Wenn Kavain Space einmal stirbt, dann möchte er leer sein. Befreit von allen Ideen, den Gedanken und Gefühlen, die nicht nur sein Wesen, sondern letztendlich auch seine Musik ausmachten. Alles soll aufgehen und abgehen, nichts davon übrigbleiben. Aber dafür ist es noch viel zu früh! Als RP Boo veröffentlichte der aus Chicago stammende Musiker nämlich gerade ein neues Album. Sein erst drittes überhaupt – für einen der Gründerväter und Pioniere einer Musikrichtung, die heute als Footwork bekannt ist, ist das nicht gerade viel. Immerhin macht Space seit den späten 1990er-Jahren nichts anderes. Er pushte die Musik in Chicago, gilt mit seinen unzähligen White-Tape-Veröffentlichungen und Mixtapes als einer der angesehensten Footworker der Stadt (»Nobody’s Fucking With Me In These Streets«) und formte damit in gewisser Weise auch die Karrieren von DJ Rashad und dem Teklife Kollektiv.
Sein neuestes Werk erschien nun auf Mike Paradinas Label Planet Mu. »I’ll Tell You What!« heißt es provokativ, und im Titel schwingt auch gleich einmal die angriffslustige Attitüde mit, mit der es über die Dauer von zwölf Stücken für Aufruhr sorgen soll. Dabei hat RP Boo zu seinen Vorgängern »Legacy« und »Fingers, Bank Pads, and Shoe Prints« nicht wirklich viel verändert. Es sind dieselben grollenden Subbässe, dasselbe schwindlig-vertrackte Beatgewitter und deren kontrapunktierende Samples, die er auf einer Roland R-70 Drummachine und einem alten Akai-Sampler zusammenbastelt. Seine Stilistik ist in all den Jahren gleichgeblieben. Ein Konzept, das sich offensichtlich nicht abnützt. Während Teklife-Kollegen wie DJ Taye das Genre revolutionieren und andere Produzent*innen wie Jlin düstere Gangarten einschlagen, bleibt RP Boo dort, wo er seit seinen Anfängen vor über 20 Jahren schon war. Das ist eine lange Zeit – sicherlich genug, um in manchen Momenten auch einmal melancholisch zurückzublicken. Ein retrospektiver Touch, den man der Platte auch anmerkt, sofern man innerlich nicht ohnehin schon völlig abgestumpft ist.
In »U-Don’t No« wird Stevie Wonder in dessen schnulzig-souligem »Lately« von 1980 gesampelt, während RP Boo ihn im virtuellen Duett vervollständigt: »… a person like me that can hit these works.« Aber auch die gegen schwarze US-Amerikaner*innen gerichtete Gewalt und Diskriminierung der jüngeren Vergangenheit wird auf dem Album thematisiert. »At War« lässt wenig Interpretationsspielraum übrig. Planierraupengroße Subbässe massakrieren im unteren Frequenzbereich und Hi-Hats werden verschossen wie Salven aus einem Sturmgewehr. Das alles hat etwas mit der angespannten Lage in den USA zu tun. Es ist gesellschaftskritische Musik aus Chicago und kann durchaus für bare Münze genommen werden. Zum Abschluss reflektiert RP Boo schließlich auch die eigene, ganz persönliche Position. Und siehe da, es hat sich doch etwas verändert. »Flight 1235« erzählt von seinem Leben im Jetset, denn Tatsache ist: RP Boo spielt seine Musik mittlerweile nicht mehr nur in verschwitzten Turnhallen in Chicago, sondern überall auf der Welt. Zeilen wie »since I hop the plane / things have been the same« zeugen von einer unbändigen Bodenständigkeit – auch wenn sich für RP Boo mehr verändert hat, als er zugeben möchte.