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Noise in the Echo Chamber: Techno Animal

Zur Einstimmung: ein Artikel aus dem skug-Archiv anlässlich ihrer Wordsound-Tour, die sie vor rund zwei Jahren zusammen mit Spectre und Sensational absolvierten. Ein Teaser auf das Interview im skug #41.

Redaktionsintern haben wir uns fast alle auf Techno Animal einigen können, dass die Jungs die Booties wegrocken und den Mind wegblasen; also gut sind. Und dass sie auch hervorragende Interview-Partner sind, lässt sich in absehbarer Zeit in einem Interwiev-Transkript nachlesen. Wie man sieht: Ein bisschen rückwirkende Mythen(de)konstruktion, die im Falle von Techno Animal in Form eines Hype gerechtfertigt scheint. Ein klassisches Beispiel, wo zwischen journalistischer und Fanschreibe nicht zu unterscheiden ist. Techno Animal rule!

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Manchmal sollte man Gerüchten nicht trauen: Jene zwei von Ferne finster wirkenden Gestalten wollen so überhaupt nicht in die sommerliche Atmosphäre des Wiener Flex passen. Während Justin Broadrick munter drauflos plaudert, hält sich Kevin Martin hinter seiner dunklen Sonnenbrille eher bedeckt. Er quasselt nicht gerne. Fällt aber das richtige Stichwort, ist er nicht leicht zu bremsen.

Beide sind schwer beschäftigte Menschen: Justin spielt bei Godflesh, Kevin bei ICE und GOD. Er war es auch, der die mittlerweile legendären »Macro Dub Infection Vol. 1 & 2«-Sampler zusammenstellte. Für ihr »episches« Doppel-CD-Werk »Re-Entry« erhielten sie eine Top-3-Positionierung für die Platte des Jahres 1995 im »The Wire«. Vor zwei Jahren waren sie mit Alec Empire, Porter Ricks und DJ Spooky auf einer Mille Plateaux-Tour. Heuer sind sie mit Sensational und Spectre von der WordSound-Posse unterwegs.

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Der Techno-Animal-Kosmos ist ein finsterer. Die zwei »apocalyptic masterminds« ergehen sich in unkontrollierbaren Virus-Systemen, apokryphen Weltverschwörungen (»Tapping The Conversation« als Film-Soundtrack zu »The Conversation«) und »Remixology-Mutations« (T/A als Kurzform von Technological Animal), die mittels Ultra-Tief-Bässen unterschwellig den Zuhörer manipulieren. Ihre Antwort auf das »Reggae-thing im Dub ist ein never-ending-process«. Fast plastisch grinsen Burroughs, Ballard, Cronenberg und ein paar weitere übliche Verdächtige über ihre Schultern. »THX1138« bastardisiert mit »Apocalypse Now«. Eingezwängt in ein Spiegelkabinett bleckt dem Zuhörer eine »modified reality« entgegen, eine »freak colony«. Der Soundtrack dazu stammt von T/A. Plattentitel: »Ghosts«, »The Curse of the Golden Vampire« (feat. Alec Empire) oder »Radio Hades«. Noch Fragen?

 

Justin: »Techno Animal wurde 1991 gegründet aus dem Verlangen heraus, das Studio wieder zu einem Labor zu machen. Unsere anderen Projekte waren mehr auf den Live-Aspekt hin ausgelegt. Wir verwenden Dub-Mix-Technologien und kombinieren sie mit allem, was gerade daherkommt.«
Kevin: »Dub bietet eine gute Möglichkeit, Noise zu Information zu transformieren. Auch wenn wir durch Punk und Industrial sozialisiert wurden und die Musique Concrète wichtige Impulse gab, glaube ich, daß Dance-Music ein wesentlich höheres subversives Potential hat. Ein »loss of control« betrifft das ganze Individuum. Indem wir mit unterschiedlichen Metren arbeiten, läßt sich ein Song in mehrere Schichten von Informationen aufsplitten. Die überlagern sich gegenseitig, manchmal kommt ein kompletter »mess« dabei heraus und dann wieder ein skeletthafter und aufs minimalste reduzierter Groove, der für sich alleine steht.«

 

Die von Techno Animal aus den abgründigen Schlünden der Soundhöllen heraufbeschworenen ultra-low-Noise-Dub-Tracks massieren mit grollenden Bässen das Tanzbein, das Hirn ist zugedröhnt vom hochfrequenten Feedback. Sie drehen sich selbst durch den Sound-Fleischwolf: Das wichtigste Musikinstrument ist das Mischpult, durch das die hämmernden Beats und die in ihre Einzelteile zerlegten Effekte gejagt werden. Dabei fallen naturgemäß eine Menge Störgeräusche ab. Die babylonische Sprachverwirrung wird perfekt, wenn narrative Muster so lange auseinandergedehnt werden bis Mysterium oder Chaos entsteht. »Schon in den 1970ern produzierten Leute wie King Tubby oder Brian Wilson so ihre Platten«, wendet Kevin ein und fährt fort: »Ich sehe eine enge Beziehung zwischen Cut-up und Remix. Verfremdung ist ein probates Mittel, um auf momentane Stimmungen eingehen zu können.«

Techno Animal haben kürzlich zwei Remixe für die Jon Spencer Blues Explosion abgeliefert. Release-Datum stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest. Erreichbar über www.imusic.com)

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Text
Heinrich Deisl

Veröffentlichung
21.11.2001

Schlagwörter



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