Es war anno 2000 und das mit Ende dieses Jahres seinen Betrieb einstellende Intellektuellen-Popmagazin »SPEX« hatte erstmals einen Promo-Sampler beigelegt. Eröffnet wurde diese »SPEX#01« mit dem Stück »Sonnendeck« von einem gewissen Meinrad Jungblut, das sich mit aufgewecktem Sound und schrägem Text zu einem FM4-Hit entwickelte. Aus Meinrad Jungblut wurde PeterLicht, der in Folge rund eine Handvoll bittersüße, gekonnt am schmalen Grat zwischen Anspruch und Unterhaltung wandelnde Alben mit markanten Texten und gefälligen Melodien veröffentlichte, die leicht als seine Songs identifiziert werden konnten. Er besang das Ende des »Schlawiners« Kapitalismus und die schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt, um nur zwei seiner vielen markanten Statements zu paraphrasieren. Nach dem 2011er-Album »Das Ende der Beschwerde« war Funkstille. Wo war der Mann hin verschwunden? Dass PeterLicht auch als Autor aktiv ist wusste man spätestens seit seiner erfolgreichen Teilnahme am Ingeborg-Bachmann-Wettlesen 2007, außerdem verfasste er für die »Süddeutsche Zeitung« die Kolumne »Lob der Realität«. Dazu kamen Arbeiten fürs Theater, mit denen bekanntlich mehr Zaster reinzuschaufeln ist als im »all for free« Popbiz in Zeiten des WWW.
Sieben Jahre Pause sind im Pop mehrere Ewigkeiten, umso größer ist die Freude, dass das Multitalent PeterLicht nun wieder ein schnödes Popalbum im Köcher hat. Es heißt »Wenn wir alle anders sind« und startet mit »Chipslied«, einem dezent in Richtung Reggae schielenden, verspäteten Sommerhit, der sogleich seine eigenwillige Songtextproduktion vergegenwärtigt. Nicht der letzte gerodete Baum, sondern die letzte verdrückte Knabberware (Chips, Flips) wird u. a. den Untergang der Menschheit besiegeln! Nach dem mellow »Candy Käsemann« mit den vielen Problemen wagt sich PeterLicht an eine Neudeutung von »Die Internationale« heran. »Emotionale/Hört die Signale!« entfaltet auf düsterem Soundteppich des Pianos die geballte Sprachkunst des PeterLicht: »Emotionale, auf zum letzten Verzicht! Die hinterfotzigen Systeme kommen jetzt ans Licht« – ein Kampflied der anderen Art. Da sind Statements, die trotz der Kunstsprache klar Stellung beziehen, wie man sie sich im zeitgenössischen Pop öfter wünschen würde. Mehr geradeaus als potenzieller Hit prescht »Menschen« nach vorn in Gefilde des Zwischenmenschlichen, in dem PeterLicht erstmals den derweil im Mainstreampop inflationär eingesetzten Autotune-Effekt setzt. Autotune kommt in der zweiten Hälfte des Albums nicht zu knapp zum Zug, was den Stücken aber gar nicht schlecht zu Gesicht steht. Er selbst sieht im Autotune »eine Parallele zu sozialen Netzwerken«. Filter bei Fotos seien so etwas wie »visueller Autotune«.
Bei einem Freiberufler wie PeterLicht drängt sich ein Song über die Einnahmesituation (»Das Konto«) geradezu auf. Der Song kommt trotzdem heiter daher und kann als Kritik an den immer prekärer werdenden Arbeitsverhältnissen sehr vieler Menschen gelesen werden. Tief in den Autotune-Topf (Falsett!) greift das »Umentscheidungslied«, das discoid immerhin das Eingestehen von Fehlern thematisiert, was nicht (mehr) selbstverständlich ist. Der Bezug zum Albumtitel offenbart sich im »Liebeslied von unten/Optionslied«: »Ich liebe dich / insbesondere die Option auf deine Veränderung / Ich liebe mich / insbesondere die Option auf die in mir liegende Veränderung (…) / Wenn wir alle anders sind«. Nebenbei wird die auch relativierende Funktion des Wortes »eigentlich« entlarvt. Die eventuell bessere Option liegt im Zeitalter der Totalvernetzung immer nur ein paar Klicks entfernt. Aus dem Rahmen der tiefsinnigen, teils absurden, schaumgebremsten Heiterkeit fallen zwei Stücke: Das dunkelgraue »Die Nacht«, das im kargen Soundkleid wie Reinhard Mey klingt (was nicht die schlechteste Referenz ist), wäre dieser instrumental in der Gegenwart angekommen. »Letzte Tote des großen Krieges« versprüht gar ein wenig Düsternis (»Die letzten Krieger des großen Krieges / Starben mit ihren letzten Worten / Was sie wollten und was nicht«) und ungebrochene Ernsthaftigkeit, was PeterLicht auch gut ansteht. Angenehm an seiner Kritik an Politik und Gesellschaft ist, dass er sich nie als Außenstehender, sondern immer mindestens als teilnehmender Beobachter begreift, der auf platte Anklage verzichtet.