»The Conny Plank Session« sind bislang verschollene und unveröffentlichte Duke Ellington-Aufnahmen, zwei Stücke (»Alerado« und »Afrique«) in je drei unterschiedlichen Takes, aufgenommen vermutlich April oder Juli 1970 in einem Kölner Studio. Als verantwortlicher Toningenieur zeichnete Conny Plank verantwortlich, der später etwa die Scorpions produzierte. Wie man die Wichtigkeit dieser Aufnahmen wertet, hängt wohl davon ab, wie man zu Sir Duke Ellingtons Oeuvre grundsätzlich steht. Zum einen kann man natürlich darauf verweisen, dass Ellington, dessen Orchester von den 1920ern bis zu den 1970ern fast ununterbrochen aktiv war, ja ohnehin einen gewaltigen Werkekorpus hinterlassen hat. Und wer hat denn etwa die rare Gnade genossen, sich durch das komplette Frühwerk durchzuwühlen? Auf der legendären RCA-Victor-Box machen alleine die Aufnahmen aus den Jahren 1927 bis 1946 17 CDs aus. Und in den 1950er Jahren legte der Meister erst richtig los, allerdings auch mit beträchtlichen Leerläufen. Die Geschichte des Ellingtonschen Oeuvres ist dementsprechend auch eine Geschichte vieler Auf-und-Abs. Immer wieder mal wurden er und seine Männer zum alten Eisen gezählt, obwohl es dem Duke in fast jedem Jahrzehnt gelang, sich zurück zur Höchstform zu spielen (oder gar ein Comeback hinzulegen). Zugleich wurde Zeit seines Lebens daran herumgenörgelt, dass er die geniale Synthese seines Frühwerks von bruitistisch-jazzigem Feeling mit genialen Arrangements bzw. von klassischer Form mit improvisatorischer Freiheit in seinem Spätwerk nicht annähernd so vital und kreativ zustande brachte, sondern statt dessen bemühte Hochkulturwerke (etwa die »Sacred«-Concertos) produzierte. Betrachtet man die Sache so, dann ist die »Conny Plank Session« tatsächlich eher ein später, nahezu überflüssiger Bonus. Aber die Musikgeschichte überrollt ja viel öfter die Musikkritiker als die Musik. Das Oeuvre des Duke steht heute glanzvoller und eherner da denn je, seine hochkulturellen Avancen und die mageren Jahre mit den blassen Alben sind längst vergeben, da es eben doch so viele geniale Aufnahmen, so epochale Werke zu erkunden gibt. Und überraschenderweise gehört gerade die letzte Phase, zu denen auch diese Session zählt, zu den reichhaltigsten in Ellingtons Schaffen. Die Spritzigkeit der frühen Ensembles wurde eingetauscht durch einen erdigeren, gravitätischeren Tonfall, aus dem umso frischer die Bläsersätze hervorpreschen, umso deutlicher die Klangfarbenpalette des Ensembles leuchtet. Auch der delikate Ellington-Swing wird immer noch mit einer überirdischen Gelassenheit gespielt. Das Schöne an der »Conny Plank Session« ist, dass sich das, vor allem am zweiten Track, an »Afrique«, nochmal in Reinkultur nachhören lässt – durch die drei verschiedenen Takes zudem wie unter der Lupe betrachtet, durch die Variationen vergrößert und verdeutlicht. Hinzu kommt die großartige Soundqualität der Aufnahmen, Herr Plank war offenkundig mit Eifer bei der Sache, vielleicht ebenso verzaubert vom Charme und dem Zauberwerk des alten Mannes, der da in seinem Studio den kleinen Zeigefinger hob oder die Tasten nur einmal kurz antapste, schon fetzte ein Akkord durch die Hallen … Dieses alte Flair, diese Magie ist durchaus greifbar. Die »Conny Plank Session« ist nicht als solche eine Wucht, sie ist es, weil sie für eine halbe Stunde daran erinnert, wie sich das anhört, wenn eine Musik mit sich selbst in völligem Einklang steht. Es ist die Fußnote zu einem Gebirge.
Duke Ellington
»The Conny Plank Session«
Grönland
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