Bei dem, was gerade mit unseren Gesellschaften in Europa passiert, geht es weniger um den Rand, als um die Mitte. Denn die ist es, die sich aktuell zu ändern beginnt. Rechtsradikale Spinner und ihre menschenverachtenden Hasspredigten gibt es seit Langem, sie sind ein bedauerlicher Bodensatz, den eine freie Gesellschaft wohl aushalten muss, aber auch kann.
Die Entwicklungen der letzten Jahre sind aber deswegen so beängstigend, weil das Geblöke der Neonazis zunehmend Gehör im Mainstream findet und heimlich ein neuer anti-humanistischer Konsens entsteht. Bedauerlicherweise scheint es, als hätten sich weite Teile des Bürgertums dazu entschieden, eine Abschottungspolitik mitzutragen, die beispielsweise zur Errichtung »konzentrationslagerartiger Einrichtungen« (laut Deutschem Außenamt) in Nordafrika führt und zu tausendfachem Tod durch Ertrinken im Mittelmeer. Die verelendeten Flüchtlinge gelten als »zu viele«, die Hilfsbereitschaft und -fähigkeit sei erschöpft und damit wird scheinbar »vernünftig« begründet, dass man schlicht in Furcht ist, vor einer möglichen Einschränkung des eigenen Lebensstils.
Schlimmer noch, beginnt man sich plötzlich um seine »Identität« zu sorgen. Also um jenen intellektuell höchst fragwürdig zusammengestoppelten Unsinn, der glücklichen Menschen in Nicht-Krisen-Zeiten gerne am Popöchen vorbeiweht. Jetzt aber muss auf einmal die »eigene« Kultur bewahrt werden, auch wenn keiner sagen kann, was diese denn überhaupt ist. Der Versuch, solche Kekse aus angeblich »eigener Kultur« zu backen, führt immer zu unschönen Normierungen und Ausschließungen, die viel von der mühevollen, zivilisatorischen Bildungsarbeit der letzten Jahrzehnte zunichtemachen. Was längst als überwunden gelten durfte, kommt plötzlich wieder zurück.
Auftritt Popkultur
Populäre Kultur, insbesondere die Unterhaltungsmusik, war lange Zeit ein wichtiger Hebel, um verkrustete Lebensverhältnisse aufzubrechen und eine Art freier Diskussion über moralische Fragen zu führen. Anders gesagt, um Impulse zu geben, wie ein glückliches und lustvolles Leben geführt werden könnte. Dies ist nur möglich, wenn energisch gegen jede Form von faschistischem Diktat vorgegangen wird. Aktuell macht es aber zuweilen leider den Eindruck, als täten dies nur mehr die alten Dackel. International beispielsweise Neil Young und in Austria etwa Wolfgang Ambros. Viele jüngere Acts schweigen nobel und die Befürchtung besteht, sie wollen sich vielleicht insgeheim keine Karriereoptionen verbauen. Wer kann sich in Tagen wie diesen auch noch ganz sicher sein, wie das enthusiasmierte Publikum tickt, das einem gerade zu Füßen liegt? Irgendwer muss die rechtsautoritäre Bande ja wählen, deren parlamentarische Mehrheit unverkennbar ist.
Leisetreten ist jetzt das Falscheste und Popmusik sollte zumindest dafür Sorge tragen, dass Kurz und Strache genauso uncool wirken wie seinerzeit Richard Nixon. Dass letzterer als der kaputte Zombie, der er war, durch das löchrige Geschichtsbewusstsein der Mehrheitsbevölkerung geistert, darf nämlich als Erfolg der musikalischen Aufklärungsarbeit von Young, Baez und Co gelten. Um bezüglich unserer aktuellen Regierungen die treffende Erkenntnis »Okay, ihr seid wirklich scheiße« zu verankern, bedarf es übrigens weniger längst routiniert durchgeführter Rock-gegen-Rechts-Zeremonien als individueller Alltagsarbeit. Die großen Konzerte und Kundgebungen sind natürlich auch wichtig und es ist eine tolle Sache, dass die Arena nun im hellen Licht der Pop-Politisierung strahlt. Es geht aber vor allem um die Alltagswiderständigkeit.
Jede*r kennt Situationen, in denen es von einem Moment auf den nächsten schwerfällt, weiterzusprechen, weil das Gegenüber suggeriert, es wolle nun nichts mehr »von der Politik hören«. Hierin muss das hässliche Gesicht der Repression erkannt werden. Es gilt, sich hier wechselseitig zu stützen, um in diesen Alltagslagen unbedingt weiterzureden und klarzumachen, wie rechte und rechtsradikale Demagogen versuchen, die Gesellschaft in ihre Gewalt zu bringen. Man kann heute beispielsweise nicht mehr guten Gewissens »konservativ sein« und die ÖVP aus Liebe zur österreichischen Heimat wählen, weil die Neonazis kleben da jetzt mit dran wie das Hundstrümmerl am Schuhabsatz. Und wenn man das nicht abkratzt, dann wird diese Gesellschaft ruiniert, und dafür tragen dann alle die Mitverantwortung, die sich gegen den Scheiß nicht explizit verwehrt haben. Schlauerweise bieten die SIGNALE 18 in der Arena folglich, neben viel guter Musik, am Nachmittag auch Workshops für antirassistische Alltagsarbeit.
SIGNALE 18. Musik politisch machen
Mittwoch, 19. Dezember 2018, ab 16:00 Uhr, Arena Wien.
Line-up: Christiane Rösinger, Gustav + Band, Schapka, Fauna, Bad & Boujee, Femme DMC, Scattah Brain, Signale Band (feat. Bosna, Clara Luzia, Gerald Votava, Manuel Rubey, Denice Bourbon etc.)
Workshops: Rechtsgrundlage für antirassistische Zivilcourage, Go. Bloc. Act, Aktionstraining für zivilen Ungehorsam, Anmeldung: workshops@signale.jetzt
Eintritt: € 15 / € 20 / € 30. Du entscheidest, wieviel du zahlen willst!
Der Reinerlös kommt folgenden Initiativen zugute: maiz, Mosaik, Queer Base.
Tickets erhältlich bei wienXtra-jugendinfo oder online bei der Arena Wien.
BAM, Oida!
Weil der ganze Ärger, den wir da jetzt am Hals haben, sich auch in der medialen Misere spiegelt, hat skug sich mit anderen zum Bündnis alternativer Medien, kurz BAM, zusammengeschlossen. Die alles andere als triviale Aufgabe, die nicht weniger als zehn verschiedenen Redaktionen zu einer gemeinsamen, manifestartigen Erklärung zusammenzutrommeln, gelang und darf nun unter https://bam.jetzt bestaunt werden. Wir arbeiten jetzt also zusammen und wollen allein damit schon der schleichenden Entsolidarisierung entgegentreten. Auf dem Signale 18 Festival haben wir einen Stand eingerichtet. Wir freuen uns auf das Vorbeischauen unserer geschätzten Leser*innen, beantworten – in Fleisch und Blut anwesend – Fragen zu allen Lebenslagen und lassen auch gerne Tipps und Anregungen über uns ergehen. Ernsthaft, wir freuen uns auf euch!