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Angela Aux

»Sleep Well Folk«

International Bohemia

»Blackbird singin‘ in the dead of night…«, hat ja was von einer hymnischen Fanfare, die von einem ganz fragilen Gezupfe abgefedert wird, das wiederum die besungene Amsel festzuhalten und am Abheben zu hindern scheint. Ein hübscher Kontrast, mit dem Paul McCartney einst diesem schwarzen Vogel gebrochene Flügel andichtete (passenderweise auf dem »White Album«). Angela Aux nun, ein in München lebender musikalischer Tausendsassa, ist diese Amsel, die weiß, dass man den Tag in tiefster Nacht herbeisingen muss. Damit der Tag aus den Träumen herauskommt. Zumindest gab er – Angela kam einst als Flo Kreier auf die Welt – eben den »Blackbird« am Releaseabend des vorliegenden Albums, allerdings in einer Rap-Version mit Pfiff. Ûberhaupt Pfeifen, das passt natürlich zu einem Vogellied am Allerbesten, und Pfeifen ist auch ein Element, das sich über die Songs auf »Sleep Well Folk« erstreckt. Möglicherweise ist das beiläufige Pfeifen sogar der Clou! Dieser »mighty Grey Album Blackbird« veranschaulichte die Arbeitsweise von Angela Aux jedenfalls ganz gut: Akustische Gitarre, ungeschliffen, plus gesampelte Atmosphäre, mit Stapfen und Eisbrechen in Bruchstücken verbunden. Schnee schlagen. Angereichert mit ein bisschen Perlen, Gleisen und Blubbern. Glöckchen, Klopfzeichen, zarter Gesang. Ein trauriges Dur mit Echo von weit, weit her. Klingt jetzt als Packungsbeilage nicht so vielversprechend? Was zählt ist ja auch die Summe: Ein Mosaik aus Miniaturen mit hymnischen Melodien. Angela Aux, ein Dichter der Nacht, Transformer, Wandler zwischen den Bewusstseinsebenen – während einem Konzert liest er zwischen zwei Musikstücken gerne seitenlange Textpassagen, ganz trocken, mehr so für sich. Eine Introvertiertheit, die den Zuhörer gleichzeitig einlädt, tief ins Innerste von Angela hineinzuhorchen, und so auch »Sleep Well Folk« zu einem starken Album macht, das mir persönlich viel besser gefällt als das hochgelobte, fast zeitgleich erschienene Album seiner Band Aloa Input. Deren Leistung es ist, einige der Codes, die von Leuten wie den Ruby Suns oder Panda Bear freigeschaltet wurden, abgeklopft und erfüllt zu haben. Den Beigeschmack von Pop-systemischer Anwendung Pop-semantischen Wissens vermag »Anysome« aber nie ganz abzuschütteln. Sicher, auch auf »Sleep Well Folk« hören wir andere Stimmen: die von Clouddead, Why oder The Notwist. Aber das macht nichts, sie klingen wie in intuitiver Webarbeit eingeflochten. Die blätterraschelige Melancholie von »Catch Some Of Your Dreams« oder der Autismus von »Jump The Sky«, das sind Momente vollkommener Heiligkeit. Dass diese ganze Studybook/Sketchbook-Ästhetik dieser Platte, die sehr sehr schön ist, im Schatten von »Anysome« stattfindet, klingt nach einem großartigen Missverständnis. »Sleep Well Folk« ist Streichelmusik oder Schäfchenzählmusik, die sagt: Bitte entschleunigt euch schleunigst, und schlaft mal aus! Macht Feierabend bevor die Arbeit fertig ist, sonst macht die Arbeit euch und uns alle fertig! Angela Aux öffnet Augen, aber die, die im Kopf drin sind. »Amsel singt, die Nacht ist totenstill / Hebt die Augen hoch und lernt zu seh’n – wenn sie will«, machte einst Klaus Beyer aus »Blackbird«. Aber das ist eine andere Geschichte und eine andere Platte. Gute Nacht. Jetzt ist Bettgehzeit. Fly, Angela, fly. Into the light of the dark black night.

Home / Rezensionen

Text
Pico Be

Veröffentlichung
11.03.2014

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