V. l. n. r.: Helga Schwarzwald, Vera Wolf, Ulli Weish, Simon Inou, Julia Schönherr © Frank Jödicke
V. l. n. r.: Helga Schwarzwald, Vera Wolf, Ulli Weish, Simon Inou, Julia Schönherr © Frank Jödicke

Warum Wiens Community-Radio in Gefahr schwebt

Die Stadt Wien streicht Orange 94.0 die Förderung. Nun nahm der Radiosender Stellung: Die Existenz des Community-Radios ist bedroht. Die Entscheidung der MA 13 zieht eine »Kaskadenwirkung« an Problemen nach sich. Was ist da los?

Die MA 13 hat beschlossen: 2026 wird die Förderung für Orange 94.0 gekürzt, 2027 ganz gestrichen. Auf einer Pressekonferenz am 5. Dezember 2025 nahm der nicht-kommerzielle Radiosender dazu Stellung. Dass mittelfristig rund 50 Prozent des Gesamtbudgets entfallen, bedeutet, der bisherige Sendebetrieb lässt sich nicht aufrechterhalten. Das Community-Radio wäre langfristig gefährdet. Ulli Weish, Geschäftsführerin von Orange 94.0, attestiert der Stadt Wien ein »plötzliches und intransparentes Vorgehen«. Man habe seit 23 Jahren »eine gute Zusammenarbeit mit der MA 13« gepflegt. Nun sei man vor vollendete Tatsachen gestellt worden. In einer Stellungnahme argumentiert das Büro der Vizebürgermeisterin: »Medienprojekte wie Radio Orange bleiben ein wichtiges Thema, doch aufgrund der budgetären Vorgaben können solche Projekte künftig nicht aus dem Bildungsbudget finanziert werden.« Für die Notwendigkeit zu sparen zeigt Orange 94.0 Verständnis. Die PR-Verantwortliche von Orange 94.0 Julia Schönherr hebt hervor, dass man damit gerechnet habe, 15 bis 20 Prozent weniger Förderung zu bekommen. Aber mit einer kompletten Absage riskiere die Stadt eine »Kaskadenwirkung« an unerwünschten Auswirkungen.

Was Orange 94.0 wichtig macht

In Österreich sind drei Rundfunk-Sektoren gesetzlich verankert: der öffentlich-rechtliche Rundfunk (z. B. ORF, Ö1), der private, kommerzielle Rundfunk (z. B. ATV, Krone Hit) und der nicht-kommerzielle Rundfunk (z. B. Okto TV und Orange 94.0). Letzterer Sektor ist unter anderem dadurch definiert, dass er nicht gewinnorientiert arbeitet und keine Werbung schalten darf. Heißt in der Praxis: Öffentliche Förderungen sind die einzige größere Finanzierungsmöglichkeit für nicht-kommerzielle Sender, Spenden allenfalls ein willkommener Zuschuss. Medien wie Orange 94.0 versuchen also gar nicht, auf dieselbe Menge an Zuhörer*innen wie finanziell besser ausgestattete Sender zu kommen, sondern legen den Fokus auf Medienbildung und Themen, die von den »Großen« ignoriert werden. Man sei ein »Bildungsbetrieb«. 

Ulli Weish © Frank Jödicke

Simon Inou, verantwortlich für Public Affairs & Diversity, betont: »Bei Orange 94.0 geht es darum, dass sich die Benachteiligten in unserer Gesellschaft aktiv mit Medien auseinandersetzen können.« Man biete aktuell Sendungen in 22 Sprachen an. Auf Orange 94.0 könnten Angehörige von Minderheiten Themen setzen, die in größeren Medien nicht zu hören sind. »Wir lassen genau die zu Wort kommen, die in Massenmedien nur im Zuge von Kriminalstatistiken auftauchen. Wir können uns nicht erlauben, diese Gruppen fallen zu lassen.« Man habe in den letzten Jahren über 2.000 Workshops gegeben und sei »bestens in den Schulen verankert«. All das erfordert eine engmaschige Infrastruktur. Derzeit heißt das: 14 Angestellte, allesamt in Teilzeit, Material, Wartungskosten, UKW-Gebühren und Lizenzierungen für Musiknutzung etc. Dafür bekommt die Stadt ein 24-Stunden-Programm, 220 Sendereihen von über 850 ehrenamtliche Radiomacher*innen, Workshop-Coaches und ein offenes Community-Center. Geschäftsführerin Ulli Weish hebt hervor: »Wir sind extrem billig.«

Ungewollter Dominoeffekt oder Zynismus? 

Für Orange 94.0 liegt das Problem in einem »Strukturdilemma« der Medienförderung. Diese sei nicht auf nicht-kommerzielle Medien ausgelegt. Die auf Bundesebene zuständige Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) verlangt für Förderungen einen Eigenmittelanteil, sprich: dass Medienbetriebe Kapital vorstrecken. Für kommerzielle Betriebe ist das kein Problem. Ein nicht-kommerzielles Medium wie Orange 94.0, argumentiert Ulli Weish, hat dieses Kapital nicht. Es benötigt also andere Förderungen, um überhaupt auf Bundesebene um Gelder ansuchen zu können. Das macht den Förderstopp für Orange 94.0 durch die MA 13 so fatal. Er riskiert einen Dominoeffekt, der den Sender zerstören kann. Mittelfristig müsse man »einen Großteil des Teams kündigen und unsere Medienbildung massiv einschränken«, heißt es in einer Online-Stellungnahme. Aber man rechne damit, dass man den Betrieb mittelfristig aufrechterhalten könne. Langfristig sei es, heißt es auf der Pressekonferenz, jedoch »ein Blick in die Glaskugel«. Vera Wolf von der IG Kultur Wien attestiert der Stadt deshalb ein »unnachhaltiges Vorgehen«: Sie riskiere es, »jahrzehntelang durch ehrenamtliche Arbeit aufgebaute Strukturen zu zerstören.« 

Vera Wolf © Frank Jödicke

Sichtlich »irritiert« zeigte man sich auch über die Kommunikation der Stadt Wien. Die Behörde habe dem nicht-kommerziellen Sender nahegelegt, Orange 94.0 in eine GmbH umzuwandeln. Auf skug-Anfrage bestätigt das Büro der Vizebürgermeisterin: Orange 94.0 wurde darauf verwiesen, »dass die bestehende Rechtsform ein strukturelles Hindernis darstellt«. Man wolle eine »finanziell geordnete Übergangsphase sicherstellen«. Orange 94.0 stellt demgegenüber lakonisch fest, dass die Sendelizenz des Radios bis 2031 an die Nicht-Kommerzialität des Senders gebunden ist. Die Umwandlung in eine GmbH innerhalb eines Jahres ist also keine Option. Auch Helga Schwarzwald vom Verband Freier Rundfunk Österreich hält die Einschätzung der Stadt für fatal. »Wir hören im Austausch mit großen Medienhäusern: Geschäftsmodelle brechen zusammen. Kommerzielle brauchen mehr Unterstützung von öffentlicher Hand. Es ist zynisch von Gemeinnützigen zu verlangen, auf ein kommerzielles Modell umzusteigen, wenn es nicht mal mehr bei jenen funktioniert, die lange erfolgreich kommerziell gearbeitet haben.« Eine Kampagne zur Rettung von Orange 94.0 ist in Arbeit. Vera Wolf betont: »Wir werden Orange 94.0 nicht einfach untergehen lassen. Gerade in Krisenzeiten braucht es Radio Orange.«

Link: https://o94.at/ 

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