Als »Monarchie und Alltag«, das Debütalbum der Düsseldorfer Punk/Wave-Combo Fehlfarben, 1980 erschien, war Ronald Reagan kurz davor, US-Präsident zu werden. Fehlfarben spielten darauf an. So hieß es in »Ein Jahr (Es geht voran)«: »Graue B-Film-Helden regieren bald die Welt«.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 2017: Mit Donald Trump ist ein Ronald-Reagan-Fan in das Weiße Haus eingezogen. Derweil gehen Fehlfarben auf Tour, um ihr erstes Album erneut in voller Länge live aufzuführen. »Ernstfall, es ist schon längst soweit« besang Sänger Peter Hein seinerzeit die »Apokalypse« im gleichnamigen Lied zu hämmernden Synthesizer-Rhythmen. 37 Jahre später: Giftgas in Syrien, Atomwaffen in Nordkorea und die USA werfen die »Mutter aller Bomben« in Afghanistan ab. Da kann einem wieder angst und bange werden. Auch wenn die Hysterie in den Medien zeitweise übertrieben scheint, leben wir heute wieder in spannenden Zeiten.
Als skug Peter Hein vergangenes Jahr traf, wurde er gefragt, ob er angesichts der Lage eher Optimist oder Pessimist sei.
Peter Hein: Ich glaube, dass es im Moment am besten ist und dass es nie besser wird, sondern immer schlechter. Das haben wir jetzt schon seit 10.000 Jahren so hingekriegt. Es geht bergab. Es hat unten angefangen und dann wurde das Niveau kontinuierlich gesenkt. Aber das ist auch schön, dann haben wir immer was zu tun und immer was zu meckern.
skug: In den Texten der Fehlfarben wird viel gemeckert. In dem Song »Das sind Geschichten«, der auf dem Erstlingswerk der Fehlfarben zu hören ist, heißt es »Geschichten, die mir niemand glaubt. Das sind Geschichten und sie sind geklaut«. Sehen Sie sich in Ihren Song-Texten eher als Kommentator oder sind es Eindrücke, die gefiltert werden?
In der Kritik steckt oft Selbstkritik, man muss genauso über sich selbst meckern können … Ich erzähle eigentlich, wie ich das alles so sehe – wie mir etwas vorkommt und wie andere Leute das sehen. Ich bin aber kein Geschichtenerzähler, denn ich denke mir keine Gestalten aus, die irgendwas erleben. Stattdessen sind die Texte mehr so wie Zeitung lesen und Nachrichten schauen.
Können Sie sich durch die Musik abreagieren?
Wenn wir gerade Musik machen müssen, kann ich mich ganz gut über die Musik abreagieren. Ansonsten sitzt man halt wie so ein Thekendepp rum und meckert entweder über die da oben oder über seinen Thekennachbarn oder über die Bildzeitung, die Rechtswähler oder die Linkschaoten.
Apropos Rechtswähler und PEGIDA. Auf die Frage hin, ob man mit ihnen reden sollte, meinte der Sänger von Tocotronic, Dirk von Lowtzow, kürzlich in einem Interview, dass da nur noch Baseballschläger helfen würden.
Also, körperlicher Verweis tut zwar manchmal gut, aber ich vermute, das sind einfach die ganz normalen Deppen, die du beim Bäcker und in der Kneipe triffst. Das Schlimme ist ja, dass die zumindest einen Anlass haben zu meckern. Es ist im Prinzip was schiefgelaufen, was die wirklich anprangern dürfen. Nur wird das eben schnell schlimm rechts, wie bei der AfD. Aber in anderen Ländern war es doch immer so: zwischen fünf und zehn Prozent der Bevölkerung sind rechtsextrem, zwischen fünf und zehn Prozent sind linksextrem und es verteilt sich alles nach der Gauß’schen Normalverteilung. Angela sitzt in der Mitte auf dem Höhepunkt der Kurve und das ist dann normal. Und solange das alles normal ist und da alle mit leben können, passiert auch nichts. Schlimm wird es, wenn das aus dem Ruder läuft und die einen meinen, sie könnten dem Rest sagen, was zu passieren hat.
Sie würden also sagen, solange es im Gleichgewicht bleibt, ist alles okay …
Nein, ich finde die nicht okay. Das will ich nicht sagen. Die gibt es und da kann man nichts dagegen machen. Weil dann landet man genau bei dem, was tausend Jahre lang hier versucht wurde und dann nach zwölf Jahren vorbei war. Nämlich, dass der eine kleine Rand dem Rest alles erzählen will – oder du kriegst die Rübe abgeschnitten: Auch nicht lustig. Das kommt dabei raus. Und natürlich denkt man gerne mal im ersten Moment: Oh, die hänge ich an den Eiern auf und vorher werden sie noch schön mit Schweinefleisch eingerieben oder so. Aber mit einem Baseballschläger löst man das Problem nicht, da ist man ja selbst das Problem.
Im Mai spielen die Fehlfarben alle elf Songs aus »Monarchie und Alltag«, jenem Album, mit dem sie damals ihren Durchbruch hatten, unter anderem am 9. Mai ab 20:00 Uhr im 21er Haus in Wien.
Pressegespräch im 21er Haus in Wien am 26. April 2017, 18:00 Uhr
Peter Hein, Sänger und Texter / Fehlfarben
Walter Gröbchen, Musikjournalist / monkey.music
Bernhard Cella, Künstler und Kurator / Salon für Kunstbuch
Lesung im 21er Haus in Wien am 26. April 2017, 19:00 Uhr
Peter Hein liest aus seinen Büchern »Songtexte 1979-2009«
und »GEHT SO. Wegbeschreibungen« (Lilienfeld Verlag)
Fehlfarben live im 21er Haus, Wien, live am 9. Mai 2017, 20:00 Uhr
Ab 17 Uhr: Im Konzertticket inkludierter Besuch der Ausstellung
»Daniel Richter – Lonely Old Slogans« im Obergeschoß des 21er Haus
www.21erhaus.at/fehlfarben
Wiederveröffentlichung Fehlfarben: »Monarchie und Alltag« (Universal)
Unter Aufsicht der Bandmitglieder wurden die Originalaufnahmen von Bo Kondren im Calyx Studio in Berlin remastert. Das Album ist ab Mitte Mai neu auf CD, digital und erstmals auch auf orangem Vinyl erhältlich.
Alle Konzerttermine
03.05.17 Bremen, Lagerhaus
04.05.17 Köln, Gloria
05.05.17 Krefeld, Kulturfabrik
06.05.17 Potsdam, Lindenpark
09.05.17 Wien, 21er Haus
11.05.17 Bielefeld, Ringlokschuppen
12.05.17 Leipzig, Täubchenthal
13.05.17 Dresden, Scheune
14.05.17 Hamburg, Kampnagel
19.05.17 Memmingen, Kaminwerk
20.05.17 Ludwigshafen, Das Haus
21.05.17 Stuttgart, Theaterhaus
26.05.17 Magdeburg, Factory
27.05.17 Freising, Uferlos Festival
23.06.17 Berlin, Volksbühne
30.07.17 Nürnberg, Bardentreffen
23.09.17 Hildesheim, Kulturfabrik Löseke