Ex-Emeralds-Musiker Steve Hausschildt hat nach deren Auflösung nun noch mehr Zeit, sich seiner zeitgenössischen, eigenen Elektronik zu widmen. Nun erschien sein erstes Album auf Ghostly International (Tycho, Recondite, Loscil, Helios usw.) namens »Dissolvi«. Lateiner*innen wissen: Dissolvi: 1. Person perfekt, aktiv von dissolvere: ich habe mich aufgelöst. Und das ist auch recht wörtlich zu nehmen, zumindest metaphorisch-wörtlich. Es geht hier um die Dissoziation des Selbst. Was heißt das? Es geht um ein physisches Phänomen. Die Musik Hausschildts hat auf den ersten Blick etwas recht Klares, ob der programmierten Töne Geordnetes. Doch zu den minimalistischen, gediegenen Techno-Sounds gesellen sich einfache Rhythmik, dann mal Gesang, dann schnell weitere Schichten von Klängen, bis es sich wie eine Wolke, kaum fassbar, aufzulösen scheint – und man, selbst ja zu vielen Prozenten aus Wasser bestehend, schwimmt in diesen flüssigen Sounds. Aber die Beats bleiben stets Orientierungshilfe, wie Reflektoren am Straßenrand. Warm, futuristisch, wie man es sich wünscht, wenn man einsam und allein in der Stratosphäre schwebt und die Erde beobachtet: weit, weit weg und gleichzeitig ganz, ganz nah, weil man alles so groß vor sich hat. Wer sich an die »Space Night« im Bayrischen Rundfunk erinnert, also diese Fernsehsendung, in der zu Bildern aus dem All mit Blick auf den blauen Platen spacige Elektronikmusik gespielt wurde, die man mit 16 immer nachts um 3:00 Uhr nach dem Feiern betrunken und/oder bekifft zum Einschlafen geschaut hat, der weiß, wovon hier die Rede ist: Musik, die endlos gehen könnte. Das ist nicht äußerst besonders im Besonderen, im Allgemeinen aber Balsam fürs Gemüt.
Steve Hausschildt
»Dissolvi«
Ghostly International
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