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Sleaford Mods

»UK Grim«

Rough Trade Records

Proponenten des Jähzorns. Auf das Electro-Punk-Duo aus Nottingham ist Verlass. Auch auf ihrem bereits zwölften Album speien die Anfang-Fünfziger Gift und Galle. Kein Wunder in einem United Kingdom, wo die Regierenden hochnäsig immer noch so handeln, als stünden sie einem Empire vor. »IN ENGLAND NO-ONE CAN HEAR YOU SCREAM«: Mächtig thronen diese Großbuchstaben auf der linken Innersleeve-Seite. Und rechts davon steht: »SLEAFORD MODS«. Die mürrischen wie streitsüchtigen Sperrfeuer-Spoken-Words von Jason Williamson und die gewieft minimalistischen Sound-Haudraufs seines Kompagnons Andrew Fearn liefern zwar kein Rezept gegen die Ohnmacht gegenüber dem neoliberalen Komplex, sind aber ein sarkastisches, nie den Humor verlierendes Ventil, um den Frust loszuwerden. Music is a healing force! Großartig das irrlichternde Video zur Single »UK Grim«. In Koproduktion mit dem britischen Collagen-Artist Cold War Steve werden die Verstrickungen zu Vladimir Putin, Liz Truss, David Cameron oder Popmusikgrößen wie Roger Daltrey vorgeführt. Es braucht nicht viel, um diese großartige Musik mit Haltung an den ob des Wortschwalls fast überforderten Hörer zu bringen. Eine pluckernde Kick Drum, Nebengeräusche wie Vogelzirpen oder schepperndes Metall und schleichende und doch angriffige Bassläufe. Etwa im Hatespeech aufs Korn nehmenden Song »Apart From You«. Ein sturer, steady The-Fall-Bass trifft auf Piano-Licks, wie sie Ray Manzarek von den Doors draufhatte. Purer Wahnwitz auch in »So Trendy«, featuring Raps von Perry Farrell (Jane’s Addiction), mit abstrusen Synth-Bleeps und wiederum eher an The Fall gemahnender verzerrter Surfrockgitarre. In der Tat, die Sleas sind auch verdammt gute Alltagsbeobachter. Sich modisch kleiden und dabei im Pub einen auf Working Class machen: das muss schiefgehen. Sie teilen auch gegen Möchtegernpunks (»D.I.Why«) aus und könnten sich sogar ein bisschen selbst meinen. Klar auch, dass der Neoliberalismus in uns alle gesickert ist, aber am schlagkräftigsten wird gegen die disruptierende Upper Class opponiert: »Tory Kong« rechnet böse mit der noch regierenden konservativen Partei ab. Die Musik der Sleaford Mods ist variantenreicher geworden, aber nicht versöhnlicher. In »On the Ground« verwandelt Fearns Atari Game Sounds in melodieselige, nichtsdestotrotz punkige Synth-Schlieren, andererseits darf Florence Shaw von Dry Cleaning im schaurigen »Force 10 From Navarone« ihren Groll ablassen. Die Sleaford Mods bleiben ein zorniger Stachel im Fleisch des waidwunden Großbritannien. Live u. a. beim Lido Sounds vom 16. bis 18. Juni 2023 in Linz und am 26. Oktober 2023 in der Arena Wien.

Home / Rezensionen

Text
Alfred Pranzl

Veröffentlichung
04.04.2023

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