Harry Everett Smith, Zentrum amerikanischer Avantgarde des 20. Jahrhunderts, experimenteller Filmemacher und Musikethnologe, Anthropologe, Sprachwissenschaftler und Ûbersetzer; er hatte ein lebenslanges Interesse an den okkulten Grenzbereichen des Wissens, was ihn dazu führte von seiner Kunst stets in codierten, alchemistisch-kosmologischen Termini zu sprechen; er war ein durch psychoaktive Drogen beeinflusster Mystiker, ein armer Bohémien, aber auf jeden Fall ein Meister des speziellen Scherenschnitts (im Original »cut-out animated photographs« genannt) und Spiritus rector Monty Python’scher Ausdrucksform, wenn man so sagen darf.
Neben seinem berühmten musikalischen Lebenswerk »Anthology of American Folk Music« (1952), gilt »Heaven and Earth Magic« (1962), an dem Harry Smith sechs Jahre lang werkte, als surreal animiertes Filmmeisterwerk und Essenz seines gesamten audio-visuellen Schaffens. Ein fragiler und mit logischen Schlussfolgerungen lückenhaft bestückter Stop-Motion Film, zusammengebastelt aus Collagen unterschiedlicher Zeitschriften und Kataloge. In die narrativ lose Struktur seiner Bilder intervenierte der Filmkünstler persönlich, indem er Sound-Effekte und aufgezeichnete Ausschnitte von Straßenlärm zusammenfügte, um einer soliden Erzählform gerecht zu werden. An erster Stelle stünde der Geist, meinte Smith mit seinem Film, und wir wagen uns mit der bevorstehenden Vertonung des Originalsoundtracks in die unbewussten Abwege eines amerikanischen Homunkulus.
Projektionsbeginn: 20:05 Uhr
Projektionsdauer: 67 Minuten
Ergänzendes zu Harry Smith für Wissenshungrige
In San Francisco galt Harry Smith als einer der führenden amerikanischen Experimentalfilmer. Im Rahmen von „Art in Cinema“, organisiert von Frank Stauffacher, wurden seine Filme häufig im Museum of Modern Art vorgeführt. Smith stand nicht nur eng mit anderen Avantgarde-Filmemachern in der Bay Area, wie Jordan Belson und Hy Hirsh in Berührung und Austausch, sondern reiste auch häufig nach Los Angeles, um selbst die Filme von Oskar Fischinger, Kenneth Anger und anderen südkalifornischen Experimentatoren anzusehen. Abstrakt beeinflusst von Kandinsky, Marc und vielen anderen, die das Fundament der Sammlung „Museum of Non-Objective Painting“ (später Guggenheim Museum) in New York bildeten, entwickelte er seine eigenen Animationsmethoden, indem er beides, die Stop-Motion-Collage-Techniken als auch die Hand-Malerei direkt auf dem Film anwandte. Oft verlangte ein einziger Film jahrelange akribische Arbeit ab. Jonas Mekas behauptete, Harry Smiths Arbeit hätte mehr Ebenen als jemals ein Zeichentrickfilmer zustande bringen konnte, den er persönlich kannte. Smiths Filme wurden als Untersuchungen von bewussten und unbewussten psychischen Prozessen interpretiert, während seine Fusion von Farbe und Klang als psychedelische Vorläufer der sechziger Jahre verstanden wurden. Zeitweise sprach Smith von seinen Filmen als „Experimenten von Synästhesie“, was so gut wie die Suche nach Entsprechungen zwischen Farbe und Ton sowie Ton und Bewegung bedeutete. Smiths breites Spektrum an Interessen führte zu einer Reihe von Sammlungen bei denen er eine Vorrangstellung behielt und mehrfach ausgezeichnet wurde.
www.harrysmitharchives.com
Vertonung durch:
Markus Steinkellner: Guitar, Electronics
Bernhard Höchtel: Synthesizer
Robert Pockfuß: Guitar
Leon Leder: Computer
Projiziert von: Paul Krimmer
Kuratiert von: Petra Popovic
Eine Auswahl bisheriger Veranstaltungen im Tonkino Saalbau:
29.01.2012:
Some like it black oder bis zur systematischen Verzerrung des weiblichen Archetyps und zurück.
06.03.2012:
Some like it black oder über die Leidenschaft der lebendig Begrabenen.
18.04.2012:
Time out – der Antifilm ist da!
30.01.2013:
Vlado Kristl »Zerstörung der Systeme« , eine Novi Film Vertonung.
Ort: Tonkino Saalbau, Flachgasse 25. im 15ten Wiener Bezirk (U3 Johnstraße)