Daniel Johnston ist tot und das ist eine sehr traurige Nachricht. Seine höchst eigenwillige Art, Low-fi-Songs zu machen, ist kaum zu imitieren, was nicht bedeutet, dass nicht viele es versucht haben. Das Technische ist hierbei trivial, entscheidend ist, dass Johnston eine Nähe zu seinem Gefühlsausdruck herstellen konnte wie sonst kaum jemand. Häufig wurde dies als kindlich beschrieben, es stimmt wohl insofern, als jede Doppelbödigkeit und reflektierende Verwicklung fehlt. Künstler*innen fragen sich normalerweise, vor ihrem Werk stehend, wie dies ankommen wird, ob es irgendwie treffend ist und dergleichen. Nicht zuletzt befürchten sie auch, sich lächerlich zu machen. Aber Johnston fürchtete sich vor dem jüngsten Gericht (seine Mutter war sehr religiös) und er glaubte, dass einen die wahre Liebe irgendwann findet. Beides stimmt einerseits leider und andererseits gottseidank so nicht. Jede Stil- und Karriereberatung hätte ihn von diesen Überlegungen abzuhalten versucht und ihn auf die verwirrende Komplexität des Alltagslebens hingewiesen. Johnston war dagegen immun.
Diese Klarheit und Eindeutigkeit seines Gefühlslebens musste er mit einem unendlich großen Preis bezahlen. Johnston hatte etwas, das man Störung, Krankheit, Bipolarität oder wie auch immer nennen mag. Das sind Füllworte von Ärzten, die in lichten Momenten auch eingestehen, überfordert zu sein mit den Wegen, die ein menschlicher Geist zuweilen einschlägt. Wichtig ist hier (und das lässt sich lernen von Jaspers oder Deleuze), dass weder pathologisiert werden sollte, noch die Krankheit verschwiegen. Johnston war krank und für sich und andere zuweilen gefährlich (Er soll angeblich in einem psychotischen Schub das Flugzeug seines Vaters zum Absturz gebracht haben). Nun hat aber die Moderne spätestens seit dem 19. Jahrhundert eine enorme Lust an den Verrückten. Die Verrücktheit sollte früher im Werk ausgeleuchtet werden und schaffte enormen Zulauf. August Strindberg und Carl Frederic Hill (um einmal nur skandinavische Beispiele zu nennen) durften sich aber noch hinter ihren Werken verbergen, der Blick auf ihre Krankheit blieb Spekulation. Irgendwann wollte man dann den ganzen Menschen. Die Psychopathologie wird heute umfassend auf Instagram ausgestellt und Promis, die ein Rad ab haben, sind klar im Vorteil. Das darf man ruhig einmal ekelhaft finden und muss zugleich die eigene Verstrickung eingestehen, weil das neugierige Interesse zuweilen quält.
Listening to Fake Records of Rock’n’Roll
Es sind aber zugleich die Kranken, die uns etwas über eine kranke Welt vermitteln. Johnston gelangte in die Mitte dessen, wo die Welt bekanntlich am kaputtesten ist: ins Musikbusiness. Rund um die Verwirrungen der Grunge-Epoche drehten die Major-Labels jeden Stein um und auch die ungewöhnlichsten Acts bekamen Plattenverträge um die Ohren gehauen. Geholfen haben wird Atlantic Johnston eher nicht. Die Platten in den großen Studies machte er kaum je fertig. Deswegen liegt sein eigentliches Werk auf Musikkassette vor und wurde im Keller seines Elternhauses selbst produziert. Ein Mann, ein Mikro, diverse Instrumente und ein Tape-Recorder. Es ist unglaublich, dass man daran anteilhaben darf als Hörer*in. Die ganze Problematik, dass uns die Geräte trennen und auseinanderdividieren, ist nicht von der Hand zu weisen. Dass man aber bei Daniel Johnston im Keller Platz nehmen und ihm und seinen Gedanken lauschen durfte, das ist schon großartig und nun unwiederbringlich verloren.
Vor seinem Gerätchen sitzend, spürte Johnson ganz klar, was echt und was nur vorgetäuscht ist. Und er verstand es, dem Echten zu folgen. Diese echte Welt war am Ende eine bizarre Bande aus freundlichen Außerirdischen und ähnlichen Gefährten, die Johnston in simplen und teilweise sehr schönen Zeichnungen festhielt. Die Unwirklichkeit dieser Gestalten schuf gerade einen wirklichen Blick auf Trennung, Verlust, Zurückweisung, Isolation und menschliche Kälte, die selten in dieser Klarheit artikuliert wird. Dieses einsame Kind in Keller wohnt in allen von uns, aber nur wenige bringen es zum Sprechen, Zeichnen oder gar Singen. Johnstons Motive sind hier präzise, denn es ist zuweilen tatsächlich der alte Kindheitsteddybär, der sich als der einzige erweist, der zu einem hält, in dieser wunderbaren und ziemlich kaputten Welt. Daniel Johnstons Reise durch diese endete nun und man mag ihm wünschen, dass er zuweilen in ihr jenen Trost fand, den er mit seinen schwermütigen Songs anderen spenden konnte.