sufjan stevens album 2023
Sufjan Stevens

»Javelin«

Asthmatic Kitty Records

Als ich die Vorabveröffentlichung zu »Javelin« gehört habe, habe ich mich wie Bolle gefreut: Ein Banjo! »Will Anybody Ever Love Me?« fühlt sich für einen Moment wieder ganz wie der Indie-Folk-Stevens an, den ich seit »Carrie & Lowell« vermisse. Nach dem etwas faden, elektropoppigen »The Ascension« und ziemlich vielen Kollaborations- und Konzeptalben hat Sufjan Stevens mit »Javelin« wieder ein Album selbst komponiert, eingespielt und produziert. Die Choräle hören sich an wie auf dem 2005 erschienen »Illinois«. Eingesungen werden sie u. a. von Adrienne Maree Brown. Dann diese Flöten auf »My Red Little Fox«, die mich zusammen mit dem einsetzenden Glockenspiel an die flächigen Arrangements auf »All Delighted People« erinnern. Und auch die persönliche Collage als Cover knüpft irgendwie an die EP von damals an. Ein Stevens’scher Klangteppich baut sich auf, mir steigen Tränen in die Augen, bis … das Arrangement vom treibenden Rhythmus einer Drummachine abgelöst wird. Ich falle aus allen Wolken und lande hart auf dem Post-2015-Elektropop-Stevens. Natürlich ist es bescheuert, von Künstler*innen zu erwarten, dass sie denselben Trick wie vor beinahe zehn Jahren bringen. »Javelin« leugnet Alben wie »The Ascension« und »Planetarium« nicht. Bryce Dessner von The National, der bereits an »Planetarium« mitgewirkt hat, steuert diesmal die Additional Guitars und einen Melodieeinstieg auf dem achtminütigen »Shit Talk« bei. Der einzige Instrumentalgast und einer meiner Lieblingsmomente auf dem Album. Den Abschluss macht ein Cover von Neil Youngs »There’s a World«. Laut Internet wurde dem Song damals vorgeworfen, eine orchestrale Überproduktion zu sein, während Stevens sich auf seiner Interpretation dann doch noch einmal bloß auf Guitar Picking und einen Chor (Megan Lui/Hannah Cohen) einlässt. Hinter dem auratischen Minimalismus von »Carrie & Lowell« bleibt Stevens »There’s a World« aber zurück. Insgesamt wirkt »Javelin« etwas zu makellos abgemischt. Gelayerte Saiteninstrumente sind mehr Selbstzitate und vermögen sich nicht gegen glatte Arrangements und treibende Rhythmen durchzusetzen. Die Tiefe auf »Javelin« ergibt sich so zu weiten Teilen aus dem Rückbezug auf die eigene Diskografie, während sich ein darüberhinausgehender thematischer Zusammenhang nicht so richtig einstellen will. Jenseits der Musik könnten dem vielleicht die zehn Essays von Sufjan Stevens etwas hinzufügen, die zusammen mit dem Album erscheinen sollen. Dies außenvorgelassen, ist »Javelin« ein gefälliges Album. Es bereitet Freude, es zu hören, richtig kleben bleibt es aber – bei mir zumindest – nicht.

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