jh.jpg

Jimi Hendrix: Bemerkenswertes zum posthumen Album.

»People, Hell and Angels« (Columbia/Sony Music) ist die x-te, posthume Jimi-Hendrix-Veröffentlichung. Aber eine äußerst gelungene, die viele Schindluderpostproduktionen vergessen macht.

»Earth Blues«: Hier springt einem förmlich der Geist des Jimi Hendrix entgegen! Vierundvierzig Jahre lang unentdeckt gebliebene Weltklassehits finden sich auf »People, Hell and Angels« zwar nicht, aber eines der – wenn nicht sogar das – tollste posthum veröffentlichte Album des ultimativen Gitarrengottes ist es dennoch geworden.

Jimi Hendrix hinterließ angeblich mehr als tausend Stunden Tonmaterial, denn er spielte fortwährend unzählige Sessions ein, die in hochwertigen, sündteuren Tonstudios mitgeschnitten wurden – »Wenn er nicht im Studio war, war er on the road, um Geld zu verdienen, damit er seine Arbeit im Studio finanzieren konnte« (Eddie Kramer im Musikmagazin »Guitar«, Nr. 156 Ausgabe 5/13). Mit diesen Sessions wurde bekanntlich schon so manches Schindluder getrieben. Alan Douglas produzierte z. B. von »Crash Landing« (1975) an einige Alben, bei denen er die gesamten Begleitmusiker ausradierte und sie durch Studiohengste ersetzte – also im Nachhinein Hendrix‘ Tonspuren »Geistermusiker« hinzufügte und ihm somit gänzlich andere Begleitbands verpasste.

Warum auch diese Zusammenstellung mit dem Aufhänger – es hätte sein viertes reguläres Studioalbum werden sollen – verkauft werden will, ist vom ökonomischen Standpunkt her verständlich. Zudem ließ wohl auch der ein oder andere Trip vergessen, dass bereits das im Jahre 1997 erschienene »First Rays of the New Rising Sun« als ein solches angepriesen worden war. Egal. Denn ansonsten machten der von Jimi Hendrix zu Lebzeiten geadelte Tontechniker Eddie Kramer und Janie L. Hendrix, die hier für die Produktion verantwortlich zeichnen, alles richtig und wählten zwölf bislang ungehörte, hochinteressante Versionen durchwegs bekannter Stücke – aufgenommen in Sessions in der Zeit von Mitte 1968 bis Ende 1969 – aus. Nicht zuletzt Dank der adäquaten Abmischung gelang es eine Stimmung zu erzielen, die das Gefühl gibt, sogar Hendrix himself hätte mit diesem Mix zufrieden sein können.

Was lässt sich Erfreulicheres von einem posthum erschienenen Album sagen? Auf »Somewhere« spielt Stephen Stills den Bass, den ansonsten hier Billy Cox (Hendrix‘ Freund aus Army-Zeiten) bedient. Cox und Drummer Buddy Miles gehörten bekanntlich der Band of Gypsys an, die hier vorwiegend zu hören ist – die Jimi Hendrix Experience war bei den Aufnahmen zu »Electric Ladyland« praktisch zerbrochen. Von »Crash Landing« gibt es jetzt endlich eine famose Version mit der originalen Rhythmussektion; »Bleeding Heart« (ein Song des legendären Elmore James) klingt nun funkiger als man ihn von Hendrix bisher kannte. Und grundsätzlich trachtete Hendrix sowieso, Soul und Rock zu einer neuen Popspielart zu vereinen. All das lässt natürlich nicht nur die Herzen der Legionen von Gitarren-Epigonen höher schlagen. Da schwingt schon das Gefühl mit, ein echtes Hendrix-Studioalbum zu hören.

jh2.jpgDennoch: trotz dieser tollen Versionen vermisst man ganz große Hendrix-Klassiker. Natürlich. Denn gäbe es noch unentdeckte, wären sie wohl schon früher auf den Markt gekommen. »Diese Sessions damals waren im Grunde Proben im Studio«, wie Kramer vermerkt, und »dieses Album ist eine sehr gute Präsentation dessen, was in jener Zeit in Jimis Kopf vor sich ging …«. Obwohl das Album »People, Hell and Angels« auf Platz zwei der Billboard Charts einstieg und somit die höchste Chartsposition für Hendrix seit 1968 erreichte: Ein Stück, mit dem Hendrix damals weltweit Chartserfolge haben hätte können, ist keines darauf. Was einmal mehr den Gedanken der Verschwörungstheorie nährt: wenn der von seiner Drogensucht so gezeichnete Hendrix nicht imstande gewesen wäre ein, zwei Welthits für sein viertes Album aus dem Ärmel zu schütteln, wäre das nicht nur ein finanzielles Desaster geworden – die Musikindustrie der Sixties war ja bekanntlich keineswegs »Absolutely Free«, wie schon Steve Chapple & Reebee Garofalo in ihrem Buch »Rock’n’Roll is Here To Pay« (1977; »Wem gehört die Rockmusik?«, 1980) festhielten. Dann hätte die Legende des ultimativen Gitarrengottes Jimi Hendrix, heute noch immer Anführer der Riege der besten Gitarristen aller Zeiten, wohl niemals solche Dimensionen annehmen können, wie dies in den vierundvierzig Jahren danach der Fall war. Uups.

Ûbrigens: In meiner Jugend erlaubte ich mir den Spaß, Hendrix-Fans vor den Kopf zu stoßen, indem ich als meine Hendrix-Lieblingsstücke folgende nannte: »Hornets Nest«, »Hush Now«, »Gotta Have A New Dress«, »No Business«, «Flashing«. Allesamt Stücke aus dem Album »Get That Feeling: Jimi Hendrix plays and Curtis Knight sings« (1967; nun auch auf »The Authentic PPX Studio Recordings Vol. 1«, 1997 erhältlich und natürlich auf YouTube zu hören). Leider sind die Stücke noch immer viel zu wenig bekannt, wohl deshalb, weil Hendrix darauf lediglich Sideman (Quatsch!) war. Eine weitere Empfehlung ist das hierzu passende Buch: »Curtis Knight: Living in the Shadow of Jimi Hendrix« von Kathy Knight-Mcconnell (Self, 2010).

Jimi Hendrix: »People, Hell and Angels« – Columbia/Sony Music

favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Ähnliche Beiträge

Nach oben scrollen