»Rambo« als Rambo führt auf die falsche Fährte, viel eher haben wir es hier mit Col. Kurtz zu tun. Diese, von den polnischen Experimentalelektronikern Lukasz Szalankiewicz (Zenial) und Maciek Szymczuk eingespielte, zweite CD als AABZU ist ein psychoaktiver Trip in das Herz der Finsternis. Die Sonne drückt schwül herunter, irreale Landschaften voll bizarr verschachtelter Beats, spooky Synth-Flächen und Melodien, die in unverständlichen Akzenten radebrechen. Man könnte es sich einfach machen und Ambient-Techno dazu sagen. Und damit den größten Teil des diskursiven Spaßes von »Rambo« ausblenden. Rambo ist hier vielmehr der personifizierte Platzhalter für einen Soundtrack zu einem Kopf-Film, dessen Protagonisten nicht an der Du-Long-Brücke ausharren, sondern sich durch den nächtlichen Großstadtdschungel traversieren. Ähnliche Stimmungen wie bei Kode9. Offensichtlich ist, dass es Szalankiewicz/Szymczuk um essentielle Fragen popkulturellen (Geheim-)Wissens geht, deren Codes auf »Rambo« zu einem ambivalenten Fluss komprimiert werden, der, je nach Lesart, träge gleitet beziehungsweise sich zu strömenden Wellenbrechern ausweitet. Ein diskursives Dickicht eben, das sich über den Maschinen-Dub-Beats auftürmt. Wie die Musik liest sich auch das von Marcin Kuligowski designte Cover als ein Sammelsurium an Hinweisen zwischen »Apocalypse Now« und »Lord of the Flies«. »Rambo« könnte man als eine augenzwinkernde Ehrenrettung des ersten Rambo-Films verstehen. Ich werde mir bei Gelegenheit »First Blood« ansehen und dabei »Rambo« laufen lassen. Meine Soundtrack-Platte der Saison.
Original in skug #84, 2/2010