Das Buch „Sampleminds??? ist anlässlich der von beiden Herausgebern kuratierten Ausstellungsreihe „copy&paste-drag&drop, sampling in kunst, musik und Literatur??? erschienen und versammelt Beiträge von Künstlerinnen, Theoretikern, Musikerinnen etc. zur Samplingkultur. In diesem teilweise wissenschaftlich gehaltenen Werk geht es aber nicht nur um das Aneignen von Soundsamples, sondern um eine umfassende Kulturtechnik, die sich längst in allen Kulturbereichen und Kunstformen durchgesetzt hat. Sampling entstand aus der Grammatik der industriellen Fertigung und hat heute sämtliche Gesellschaftsbereiche erfasst. Analyse und Zerlegung verwandeln Wirklichkeit in ein Ersatzteillager, aus dem Teile und Elemente zu modularen Strukturen beliebig rekombiniert und synthetisiert werden können. Sampling ist somit mehr als die Digitalisierung von analogen Signalen und ihre Überführung und Speicherung in numerischer Form. Schon allein die Schriftkultur antizipiert in Form des alphanumerischen Codes Phänomene des Sampling. Die Konstruktion vom banalsten Gegenstand bis zum komplexesten Objekt entstammt heute elektronischen Medien und ihren Programmen. Analyse und Zerlegung haben eine derartige Feinheit erreicht, dass die Rekonstruktion in Form von Rekombination eine unbeschränkte Verkettung zu neuen Waren, Produkten, Werten und Organismen in Aussicht stellt.
Sobald Menschen nicht nur rezitieren sondern auch fort- und umschreiben, verletzen sie den Mythos und Kultur wird autoevolutiv. Schon Francis Bacon ging von einem a priori „guten Code??? aus, weswegen alle Recodierungen gut sein mussten. Diese Rhetorik legitimierte die universelle Manipulierbarkeit der Natur und gab den Startschuss für alle dämonischen Vermischungen, Hybridisierungen und Chimärenbildungen der Moderne, womit das Lesen und Schreiben, das Decodieren und Recordieren im Buch der Natur im Zuge der Aufklärung zur Herausforderung des Fortschritts wurde. Eine Fülle an Material und guten Artikeln, das im vorliegenden Band versammelt ist, bringt Erhellung in ein Phänomen, das mittlerweile längst Alltag geworden und doch Herausforderung für Kunst und Wissenschaft geblieben ist.
Stefan Bidner, Thomas Feuerstein: Sample Minds. Materialien zur Samplingkultur.
Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König, 544 Seiten, EUR 39,10