Dishes 05 geht am Samstag, dem 24. und Sonntag, dem 25. November in der Semmelweisklinik in Wien 18 über die Bühne. Lokale und internationale Sound Artists werden für eine fulminante Umsetzung, die visuelle, ortsspezifische und performative Elemente einbezieht, sorgen. Neu ist, dass die Live-Konzerte (keine DJ-Sets!) bereits am späten Nachmittag beginnen und vor Mitternacht zu Ende sein werden. Trotzdem pocht Dishes darauf, dass es sich um eine Liaison von Club und Konzertsaal handelt. Jedenfalls arbeitet Dishes daran, in den Räumlichkeiten der Semmelweisklinik, dem nunmehrigen Center for Arts and Culture Vienna, hybride, neuartige Hörerfahrungen zu generieren. Mit einem prächtigen Line-up: Damsel Elysium, Kisling, Electric Indigo und Space Afrika am Samstag sowie Joanne Robertson, Bianca Scout, Abdullah Miniawy und Sky Burrow Tales am Sonntag. Ein willkommener Anlass, im Vorfeld mit Therese Kaiser aka Therese Terror, die mit Chris Attila Izsák, Marlene Kager und Marlene Engel das Festival künstlerisch leitet, im Vorfeld die Hintergründe der Entstehung und Intentionen näher auszuleuchten.
skug: Zunächst ein Rückblick aufs Vorläuferfestival. Du warst ja auch schon in die Planung der RRRIOT Festivals 2018 und 2020 involviert. Es waren feministische Programmfestivals. Was war die Intention und welche Acts davon haben dich am meisten beeindruckt?
Therese Kaiser: Genau, ich habe das RRRIOT 2018 und 2019 organisiert. 2020 gab es leider aus bekannten Gründen kein Festival mehr. Das RRRIOT wollte das Thema Feminismus möglichst divers in der ganzen Stadt Wien mit etwa 100 Partner*innen thematisieren. Von Lesungen über Partys bis hin zu Workshops, Führungen oder Stand-up Nights war da einiges dabei. Der Fokus war nicht Musik, einige tolle Konzerte und Abende gab es trotzdem bei beiden Festival-Ausgaben. Mein Highlight war das Set von Juliana Huxtable bei der Closing Party 2019.
Nun zur Genese von Dishes. Selber kenne ich das Wort nur aus dem Englischen für Gerichte. Bedeutet Dishes das Servieren von besonderen Sounds? Und wohl war Dishes am 8. April 2022, als es zum ersten Mal in der Roten Bar im Volkstheater als Nacht für zeitgenössische elektronische Musik stattfand, eine Antwort auf den Stillstand infolge Corona? Denn zeitgenössische und experimentelle Musik zwischen Club und Live-Konzert waren in Pandemiezeiten von Veranstalter*innen aus der Subkultur nur schwer durchzuführen. Ist das Dreier-Team von damals gleichgeblieben?
Therese Kaiser: Mit Dishes servieren wir quasi ein Line-up, das zumindest aus unserer Perspektive einen sehr diversen und neugierigen Blick auf kontemporäre elektronische Musik bietet. Wir haben uns mit der Gründung von Dishes mitten in der Pandemie Gedanken darüber gemacht, wie sich Clubkultur wandelt, was Corona und später auch die Teuerungen und die krasse Kommerzialisierung bedeuten. Wir hatten das Gefühl, viele Festivals und Reihen liefern eher Fast Food als Slow Cooking, und deswegen haben wir Dishes ins Leben gerufen. Wir haben die Rote Bar im Volkstheater gewählt, weil sie eben kein Club ist, wo die Dishes Line-ups nur beschränkt funktionieren. Wir wollen wirklich einen Raum schaffen, in dem die Musik im Vordergrund steht und nicht die Party an sich. Vergangenes Jahr ist neben mir, Marlene Kager und Chris Attila Izsák noch Marlene Engel zum Dishes-Team dazugekommen.
Ein Blick auf die Acts der ersten Ausgabe zeigt bereits gut eure Ambition, Performatives und Räumliches einzubeziehen und nicht nur Clubmusik zu kredenzen. Alpha Maid ist eine Produzentin/Gitarristin, die Grunge und Glitsch verschmelzt, und Pope Sangreta nennt sich der Live-Act von Chin Tsao, die eigentlich bildende Künstlerin ist. Außerdem bildete ein Bassklarinetten-Solokonzert von Susanna Gartmayer die Überleitung zu den DJ-Sets. Blieb das Konzept für Dishes 03 und Dishes 04 ähnlich? Wo und wann fanden diese Festival-Ausgaben statt und was waren, in Kürze geschildert, deine Highlights, abgesehen von Dreamcrusher vermutlich?
Therese Kaiser: Vielleicht macht Dishes etwas, das mit Fusion Cuisine vergleichbar ist. Uns geht es nicht um ein spezifisches Genre und auch nicht um eine spezifische Nische, die von uns bedient werden will. Wir versuchen, unterschiedliche Perspektiven so zusammenzubringen, dass in einem Raum mit dem Publikum etwas passiert. Das ist manchmal mehr, manchmal weniger stimmig. Dishes 03 war für mich die perfekte Ausgabe, mein Highlight war in diesem Zusammenhang der Artist Le Diouck. Die vierte Ausgabe hat im Flex stattgefunden, mit tollen Performances, und Dreamcrusher war ein richtiges Highlight. Aber für uns alle war dann auch schnell klar, dass Dishes besser abseits vom Club funktioniert. Deswegen haben wir uns heuer für die Off-Location entschieden.
Abdullah Miniawy war beim diesjährigen musikprotokoll des steirischen herbst ein wesentlicher Act. Er thematisiert auf seinem neuen Album die Abwendung von Gott und ist mit seinen orientalische Klänge und Elektronik kombinierenden Sounds unvergleichlich. Wie hat sich der Kontakt zu ihm ergeben?
Marlene Engel: Kennen kann man Abdullah aus vielen Kontexten, er ist ja nicht nur Musiker und Sänger, sondern auch Künstler, Schauspieler und Dichter – viele kennen ihn auch aus der Kollaboration mit Carl Gari. Ganz konkret ist der Kontakt für Dishes am 24. November durch seine Zusammenarbeit mit der Elektronik-Künstlerin Ziúr entstanden, die im Mai 2023 ihr Album »Eyeroll« an der Volksbühne in Berlin präsentiert hat. Auf dem Album ist Abdullah Miniawy mit seinen politisch aufgeladenen Vocals vertreten. Das Konzert war extrem super. Sein gerade auf Hundebiss Records (ein Label, das auch schon lange gute Arbeit leistet) erschienenes Album »NigmaEnigma أنيجم النَجم« verarbeitet die politischen Kämpfe in seinem Herkunftsland Ägypten und den Schmerz darüber. Am steirischen herbst ist der Kontakt glaub ich durch die Plattform SHAPE entstanden, die es ja angeblich bald nicht mehr geben wird. Sehr bitter auch, wenn solche Strukturen verloren gehen …
Joanne Robertson spielte mit Dean Blunt unvergesslich Konzerte. Ihr verwaschener Sound zwischen weirder Elektronik und Songwriting ist nach wie vor ein Markenzeichen. Schön, dass es ein Solokonzert geben wird. Ist sie gerade auf Tour und damit die Gage erschwinglicher?
Chris Attila Izsák: Ich verfolge Joannes Arbeit schon länger (auch im Kontext der bildenden Kunst) und dachte, sie wäre eine interessante Ergänzung fürs Line-up – das empfanden die anderen auch so.
Marlene Engel: »Painting Stupid Girls« ist eines meiner Lieblingsalben und vor allem einer meiner Lieblingsalbumtitel. Ich mag, dass man die Musik wirklich nicht zuordnen kann oder muss. Ganz im Sinne von Rick Rubin ist bei Joanne Robertson weniger mehr. So ist auch das Booking zustande gekommen, durch eine inhaltliche Setzung passend für Dishes und nicht so sehr über die Gage – die natürlich in Bezug auf verschiedene Parameter fair sein muss, egal ob Artists gerade auf Tour sind oder nicht.
Sensationellerweise spielen Space Afrika bei Dishes 05. Gratuliere euch insgesamt zum Programming. Wie schafft ihr die Finanzierung?
Therese Kaiser: Wir können Events wie Dishes nur umsetzen, weil wir von Bund, Land und der SKE gefördert werden. Es wäre undenkbar, so etwas ohne Förderungen umzusetzen. Dishes 05 wird trotzdem die letzte Ausgabe der Reihe sein, weil auch wir mit Teuerungen zu kämpfen haben. Die Kosten für entsprechende Veranstaltungen werden einfach immer höher, von den Reisekosten bis zu den Technikmieten. Wir wollen die Kosten aber nicht aufs Publikum abwälzen. Ich frage mich, wie das generell in Zukunft für kleine Musikveranstalter*innen weitergehen soll. Da kommt unsere Frage von den Dishes-Anfängen wieder zurück, nämlich: Kann, soll, muss experimentelle, elektronische Live-Musik in institutionelle Räume wandern? Und können Clubs nur noch sehr kommerziell bestehen?
Marlene Engel: Dabei gibt es das Problem, wieviel von dem subversiven Potenzial der Musik verloren geht, wenn sie großteils in institutionelle oder Mainstream-Strukturen integriert wird – und welche Ungleichgewichte dadurch verschärft werden, weil beispielsweise Musik aus dem Globalen Süden jetzt schon oftmals erst eine größere Aufmerksamkeit bekommt, wenn sie in institutionellen Räumen bzw. Diskursen vorkommt. Musik ist für mich eine soziale und kulturelle Praxis, die nicht nur in Form von Sound existiert, sondern auch als Medium, das politische und kulturelle Dynamiken widerspiegelt, funktioniert. Musiker*innen und Bands wie Space Afrika machen diese soziale Dimension von Sound hörbar. Vorreiter*innen wie Actress haben mit abstrakter Clubmusik von urbanem Leben und Dystopien erzählt. Bei Space Afrika liegt der Fokus (auf Alben wie »Honest Labour«) stärker auf Intimität und persönlichen Erzählungen. Sie erreichen damit nicht nur faktisch, sondern auch inhaltlich, von Berlin und Manchester aus, die Schlafzimmer und Air-Pods von Menschen auf der ganzen Welt.