Sphärisch und behutsam beginnt »¿Cómo Así?«, das erste von 14 Liedern auf Kali Uchis aktuellem Album »Orqídeas«. Abstrakte Klänge und neckisches Lachen bauen eine verheißungsvolle Spannung auf. Ein sanftes Hauchen und Spielen mit hohen Tönen führen die Zuhörenden auf sanfte Weise in neue Klangwelten ein, die sich dann ganz trügerisch entfalten. Plötzlich setzt ein energetischer House-Beat ein, der sowohl liquide, als auch breakige Tonspuren vereint. Auf ihnen erblüht Kali Uchis sirenenhafter Gesang und kontrastiert zum instrumentalen Untergrund. »¿Cómo Así?« leitet ein Album ein, das von Liebe spricht.
Kali Uchis, mit bürgerlichem Namen Karly-Marina Loaiza, ist die Tochter einer US-amerikanischen Mutter und eines kolumbianischen Vaters. Sie verbrachte ihre Kindheit sowohl in Kolumbien als auch in den USA. Mit 17 wurde sie von zuhause rausgeschmissen und lebte wie eine Vagabundin in ihrem Auto oder bei Freund*innen. Ein Jahr später, im Alter von 18 Jahren, veröffentlichte sie ihr erstes Mixtape unter dem Titel »Drunken Babble« – eine genreübergreifende Collage, die sowohl ihre musikalische Vielschichtigkeit als auch ihren gefühlvollen Zugang zur Musikproduktion widerspiegelt.
Neben dem Rapper Snoop Dogg wurden Künstler*innen wie Tyler, the Creator, Diplo oder Jorja Smith auf die junge Karly aufmerksam und arbeiteten mit ihr an Koproduktionen oder Features. Uchis besticht nicht nur mit ihrer engelsgleichen Stimme, sondern ebenso mit kreativen Konzepten, fantasievollen Inszenierungen und poetischen Lyrics, in denen sie märchenhafte Geschichten erzählt. Diese Eigenschaften erlauben ihr, in der Branche herauszustechen und Wurzeln zu schlagen.
Emotionales Blankziehen
Liebeslieder ziehen sich wie ein roter Faden durch die Diskografie Kali Uchis’. Die Sängerin scheut sich nicht, ihr Herz auf Tonträgern auszuschütten und findet aufblühende Metaphern und träumerische Melodien, um ihre Emotionen auf eine Reise zu schicken. So handelt auch »Orquídeas« von Liebe und Zuneigung, von dem beflügelnden Gefühl, in jemanden verliebt zu sein, sich hinzugeben und im anderen zu entdecken. Mit ihrer begehrlichen Stimme und lasziven Texten, die auf den blumigen Instrumentals wieder unschuldig wirken, spielt Uchis sowohl die Katze als auch die Maus und wickelt die Zuhörenden um ihren kleinen Finger.
Man hat das Gefühl, voll und ganz eintauchen zu können in die vielschichtigen Soundebenen, die so bedacht komponiert sind. Am tiefsten versinkt man dabei in »Te Mata«, einem unfassbar herzzerreißenden und fast theatralischen Stück über missbräuchliche Beziehungen. Uchis’ Schmerz wird getragen von ihrem breiten Stimmumfang, der von verletzlich klingenden Strophen zu ergreifenden und gehaltvollen Refrains wechselt. Unterstrichen wird der tragische Charakter des Songs von seinem Musikvideo, dessen »Scarface«-Ästhetik die Dramatik und Eleganz in »Te Mata« aufgreift.
Während das Album für lange Zeit eine recht einheitliche Stimmung behält, wartet es abschließend mit einigen Überraschungen auf. Den Anfang macht »Muñekita«, ein Feature mit der Dembow-Größe El Alfa und der Rapperin JT. Auf einem Mix aus Reggaeton und Dembow geben die drei sich unbekümmert und lüstern, singen und rappen über ihre eigene Überlegenheit und den Neid der Außenstehenden. Das Tempo des eingängigen Beats variiert dabei regelmäßig und verleiht dem Stück eine ansteckende Verspieltheit.
Dieses Effekts bedient Uchis sich noch einmal auf dem letzten Track des Albums: »Dame Besso // Muevete« beginnt als moderner Salsa und entwickelt sich im zweiten Teil zu einer schwindelerregenden Krönung, die nicht nur melodisch zum Tanzen auffordert, sondern buchstäblich. Es ist eine Hymne an alle Mädchen* und Frauen*, die ihre Unsicherheiten ablegen und sich selbst lieben lernen sollen. Mit diesem Appell schließt Kali Uchis das Album als Vorbild ab, als Inspiration und Lichtgestalt. Wie eine gute Fee bewegt sie sich im Business, unerschütterlich zart.