicht auf Wanderung geschickt werden müssen durch viele, viele Seiten schwarzweißer Bleiwüsten. (Irgendwann kamen dann eh die Farbbilder und flashten nur so.)
Zwischenstation basis wien
Kurzum, wie auch immer, und ohne Frage, die alten skug-Hefte sind ein vieldimensionales Objekt zum Forschen, Staunen, Schmökern oder Gruseln. Alles, was das abenteuerlustige Herz begehrt. Was sie ganz sicherlich nicht sind, ist altes Papier. Die alten, noch im skug-Besitz befindlichen Ausgaben haben wir in kollektiver und fröhlicher Arbeitsmüh so sortiert, dass daraus ein paar (beinahe) Gesamtausgaben wurden, und planen diese nun an öffentliche Archive weiterzuleiten. Denen zur Freude und Forschung. In verschiedenen Sammlungen befindet sich skug bereits, aber längst nicht in allen. Sollten zuständige Stellen diese Zeilen zufällig lesen, dann bitte melden! Aber skug rührt sich auch von alleine und schreibt Initiativbewerbungen zur Sammlungsaufnahme.
Eine öffentliche Sammlung, die wir bereits beschenken durften, ist die basis wien. (Siehe Beweisfoto von der Übergabe der Gesamtausgabe durch skug-Chefredakteur Frank Jödicke an die Geschäftsführerin der basis wien, Helene Baur). Der basis wien möchten wir an dieser Stelle danken, dass sie uns Unterschlupf gewährt und den entsprechenden Raum für die nötige Sortierarbeit. Die basis selbst ist eine ganz wunderbare und schlaue Institution und man darf sagen, hier haben sich die richtigen gefunden. In der Sammlung der basis wien werden seit 1997 nicht die großen Werke der Kunst gesammelt, sondern es wird an einem vielleicht viel wirklichkeitsnäheren Abbild der Kunstproduktion gearbeitet, das sich in Flyern, Einladungen, kleinen Ausstellungsbeschreibungen oder sonstigen Publikationen niederschlägt. Diese »Sekundärmaterialien« sind selten oder nie von monetärem Wert, sie schreiben aber die Geschichte einer lebendigen Szene. Eine Geschichte, die nicht die der durchaus ja auch am Profit orientierten Big-Player des Kunstbusiness ist, sondern ein Abbild des Werkens und Wirkens unzähliger Künstler*innen, die vielleicht vom üblichen Betrieb nur hier und da erwähnt wurden (die aber schlau genug waren, ihre Ausstellungen der basis wien mitzuteilen). Das ist auch so ein bisschen, fast könnte man jetzt sagen, »Ästhetik und Politik von unten«, weil die basis nicht mitmacht bei der offiziösen Kunstgeschichtsschreibung, die gerne die teuren Genies aufzählt und dann mit tiefgebeugtem Haupt rückwärts zur Tür zurückschleicht.
Die basis wien wird nun neben den mehr als 100.000 erschlossenen Objekten von Zeitungsartikeln, Plakaten, Einladungskarten, Katalogen etc. auch die 25 gedruckten Jahrgänge von skug 1990–2015 beherbergen. Eine sinnvolle und gute Kooperation und der Dank von skug wird ewig währen. Ansonsten möchte skug sich anschicken, auch die noch nicht digitalisierten, früheren Jahrgänge bild- und textlich zugänglich zu machen, aber das ist noch ein wenig Zukunftsmusik. (Richtig geraten, dafür werden Gelder benötigt.) Wer sich an dieser Stelle aber denkt, »Interessant das alles«, und dann solgleich ausruft: »Privatbesitz, du köstlicher Genuss!«, auch dem kann geholfen werden. Weil warum sich nicht selbst die (beinahe) vollständige Gesamtausgabe von skug unter den Weihnachtsbaum legen? Der muss nur entsprechend hochgewuchtet werden, denn die Sammlung wiegt nicht nur 22 Kilo, sie ist auch 42 Zentimeter hoch. Wir versenden bei Übernahme der Versandkosten und einer Spende, die angemessen die fast 100 Hefte würdigt. In Worten »hundert« Hefte. Und, schon eine Idee, wie hoch der Spendenbetrag sein könnte? Wir freuen uns auf alle Anfragen und versprechen, das alte und das zukünftige skug-Wissen leicht zugänglich und verlinkungsfrisch zu erhalten.