Inspiriert vom italienischen Neorealismus und verschiedenen Wellen im europäischen Kino, lehnten die Autoren, Akteure und Agitatoren der Black Wave Filmbewegung (Crni val 1961-1973) die Normen, Ideale sowie den sozialistischen Optimismus der selbstgefälligen offiziellen Kultur von SFRJ ab. Stattdessen zeichneten sie mit ihren Kameras offen, dafür aber umso feinsinniger, die dunklen Seiten der sozialistischen Gesellschaft – allem voran die Wahrheit ihrer verborgenen kapitalistischen Seite, ab. Im Rahmen einmaliger Vertonungsreihen bringen wir ausgesuchte, hierzulande noch weitgehend unbekannte Experimentalfilmwerke vieler „prominenter“ Avantgardefilmemacher aus Ex-Jugoslawien, in regelmäßigen jedoch unerwarteten Abständen, auf die Leinwand. Diesmal befassen wir uns durch die Brille der jouissance masculine mit dem Thema „Körper“, einst und jetzt.
Programm 06.03.2012 |19:00
Some like it black oder über die Leidenschaft der lebendig Begrabenen
Ante Babaja – Altmeister des – heute – kroatischen Kinos. Eigentlich dürfte man an dieser Stelle nichts mehr sagen und sich unweigerlich dem audio-visuellen überlassen. Ein Filmenthusiast, der nach seiner Rückkehr aus Frankreich, wo er als Regieassistent von Becker, Christian-Jaque und Ciampi fungierte, sozio-kulturelle Kritik mit seinem Opus ausübte, anstelle sich mit den politischen Strukturen seiner Heimat anzulegen. In jedem Babajas Filmzauber, die alle in ihrer Methodik und dem Genre unterschiedlich sind, konfrontiert er den Betrachter und sich selbst mit einigen der mächtigsten Fragen des menschlichen Schicksals: die Offenbarung einer grundsätzlichen Absurdität des Lebens vor derer wir alle völlig hilflos sind.
-TIJELO (The Body) | 1965 | 12 Min. |
Empirische und brutale Schilderung des Körpers als Hülle für den menschlichen Geist und sein Dasein.
Miloš Radivojevic – begann als Philosophie-Student, endete als einer der wichtigsten Filmkünstler des ehemaligen SFRJ-s, heute Serbien. Der erste Student des großen Aleksandar Saša Petrovic. Arbeitete als Regieassistent unter Puriša ?or?evic. Bekannt für den mehrfach ausgezeichneten Bube u glavi (»This Crazy World of Ours«), seine Experimentalfilme vergilbten jedoch im Bunker zugunsten eher kommerziell ausgerichteter Arbeiten. Euroimage und manche mehr verweigerten ihm letztes Jahr die Förderung für Kako su me ukrali Nemci (»How I Was Stolen by the Germans«). Liebe und Freiheit, sagt er, seien zwei Dinge auf denen die menschliche Spezies beruht und jetzt möchte er nur noch still sein.
-BEZ RECI (Film ohne Worte) | 1972 | 80 Min. |
25 stumme Einstellungen eines leidenschaftlichen Mannes, der sich in allen Stimmungen abzusondern versucht. Er will fliegen, er will aus seiner Haut hinaus, er liebt, hasst, isst, trinkt, erbricht, lacht, weint, küsst, spuckt, spielt, wird geschlagen, schlägt und stirbt. Die Agonie eines jungen Mannes in der Zeit in der wir leb(t)en.
Die Premiere beim Filmfestival in Pula 1972 löste beim Publikum und der Fachjury zweierlei aus: manche haben ihn als etwas Neues und noch Ungesehenes geliebt, andere aber fragten sich bestürzt, ob das überhaupt ein Film sei.
Kurze Begriffserklärung für Wissenshungrige
In allen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens geht der Experimentalfilm fast unfehlbar auf die Tradition des sogenannten Amateurfilms zurück, dessen Geburtsstätte die zahlreichen Kino-Clubs (kino klub) in den Großstädten waren. Die Trennlinie zwischen Amateur- und Experimentalfilm ist somit unklar, nicht nur wegen der Subjektivität des Urteils, sondern auch, weil sich der ehemalige Begriff in seinem am weitesten akzeptierten Sinne auf die Produktionsbedingungen bezieht (Verfahren und Wirkungen einer bestimmten cineastischen Ausdrucksform). Darüber hinaus konnten sich die Begriffe wie Experimentalfilm und sein Synonym „Avantgardefilm“ in den aktuellen oder ehemaligen Ländern des SFRJ nie wirklich durchsetzen. Die kroatische, oder genauer gesagt die Zagreber Schule versucht sich mit neuen theoretischen und praktischen Formen wie „antifilm“, während die Belgrader Schule mit dem noch lockereren Begriff „alternativni film“ ankämpft.
Vertonung durch:
Markus Steinkellner: Guitar, Electronics
Bernhard Höchtel: Synthesizer
Robert Pockfuß: Guitar
Leon Leder: Computer
Projiziert von: Paul Krimmer
Kuratiert von: Petra Popovic
Eintritt ist wie gewöhnlich frei + freiwillige Spenden für die Musiker und Organisierenden werden sehr gerne angenommen!