Dino Spiluttini © Tine Marie Spiluttini, Grafik: Kathi Arnecke
Dino Spiluttini © Tine Marie Spiluttini, Grafik: Kathi Arnecke

Salon skug auf Rädern mit Dino Spiluttini

Beim nächsten Salon skug auf Rädern beziehen wir einen Ort, an dem sich Fuchs und Enten gute Nacht sagen. Die Musik wird fraglos meisterlich, aber zuvor fragen wir im Panel noch nach, warum die Welt die Zapatistas braucht.

Der Salon auf Rädern brettert durch Wien und gestattet uns, jede Ankündigung des nächsten Happenings mit einem Blick über das Hinterrad zu verbinden. Überredungskunst und Zähigkeit erlaubten uns nämlich, den Salon skug mit Mermaid & Seafruit am 26. Juni im Hinterhof der Wiener Linien in Erdberg zu veranstalten – mehr backdoor geht kaum. Wer nicht dabei sein konnte, genieße deshalb ausgiebig die Bildgalerie, die Übersicht und visuellen Genuss schenkt. So wächst der Underground auf Beton. Credits: © Florian Rieder.

Der Sommer erklimmt langsam seinen schweißtreibenden Höhepunkt und Aufatmen ist angesagt, nachdem endlich das dummdreiste, nationalistische Aufgebrüstel der EM verklungen sein dürfte. Tipp an die UEFA: Wenn politische Symbole verboten sind, wie etwa Regenbogenfahnen, warum dann nicht Spitzenpolitiker*innen jeden Kommentar und sogar den Zugang zum Stadion verbieten? Sie missbrauchen schließlich das Ballgetrete zuverlässig für ihre Zwecke. Und warum wird nicht konsequenterweise auch das Hissen der jeweiligen Nationalfarben verboten? Denn schließlich spielen nicht »Länder« gegeneinander, sondern Fußballverbände. Ach ja, am 7. August 2021, im schönen Amphitheater des Volksparks Laaerberg (U1 Alaudagasse ist nicht weit), wird der ganzen Unsinn bereits vergessen sein und wir haben ausgiebig Zeit, uns zu fragen, warum Nationalismus immer so gut ankommt, Internationalismus aber nicht. Gibt es da ein Naturgesetz? Eher nicht.

Eine andere Welt ist möglich
Diesen Sommer besucht eine Delegation der Zapatistas Europa. Historische Hintergründe finden sich ausgiebig hier nachzulesen. Die Aktivist*innen aus Mexiko segelten jene Route rückwärts, die 500 Jahre zuvor die Konquistadores genommen haben. Das war übrigens eine Gruppe von Sauf- und Raufbolden, die kein anderes Ziel kannten als die persönliche und hemmungslose Bereicherung. Menschen, die jede Verankerung in ihrer alten Heimat Europa verloren hatten und denen keine*r ihrer Zeitgenoss*innen damals eine Träne nachweinte, als sie sich auf ihr Himmelfahrtskommando begaben. Nachdem sie aber mit Kunde von Land und Reichtümern zurückkamen, wurden sie plötzlich »Abenteurer*innen und Entdecker*innen« genannt. Nicht aus Begeisterung, sondern aus Spekulation. Schließlich sollten weitere Menschen auf die gefährliche Überfahrt gelockt werden. Die damaligen Herrscher*innen auf der iberischen Halbinsel sahen zunächst keinen Gewinn in den »Eroberungen«. Man hatte aber ein feines Spürnäschen und erwartete sich baldige Einnahmen. Es war allerdings viel schwerer als erwartet. Hundertausende Morde später war es dann doch gelungen, nach der Einführung der Sklaverei mittels deportierter Menschen aus Afrika (die lokale Bevölkerung blieb zu widerständig, die Afrikaner*innen aber waren entwurzelt). Ein knappes Jahrhundert lieferte Amerika Bodenrendite mittels Edelmetall und Früchten, dann fraß die Inflation alles wieder auf. (Ein gewisser Adam Smith hat diesen Reinfall genüsslich und voller Spottlust beschrieben.) Die Reiche der Konquistadores versanken wieder in Armut und machten den nächsten imperialen Mächten Platz. Und so weiter und so weiter.

Die Zapatistas machen nun eine im doppelten Sinne gegenläufige Reise. Sie reisen nicht nur geografisch in die umgekehrte Richtung, sondern auch weltpolitisch. Sie sind kein Haufen an Mördern und Hassadeuren, sondern zunächst einmal überwiegend Frauen. Sie wollen nichts erobern, sondern sich mit den Menschen Europas gemeinsam fragen, ob es nicht ein Leben auf diesem Planeten geben könnte oder sollte, das nicht dem Diktat des Profitstrebens gehorcht. Sie haben hierzu viele Erfahrungen in ihrer politischen und auch agrarischen Praxis sammeln können und teilen ihre Beobachtungen gerne mit. Zudem stellen sie energisch die Frage, warum es Orte in der Welt gibt, an denen Geschichte sich vollzieht (Europa, Nordamerika), und Orte, an denen Geschichte vollzogen wird (der Rest der Welt). Mit der kleinen Ausnahme Japans wurde der überwiegende Teil der Erdbevölkerung immer nur vor vollendete Tatsachen gestellt. So läuft eben Imperialismus und es ist nicht so, dass sich das europäische Bürgertum sonderlich daran stören würde, schließlich will man ja gerne »seine Kultur« verteidigen – siehe Kanzler Kurz et al. Spätestens mit der sich immer deutlicher abzeichnenden Klimakatastrophe sollte jedem Erdenkind klar sein, wie fatal falsch dieser Weg ist.

Heute geht es darum, zu fragen, was wir tun können, um die verrückten Privilegien des globalen Nordens zu brechen, die uns allen früher oder später den Kopf kosten werden. Zu glauben, es ließe sich weiter angenehm dank Frontex und Diktatorendeals hinter Stacheldraht leben, ist eine Illusion. Der Aufwand, die Augen geschlossen zu halten, wird immer größer und das Elend dieser Erde wird auch zu einer psychischen Krise der Reichen. Das muss aber nicht so sein. Es kann umgesteuert werden, denn »eine andere Welt ist möglich«. Im Jahr 1995 machten sich die aus Historiker*innen und Filmaktivist*innen bestehende Gruppe Kinoki (Peter Grabher, Tina Leisch, Tom Waibel und die dem skug-Publikum bestens bekannte Ulli Fuchs) nach Mexiko auf, um dort als UN-Menschenrechtsbeobachter*innen zu arbeiten. Sie begegneten den Zapatistas somit kurz nach deren Gründung. Bei uns reden die Aktivist*innen im Salon über ihren Blick in die Gewehrläufe und darüber, wie Aktivismus und Internationalismus heute noch möglich sind und weshalb die Zapatistas als Vorbilder gelten dürfen.

Ibiza, in seine Einzelteile zerlegt
Von der kolonialistischen Schubumkehr geht es direkt weiter zur De- und Rekonstruktion balearischer Beats: Im Amphitheater im Volkspark Laaerberg wird Klangkünstler Dino Spiluttini neu definieren, was heiße Sommersounds ausmacht, und serviert uns seine zeitgenössische Interpretation von Ibiza-House. Diese Musik, die ganz auf den (leicht intoxinierten) Hypothalamus geht und alles so schön zerstückelt, hier ein Schrei, da ein Beat, wird von ihm nochmals tieferzerlegt. Die abgehackten Beinchen des Ibiza-Käfers strampeln immer noch im Tanzrhythmus und wir lernen, was Electronic alles so herrlich mit unserer Wahrnehmung machen kann. Dreht sich mein Kopf oder der Planet? Ach, das wird alles verrückt schön werden. Deswegen also bitte unbedingt am 7. August ab 18:00 Uhr im Volkspark Laaerberg aufkreuzen, wir freuen uns auf euch!

Edit: Aus Schlechtwettergründen müssen wir den Salon von 17. Juli auf 7. August 2021 verschieben, das Datum wurde im Text angepasst.

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