Le Petit Disque Rouge

Französische Intellektuelle scheinen von Natur aus dem Paradoxen verfallen. Wie einmal Philippe Sollers schrieb, handelt es sich dabei um die traditionelle französische Achse »Vichy-Moskau«, genauso gut könnte sie aber auch vom Kommunismus zum Faschismus, von Céline zu Genet, von Trotzki zu Debussy reichen. Mode und Geschichte brauchen Zeit, um sich zu wiederholen und zu erinnern. (Kurzes Gedächtnis oder gekürzte Geschichte?) Im Moment deutet alles auf eine Wiederkehr der Mao-Mode und Rote-Welle-Kunst. Erwarten Sie aber eher T-Shirts als tiefschürfende Gedanken, Wissen oder Engagement. Die westlichen MaoistInnen von ’68 und ’69 erholen sich nur langsam und haben ihre Sprache noch nicht wiedergefunden … »Die kleine Rote Platte« ist ein schwer einzuordnendes Sammlerstück: einerseits eine recht gute Compilation verschiedener mehr oder weniger originalgetreuer Werke, andererseits eine Promo-Box mit Sticker, Poster und dem Faksimile einer »Roten Bibel« (natürlich auf Chinesisch und für den Fall, dass Sie plötzlich im Bus Ihre Kenntnisse wieder aufzufrischen gedenken). Wie sonst sollte man aber an solche Titel herankommen: »Drei Regeln der Disziplin und acht Punkte der Aufmerksamkeit«, »Keine Partei, keine neues China«, »Erfolgsbericht« oder »Übungstänze«? So gesehen ist die Idee der französischen Produzenten, diese Lieder den Massen zugänglich zu machen, fast schon wieder lobenswert. Auch wenn es sich dabei tatsächlich um Entrismus handeln könnte, bin ich im großen und ganzen aber eher skeptisch. Warten wir also ab, ob sie als nächstes nicht vielleicht eine »Arafat Box« mit dem »Best of Les Martyrs Orchestra« und dazu einem Faksimile-Keffieh herausbringen werden. Erst vor zwei Jahren hatte man – Gott weiß, warum – nichts dagegen, dass das Modehaus Prada in der Kuppel des Hauptquartiers der Französischen Kommunistischen Partei (am Place Colonel Fabien) eine Mega-Show organisierte. Fragen Sie bitte jemand anderen …