Johnny Batard © Adnan Babahmetović
Johnny Batard © Adnan Babahmetović

Genialische Psychedelia

Schöner die Gitarren nie klangen. Johnny Batard dreht nicht das Rad der Zeit zurück, sondern wird den Salon skug am 25. Oktober im Fluc beglücken. Die »Velvet Byrds« mit dem Wissen um Punk und DIY beflügelten zu einem E-Mail-Interview mit Johann Zuschnegg, Hauptsongwriter der Band aus Graz.

Als Katharina Seidler (übrigens Ex-skug-Autorin) Johnny Batard diesen Sommer in der FM4-Sendung »Im Sumpf« vorstellte, war sofort klar, diese Band kickt, die wollen wir von skug live in Wien erleben. Der »Summer Song« ist von behänder Unbeschwertheit und es ist wirklich selten, dass ich dermaßen beeindruckt bin. »What Do You Want Me To Say?« von Johnny Batard verdient das Prädikat Album des Jahres! Anlässlich 30 Jahre skug gönnt sich der Salon skug am 25. Oktober Johnny Batard, der in den Gehirnzellen die Namen bester Whiskeymarken aktiviert. Doch klarerweise handelt es sich um einen Ausflug in den RockʼnʼRoll, Indie-Psychedelia, leicht räudig, doch mit glockenhellem Jingle-Jangle-Glamour. Drei Akkorde für die Ewigkeit. Eine E-Mail-Konversation mit Johann Zuschnegg, Songschreiber von Johnny Batard, soll das Geheimnis der Rezeptur des grandiosen Sounds der Band etwas lüften helfen.

skug: Das Magazin skug feiert sein 30-Jahre-Jubiläum auf der Website zwar auch rückblickend, doch wollen wir mit unserer Eigenveranstaltung Salon skug in die Zukunft schauen. Das spannende am Sound von Johnny Batard ist, dass er einerseits wohlvertraut klingt, andererseits sehr frisch. Schöner die Gitarren nie klangen! Für mich persönlich ist euer Sound sehr New-York-ish – von Lou Reed bis Television und The Feelies samt einem Schuss Psychedelia von Dream Syndicate bis Mazzy Star. Welche Einflüsse hat Johnny Batard?
Der New-York-Vergleich trifft es wunderbar gut. Velvet Underground ist natürlich ein großer Einfluss und Lou Reed mein Vorbild schlechthin, was wahrscheinlich für viele herauszuhören ist. Beim Debütalbum wollte ich von Anfang an eine Velvet-Underground-wird-schon-passen-Drei-Akkord-Lo-Fi-ausgewaschene-Jeans-Atmosphäre kreieren. Ich glaube, das haben wir gut hinbekommen. Wie Lou Reed mal sagte: »Alles über vier Akkorde ist ein Gitarrensolo«. Nach dem Credo musiziere ich auch! Eine weitere bestimmende Wirkung nimmt zudem Albert Hammond Jr. ein, Gitarrist der Strokes, welche ebenfalls einen prägenden Einfluss auf den New-York-Sound der 2000er-Jahre ausgeübt haben. Vielleicht kommt von der Seite die Indie-Frische. Hammond Jr. ist nicht nur mit seinen ebenfalls leicht aufgebauten Songs ein Vorbild, sondern auch einfach im Hinblick auf seine Attitüde hinsichtlich seines Sologangs neben der weltbekannten Band. Ein Spruch während eines Konzertes blieb bei mir hängen: »It took me a long time to realize, but I am the man!« Und das von einem Mann, der nichts mehr zu beweisen hat. Nach dem versuche auch ich mein Soloding als Johnny Batard hinsichtlich Sound und Auftreten herauszupressen. Manchmal gelingt es, viel zu oft auch nicht.

Vorbilder sind das eine, doch das andere ist, einen eigenständigen Sound zu destillieren, habt ihr besonders großartig hingekriegt. Wie macht ihr das eigentlich? Höre ich etwa »Space and Time« muss ich unweigerlich an Spacemen 3 oder Spiritualized denken, doch klingt der Song wie Johnny Batard, mit eigenwilliger Sixties-Referenz, die mich auch noch die Go-Betweens assoziieren lässt.
Bei »Space and Time« wollte ich Psychedelic-Songs kreieren, die nicht zu typisch Psych-verwoben klingen sollten, sondern eher fun und luftig durchhallen. Die Sixties-Referenz ist noch nie gefallen, spannend! Den Go-Betweens-Flair würde ich noch gerne bei Johnny Batard vertiefen.

Wie war eure Sozialisierung Richtung Musik. Gab es da einschlägige Radiosendungen oder Plattensammlungen, die dich und deinen Bruder zur Musik hinführten? Gab es Vorläuferbands oder ist Johnny Batard bereits eine Band mit längerer Geschichte?
Am Anfang waren Kingsized ’Bastards, ein Indie-Folk-Brit-Pop- oder Psychedelic-vier-Mann-Erlebnis, welches nun mehr ins Surf-Psychedelische geht. Seit 2012 waren wir sehr präsent in Graz, die letzten zwei Jahre etwas stiller, da wir endlich nach zahlreichen Live-Shows unser Debütalbum vertont haben und im nächsten Jahr mit neuem Sound präsentieren. Julian, mein Zwillingsbruder, und Danny (Daniel Moick), der Schlagzeuger von den ’Bastards, sind auch in der Johnny-Batard-Band übernommen worden. Johnny Batard hat sich 2017 anfänglich als Soloprojekt entwickelt, ich wollte Songs aufnehmen, die damals nicht zu Kingsized ’Bastards gepasst hätten und in denen ich mich auch mehr der Gitarre gewidmet habe. Bei den ’Bastards spiele ich hauptsächlich Bass. Das Gitarrenspielen kam generell erst spät bei mir, demnach bin ich auch nicht der beste Gitarrenspieler. Anspruchsvolle Gitarrensolos überlasse ich gerne meinen instrumental talentierteren Gitarristen in der Band. Ich würde sagen, dass sich der Musikgeschmack meines Bruders und meiner schon sehr unterscheiden, aber eben auch wieder nicht. Ich glaube, dass besonders das den frischen Wind in die Songs bringt. Er hört viel HipHop oder Heavy Rock, ich bin dagegen sehr auf der Indie-Schiene. Aber vielleicht ist das die passende Mischung. Ich komme meist mit ein paar Akkorden und einer Melodie und den Rest machen Julian auf dem Bass oder der Sologitarre und Danny am Schlagzeug. Ich bin da nicht so bestimmend, da es einfach passt, und die Jungs fügen sich dazu wunderbar geschmeidig ein. Die beiden waren auch beim Aufnehmen des Debütalbums in Berlin dabei. Da wir nur eine Woche Zeit hatten, das Ding in den Kasten zu bekommen, passierte das Ganze als Live-Recording: Rhythmusgitarre, Bass und Schlagzeug zugleich. Auch viele Songs ohne Click, was auch zum rohen Live-Charakter der Platte beigetragen hat.

Das fehlende s in Batard, vielleicht ist das der Schlüssel zum Bandsound? Trotzdem eure Gitarren so wohlklingend jinglen, ist eine gewisse Dirtyness, die aufraut, zu spüren. Liege ich damit falsch, mit meiner Assoziation zum Bandnamen Johnny Bastard?
Batard ist französisch für Bastard. Gabriel von Kingsized ʼBastards hat mir damals den Namen gegeben, da wir anfangs »Et Moi Et Moi Et Moi« von Jacques Dutronc gecovert haben. Als ich zu studieren begonnen habe, war für mich Jacques Dutronc die Verkörperung von Coolness. Ich wollte so klingen wie er, so aussehen wie er und auch so ähnlich heißen wie er. Das fehlende s ist wunderbar für das In-Erinnerung-Bleiben oder dass die Leute ein Gespräch darüber beginnen wollen. Dessen Abwesenheit hat mir gut gedient in den letzten Jahren!

»Wir sind Kinder«, ist das eine Single und gab es dazu nicht ein Video? Hat der Text irgendwie mit Fridays for Future zu tun? Dass Kindern und Jugendlichen von mächtigen Eliten und ihren konservativen Wählern die Zukunft gestohlen wird? Und »140 km/h« zieht wohl den politischen Irrsinn eines ehemaligen FPÖ-Verkehrsministers durch den Kakao?
»Wir sind Kinder« ist frisch bis vorab ohne Verkündung auf Bandcamp gekommen und am 30. Oktober auf Spotify und Co. zu hören mit offizieller Bekanntgabe. Es ist nicht wirklich ein neuer Song, quasi die verdeutschte Variante zur Single »I am just a kid«, welche vor zwei Jahren mit Video als Single erschien. Da einige Leute nach »140 km/h« den Wunsch geäußert haben, ich solle öfters in Deutsch singen und »I am just a kid« sich wunderbar anbot als deutsches Pendant, dachte ich, wieso eigentlich nicht? Irgendwie hat die deutschsprachige Variante einen Bowie-trifft-Falco-Charme hervorgetan, zumindest habe ich das Gefühl. Ganz bin ich in der deutschen Sprache noch nicht angekommen. Auf dem zweiten Album wird es ein paar Nummern in Deutsch mit englischem Mix geben, allerdings folgen sie dem wortkargen Charakter von »140 km/h« – schon mehr als sieben Silben, aber das Repetitive spielt wieder die Hauptrolle. Den Fridays-for-Future-Gedanken finde ich toll! Könnte auch gut passen, grundsätzlich geht es ums Erwachsenwerden, oder an dem Punkt angekommen zu sein, wo man nicht mehr Kind sein kann, oder feststellen zu müssen, dass die Welt und alles um dich herum versucht, dich zu ändern …

Nun aber zum Label Post Office Records – meine Finger tippten vorhin zunächst Postcard, das Glasgower Label mit Orange Juice, der Assoziationskettenteufel reitet mich. Was sind die Lieblingspferde im Stall bzw. werde alle gleich gehegt und gepflegt?
Post Office Records ist ein gemeinsam gegründetes Musik- und Kunstlabel aus Graz mit Gabriel Schmidt, Raffael Jessner und mir als Triumvirat, Unterstützung bekommen wir von vielen Freunden und den Bands von Post Office. Der Name kommt vom gleichnamigen Roman von Charles Bukowski, zumindest laut Raffael, der hat es ja benannt und gegründet. Gabriel und ich sind beide mit Kingsized ’Bastards als Musiker im Label dazu gekommen, Gabriel ist auch Teil der Psych-Band Jigsaw Beggars, somit sind wir beide Teil von zwei Bands bei Post Office. Grundsätzlich wollen wir versuchen, Grazer Künstler*innen eine Bühne zu geben und gehört zu werden. Dazu zählen unsere Langzeit-Grazer-Bands wie Jigsaw Beggars, Kingsized ’Bastards, Karma Klub, Johnny Batard und seit Beginn des Jahres Magical Misery Tour. Also ja, es sind schon hauptsächlich Bands aus einem Freundeskreis, allerdings ist dieser dann mit der Zeit auch entstanden. Leider sind unsere Ressourcen etwas knapp, so können wir uns oftmals nur Künstler*innen/Releases widmen, die uns sehr gefallen, und mit Künstler*innen arbeiten, die uns bereits gut vertraut sind. Auch haben wir immer wieder Bands nach Graz geholt wie Haley Heynderickx (US), The Underground Youth (UK), Triptides (US), Molly (AT), Thirsty Eyes (AT), Culk (AT), Mile Me Def (AT), Aux Portes (AT) und viele mehr.

Lukas Maiers Album »The Magical Misery Tour« verführt schon wieder zum Weiterdenken, dass da ein Freundeskreis besteht, der klarerweise über Syd Barrett Bescheid weiß und vielleicht auch das Werk des am 31. Mai 2019 in Austin, Texas verstorbenen 13th-Floor-Elevators-Masterminds Roky Erickson schätzt.
Der Freundeskreis ist durchaus da! Lukas Maier (Frontmann von Karma Klub) hat sein Solodebüt in der Südsteiermark in Gabriel Schmidts Heimstudio analog auf Tonband aufgenommen. Der 13th-Floor-Elevators-Vergleich zu Lukas trifft es ja wunderbar, vielleicht sogar mehr zu Karma Klub als bei »The Magical Misery Tour«.

Syd Barret und Roky Erickson sind tragische Figuren, denen zu viele Pillen die Genialität kosteten. Das wird Johnny Batard hoffentlich nicht passieren!?
Da das 27. Lebensjahr leider schon überschritten ist, zahlt sich das wohl nicht mehr aus. Keine Bange, die, die mich kennen, verlauten zu oft, dass ich ein untypische zahmer Rock’n’Roller wäre. Raffael von Post Office hat sich angeboten, das Rockstarleben mit allen seinen Ausschweifungen abseits der Bühne für mich zu übernehmen!

Eure Vorgruppe sind die Lonesome Hot Dudes, sie kommen ebenfalls aus Graz und spielen No Wave der raueren Sorte. Gibt es Querverbindungen?
Ich dachte zunächst die Gruppe käme aus Wien, leider gibt es keine Querverbindungen, zumindest noch nicht!

Discografie (alle Post Office Records):
Johnny Batard: »Space and Time« (Single, Juli 2018)
Johnny Batard: »What about Me« (Single, September 2018)
Johnny Batard: »What Do You Want Me To Say?« (Album, April 2020)
Johnny Batard: »Summer Song« (Single, Juli 2020)
Johnny Batard: »Wir sind Kinder« (Single, Oktober 2020)

Links:
https://johnnybatard.bandcamp.com/music
https://www.postofficerecords.com

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