This Human World, internationales Human Rights Film Festival in Wien, hat 2018 erneut einen Genderqueer-Schwerpunkt. Insbesondere mit der weltumspannenden, globalen Perspektive dieses Festivals gilt es, in autoritären wie demokratischen Systemen auf die Situation sexuell und/oder geschlechtlich devianter Gruppen zu blicken, die vorrangig Gefahr laufen, diskriminiert, stigmatisiert und im schlimmsten Fall kriminalisiert und mancherorts mit dem Tod bedroht zu werden.
»Mathias«
Der großartige, österreichische Kurzfilm »Mathias« leistet am 3. Dezember den Einstieg in den Filmabend zu Trans-Identitäten im Schikaneder Kino Wien. Er gewährt eine Momentaufnahme des Protagonisten und Einblick in seine Umgebung nach der Transition von Frau zu Mann. In den ersten Momenten, als dieser Film von Regisseurin Clara Stern anläuft, bin ich nicht besonders »amused«, da ich den Film bei seiner Österreich-Premiere bei der Diagonale 2017 in Graz schon gesehen habe und mich für gewöhnlich immer nach Neuem sehne. Aber schnell tauche ich wieder in diese Geschichte ein und bin berührt, stellenweise sogar stark (schnief). Trotz der kurzen Dauer von 30 Minuten schafft es der Film bravourös, die Zusehenden zu involvieren und zu packen – durch eine Geschichte im Alltag von Mathias, der Transgender ist und sein Probemonat an einem neuen Arbeitsplatz beginnt. Gleich am Anfang wird klar, dass seine Vorgesetzte über seinen Geschlechtswechsel informiert ist. Seine zwei Arbeitskollegen nehmen folgende Rollen ein: Mit Emir, dem ersten, befreundet er sich, der andere, Andi, kennt Mathias alias Magda noch aus der Schulzeit und wird für ihn zur Bedrohung, insbesondere als er in der Garderobe gegenüber Mathias handgreiflich zu werden beginnt. Diese Figur stellt sozusagen die personifizierte heteronormative Ordnung dar. Mit Sanktionierungsmaßnahmen, falls die geforderte bzw. erzwungene Geschlechtsidentität und Heterosexualität nicht erfüllt wird. Eine wichtige Rolle spielt in meinen Augen die Freundin von Mathias, mit der er zusammenwohnt und die eine unterstützende Sympathieträgerin ist. Wie traurig der Schlussmach-Dialog, in dem sie zu ihm sagt: »Du brauchst mich!« und er zurück: »Aber du mich nicht!«
»Bixa Travesty«
Bei »Bixa Travesty« von Claudia Priscilla und Kiko Goifman ist anfänglich verwunderlich, wie dieser Dokumentarfilm sich an die Fiktion von »Mathias« anschließen soll. Linn da Quebrada ist eine schwarze Trans-Frau aus den Favelas Sao Paulos in Brasilien. Sie ist – wie auch ihre Partnerin, ebenfalls eine schwarze Trans-Frau – ein Bühnenstar mit eindrucksvoller Stimme, die durch die Inhalte ihrer Songs sowie ihrer Radiosendungen Trans-Lebensentwürfe ganz klar und selbstbewusst in den Vordergrund stellt. Durch und durch Selbstdarstellerin ist Linn in jedem Fall, was im Laufe des Films zu nerven beginnt. Die männliche Biologie und Sozialisation, die sie zu Anfang ihres Lebens wohl noch durchwandert hat, lassen eine Großspurigkeit in ihrer Person zurück, die nicht zusagt. Es interessieren weder die Aufnahmen von ihr beim Zehennägelschneiden, noch beim Haarewaschen oder die Aufnahmen von ihrem Anus und Penis. Solch einen exhibitionistischen Umgang mit Körperöffnungen habe ich bei Cis-Frauen hingegen noch nie erlebt. Etwas unvermutet und rapide wendet sich die Erzählung schließlich hin zu der Krebserkrankung von Linn und wie sie sogar dieser trotzt und weiter performt. »Bixa Travesty« ermöglicht dennoch einen tollen erstmaligen Einblick in die Mann-zu-Frau-Trans-Szene Brasiliens. Große Empfehlung somit für das noch bevorstehende, weitere genderqueere Filmprogramm dieses Festivals.
Link: www.thishumanworld.com