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Kreisky

»Atlantis«

Wohnzimmer Records

Vorm Heuballen kennt die Freiheit keine Grenzen, meint man. Doch nicht immer gehen Vorstellung und Realität so zusammen, wie sich das die frisch Zugereisten ausgemalt haben. Der Kaiserschmarrn im Hotel schmeckt pappig, die Gepflogenheiten sind fremd und schwupps, schon wird der Kragen eng. Konnten sich Kreiskys Protagonist*innen früher wunderschön an kleinen und großen Banalitäten des Alltags, sprich, an sich selbst stoßen, reiben sie sich nun an ihrem Umfeld auf und können es E.T. gut nachempfinden, wenn ihm nach der Ankunft auf dem neuen Planeten der Graus aufsteigt. Die Viererformation – von manchen als »grantigste Band der Welt« bezeichnet – rutscht auf »Atlantis« von der Wut in die Resignation. Ihren Humor lässt sie dabei nicht fallen und am Ende – auch das ist schön – steigt sie mit erhobenem Kopf aus dem Ring. Kreisky singen Lieder vom Verlorensein, nur diesmal anders. Mit Nachdruck zeigt die Band, was passiert, wenn man sich auch auf die eigene Wut nicht mehr verlassen kann (geschweige denn aufs Schifahren). Das Toben in der Brust mag unangenehm sein, aber nichts gegen das Fragezeichen dahinter. Man möchte der Band gratulieren zu diesen großartig szenisch festgehaltenen Stücken Gegenwart. Musikalisch wird es abwechselnd spacig und forsch. Gitarrist Martin Offenhuber schreddert nicht mehr alles nieder, versteht es aber nach wie vor, herrlich disharmonisch in die Songstrukturen zu grätschen. Synths und Orgel blasen kalt entgegen. Vielleicht ist »Atlantis« das kompositorisch ausgeklügeltste Album der Band. Mit Sicherheit ist es das thematisch stringenteste. Lediglich »ADHS« und »Ein Fall fürs Jugendamt« – beide für sich ausgezeichnet – tanzen etwas aus der Reihe. Immerhin machen Kreisky auf erstgenanntem Track deutlich, dass sie den wohlbesonnenen Vorstadtbobo ebenso wenig leiden können wie den vorgeblich engstirnigeren, weil katholischeren Provinzler. Nur ist den Wienern gar nicht so sehr daran gelegen, mit dem Finger in kleinbürgerliche Wunden zu tapsen. Die Songs bleiben bei dem und der Einzelnen, denn Abnabeln tut weh und Konformitätsdruck auch. »Atlantis« hält dagegen mit einem Plädoyer, bloß nicht kleinbeizugeben. In ihrer eigenen Karriere sind Kreisky kaum Kompromisse eingegangen. Seit eh und je schachtelt Franz Adrian Wenzl beinahe ungeformte Prosa in die unnachgiebigen Beats und Bassläufe der Rhytmusfraktion. Das klingt dann so wie … genau, sonst niemand.

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