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Christoph Irniger Trio

»Octopus«

Intakt

Auf den zwei vorangegangenen CDs »Gowanus Canal« (2013) und »Italian Circus Story« (2014), die auch auf Intakt Records erschienen sind, hat der Schweizer Saxofonist Christoph Irniger im Grunde schon recht eindrucksvoll bewiesen, dass er sein jazziges Metier beherrscht. »Gowanus Canal«, ebenfalls im Trio mit Raffaele Bossard am Bass und Ziv Ravitz an den Drums eingespielt, war eine stimmige, noch ein wenig nach Halt suchende Angelegenheit, »Italian Circus Story« wurde im Quintett eingespielt und war ein wenig anspruchsvoller, wie es so schön heißt. Auf »Octopus« nun kehrt er zur Trioformation zurück, allerdings auf entspannterem und zugleich souveränerem Niveau. Souveränität trifft es nicht ganz, das suggeriert, dass diese zuvor nicht vorhanden war. Tatsächlich hinzugekommen ist eine gewisse Reife, die lässige Abgeklärtheit mit einer neuen Unmittelbarkeit im Ton paart. Das gilt im Ûbrigen nicht nur für den Saxofonisten, auch Bossard und Ravitz machen auf »Octopus« eine bella figura. Herrlich, dieser klare, knackige Bass, herrlich, dieses feinnervige Schlag- werk, und herrlich, dieser warme, bestimmte Ton, diese fast schon bescheidene Zurücknahme. Man könnte es fast für ein ironische Geste halten, für einen Schlenkerer in Richtung Crooner-Saxofon (einfach nur in den wunderbaren Opener »Air« reinhören), aber das ist es nicht. Zumindest nicht die ganze Geschichte.

Ein Hang zur Eingängigkeit ist natürlich da, aber auch ein Faible fürs Minimalistische, gepaart mit purer Spielfreude und generell einem angenehm verspielten Zugang. Das mäandernde Bass- und Schlagzeugbegleitung auf »Iceland«, das späte Crescendo auf »Dovescape«, das häufige Spiel mit der reduzierten Melodie … alles Beispiele dafür, wie gediegen Irniger und Co. auf »Octopus« zu Werke gehen. Die überraschende Schlichtheit, die hier oft durchschimmert, ist kein Beleg dafür, dass man sich die Sache leicht gemacht hat, sondern vielmehr dafür, dass man sich in der Haltung und im Zugang ganz nahe an die Lazarusquelle des Jazz begeben hat. Das ist das eigentlich Grandiose an »Octopus«, diese Frische und Unverbrauchtheit. Ein Hörgenuss nicht nur für Genrefans, das darf man ruhig so sagen.

Home / Rezensionen

Text
Curt Cuisine

Veröffentlichung
13.06.2015

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