Nostalgiegetriebene Indie-Herzen haben endlich wieder einen Grund, höher zu schlagen. The Last Dinner Party veröffentlichten am 2. Februar 2024 ihr Debütalbum »Prelude to Ecstasy« und damit ein aufgeladenes Werk, das von Energie und Gefühlsausbrüchen strotzt. Die fünfköpfige Band aus Großbritannien reiht sich nahtlos ein in das wertvolle musikalische Erbe ihrer Heimat und lässt sich nieder mit Produktionen, die nach wahrer Handwerkskunst klingen. Eingeleitet von opulenten Orchesterklängen entfalten sich auf dem Album facettenreiche Acoustics, die tiefgehende Tonlandschaften zeichnen, sich ergänzen und aufbauschen. Durch ihre klare Wahrnehmbarkeit und ihren konturierten Klang vermitteln sie das Gefühl eines Live-Konzerts. Dieser Effekt wird betont durch die Stimme der Leadsängerin Abigail Morris. Man hört ihren Atem, die kunstvollen Brüche in der Stimme, das Volumen ihrer Lungen und die Leidenschaft hinter den Zeilen. Das Album klingt lebendig. So lebendig, als wären es keine fixen Aufnahmen, sondern als würde ein Song ganz anders klingen können, wenn man ihn zweimal hintereinander abspielt. Als wäre es nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt, sondern an einem weintrunkenen Auftritt in einer schäbigen Bar entstanden, vor einem Publikum, das zum Großteil aus den besten Freund*innen besteht. Morris gibt sich hin im Gesang und scheut nicht zurück, weder vor intimen Texten, noch vor sehnsüchtiger Klangbreite. Das vertraute Zusammenspiel mit ihren Bandkolleginnen schafft den Raum dazu. Deren Background-Gesang klingt nicht weniger rotzig und einnehmend, gemeinsam verbinden sich ihre Stimmen zu hymnischen Manifesten. Auf dem Lied »Gjuha« übernimmt Keyboarderin Aurora Nishevci vollständig den Lead und singt auf Albanisch über das Bedauern, ihre Muttersprache nicht gut zu beherrschen. Die Verbindung zur Mutterfigur ist auf dem Album ein Thema, das neben dem gesellschaftlich codierten Frauenbild und der weiblichen Selbstwahrnehmung vermehrt aufgegriffen und interpretiert wird. Dabei wird weniger der Zeigefinger gegen eine*n erklärte*n Schuldige*n erhoben, sondern mehr auf die immanente Verwirrung und Suche nach Zugehörigkeit eingegangen. Die schmerzliche Beschreibung gescheiterter Beziehungen dient als induktive Brücke in eine von Ungleichheiten geprägte Umwelt; die Vorstellung des Lebens in einem Männerkörper verspricht eine Stimme, die gehört wird, eine Existenz, die für mehr bestimmt sein darf. Lyrische Wortspiele tragen die Botschaft malerisch aus, die Zeilen so klug wie ergreifend. Auf »The Feminine Urge« zieht ein vielsagender Refrain die Schlinge fest und geht den Weg durch die Demütigung, um ermächtigt aufzutauchen. Es ist eines von vielen kraftvollen Stücken auf »Prelude to Ecstasy«, eines, das sich losreißt und voranprescht, das ausspricht, was jahrelang hinuntergeschluckt wurde. Dieses euphorische Kampflied wird abgelöst von »On Your Side«. Ein schlagartiger Stimmungswechsel, der emotionale Abgrund nach dem Höhenflug. »On Your Side« ist ein erschütterndes Liebeslied, eine vertonte Tragödie, die sich wie ein Stich ins Herz rammt und lang bedrückend nachwirkt. Es ist schrecklich schön, melancholisch und bewegend. Ganz wie diese Band. Auf ihrem Debütalbum beweisen The Last Dinner Party ihre Fähigkeit, die Zuhörenden auf eine emotionale Achterbahnfahrt mitzureißen, in ihre Rage und Koketterie. Sie verzaubern und wühlen zugleich auf, umarmen fest und stoßen sich davon. Nachdem sie bereits als Vorgruppe der Rolling Stones und von Lana del Rey aufgetreten sind, ist »Prelude to Ecstasy« der erste Schritt, eines Tages selbst ausverkaufte Hallen zu spielen. In Wien treten sie am 26. Februar 2024 in der Grellen Forelle auf. Der Beginn von etwas Großem.
The Last Dinner Party
»Prelude to Ecstasy«
Island Records
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