Als All-Grrrrl-Garage erfunden wurde, irgendwann vor Jahrzehnten, lebte Gott noch in Frankreich, inkognito, auf dem Hof seines glücklich verheirateten, aber ein bisschen eigensinnigen Sohnes. In Rennes-le-Château. Bis ihm das Leben da unten zu teuer wurde, zu sonnig, man wird ja doch auch schnell genügsam und ein bisschen einfältig, wenn man nicht arbeiten muss – und Gott, begnadeter Kreativkopf, der er eigentlich ist, hat zu diesem Zeitpunkt immerhin gute 6000 Jahre von den Tantiemen seines einen Großwerks gelebt, und zwar nicht allzu schlecht. Dennoch: Zeit für ein neues Projekt, dachte sich Gott vor drei Jahren, und wenn schon die Jugend der Welt nach Berlin strömt und dort künstlerisch rumwurschtelt, dann investiere ich da doch gleich, kaufe ein Haus und ziehe ganz nach oben, feiere rauschende Parties auf dem Dach, arbeite an einem Sequel zur Welt, dachte sich Gott, und vermiete nur ein bisschen zu teuer, gerade so, dass noch ein paar crazy Figuren aus UK und la France bei mir leben wollen – dachte sich Gott und zog nach Neukölln. Und weil es dort noch keine All-Grrrl-Garage-Gang gab, nahm Gott, so sehr kribbelte es ihm im Finger, gleich das nächstbeste Stück Ton – Ton hatte er sich selbstredend tonnenweise in sein Atelier geschafft, er war da ganz Oldschool, an die ganze Digital-Geschichte traute er sich noch nicht so recht ran – und baute The Anna Thompsons. Nanu, was schreibe ich denn da für einen müde um absurden Witz bemühten Scheiß, frage ich mich gerade, was für eine blöde Gründungslegende soll das denn sein! Natürlich jedenfalls nicht die der Anna Thompsons. Die ist ungleich irdischer: Zwei An(n)as und zwei Thompsons aus den unterschiedlichsten Regionen dieser Welt laufen sich in Berlin über den Weg, die eine Anna geht, eine neue Kirsten kommt, King Khan (of & His Sensational Shrines fame) kommt auch mal vorbei bei einem der Auftritte in flüchtig benamsten Kellerklubs, und schon ist das Debütalbum eingespielt, das sich hinter einem der schönsten Cover der Saison so far einnistet: »The Anna Thompsons«! Die Selbstbeschreibung der Band als »4 scoop banana split topped with potato chips« trifft ganz gut, was hier passiert: Zartschmelzender Satzgesang zu süßen Melodien vertonen einen rohen Riot-Grrrl-Punk-Habitus. Macht also nicht allzu viel anders als die Dum Dum Girls oder die Vivian Girls und ist entsprechend musikalisch beliebig, verhandelt aber die spanische Wirtschaftskrise, Pferdefleischskandale oder den brillanten psychedelischen Horrorfilm »Suspiria«. Und wenn es mal ins Schlafzimmer geht, dann sicher nicht zum Blümchensex: »Let’s get high and fuck for hours / It will be beautiful«, schlagen die vier gleich im Opener »Phone Richie« vor. Na, warum denn nicht!?
The Anna Thompsons
»s/t«
Motor
Text
Steffen Greiner
Veröffentlichung
05.03.2014
Schlagwörter
Black Rebel Motorcycle Club
The Anna Thompsons
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