Franz Pomassl aka Pomazzl ist bekanntlich eher ernsthafter sonischer Konzeptionist als spaßiger Einfach-drauf-los-Schrauber, auch wenn seine DJ-Sets dann doch immer den Schalk im Nacken haben und »DANCE« dabei groß geschrieben wird. Mit »Surplus Ships« trifft nun, verkürzt gesagt, Concept-Art auf ein zwar verbeultes, aber sehr funktionsfähiges »Groove Thang«. Welches großräumige Terrain dabei durchforstet wird zeigt allein schon der Opener »Peak«. Aus einem rhythmischen Stolpern (quasi die Pomazzlsche Beat-Signatur schlechthin) formatiert sich plötzlich eine Art Shangaan Juke im Skweee-Takt. Was noch besser nachzuvollziehen ist, wenn der Track auf 45 statt auf 33 UpM abgespielt wird (was angeblich außerhalb von Europa auch der auflegerische Fall sein soll). Immer wieder fällt das Stück in sich zusammen, rappelt sich wieder auf, nehmen die Phantombeats (die hier erneut überall herumspuken) Gestalt an und schieben sich in den Vordergrund. Und dann übernimmt die Bassdrum und steppt und kollidiert immer wieder kurz mit einer footworkenden 808. Wer jetzt immer noch sagt, dass zu Architektur nicht getanzt werden kann, soll bei den Trackshittaz bleiben! Ungewöhnlich ruhige Töne hingegen bei »Everest (Into Thin Himalayan Air)« mit einem lieblich-unheimlichen Spieldosenmotiv. Dazu gesellen sich von der hochgelobten »Spare Parts«-CD (2007 auf Raster Noton erschienen) weiterführende Remixe. Diese schlicht als »Alternative Takes« ausgegebenen Tracks verweisen auf ein anderes Pomazzl-Konzept: Das permanente Weiterspinnen von Tracks, die zwar eine Signatur, aber keine endgültige Form haben (vgl. etwa die unzähligen, zwischen 1996 und 2007 bei Sabotage/Laton/Sex Tags Mania veröffentlichten »Skeleton«-Manifestationen). So stottert »Terawatt Hours« nicht nur genüsslich, sondern durchschneidet diesmal auch Beats und Bässe als wären sie aus Salami. »Tandem Distiller« umwebt sich mit synthetischen Glocken/Eiszapfenklänge, die die eh schon markanten elektromagnetischen Entladungen des Tracks nun noch mehr zur Geltung bringen. Dub ohne Bässe, dafür abstraktes Soundeinkühlen. Ähnlich kommt auch »Murena (Mariana Trench)« daher und stellt geradezu eine sonische Underwater Sound Science zur Disposition. Vor allem der Titeltrack »Surplus Ships« macht das dahinterstehende Konzept auch rein sonisch noch einmal klar. Zu einem Beat, bei dem Ultravox’s »Vienna« mit »Discipline« von Throbbing Gristle zwischen zwei Tesla-Spulen gekreuzt wird, schimmern sowohl KLF als verwegene Piraten durch wie auch Paul Gilroy’s »Black Atlantic«-Komplex. Als gleichsam mit Elektroschrott beladene Schiffe durchqueren die Tracks transatlantische Routen von Klängen und Rhythmen, folgen fernen Echoloten und senden selber solche aus. Im submarinen Bereich kann das dann schon an ein Forschungs-U-Boot erinnern, dass tief in drexciyanisches Gebiet eintaucht. Da ist es dann auch kein Wunder, dass es zwischen Pomazzl und Kodwo Eshun (nach »Architectronics« aus 1999) am 27. Juli 2012 erneut zu einer Live-Zusammenarbeit in Wien kommen wird.
Pomazzl
»Surplus Ships«
Laton
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