Nachdem die New Yorker Band Geese mit einigen vielversprechenden Singleveröffentlichungen auf ihr neues Album aufmerksam gemacht hatten, war die Erwartungshaltung zu »3D Country« hoch. Versprochen wurde ein frischer Spin auf Country– und Americana–Klischees. Doch was dann geliefert wurde, überstieg sogar die hohen Erwartungen. In der ersten Hälfte der LP werden Einflüsse aus Rock, Country, Soul und Gospel stilsicher vorgetragen. Der Titel-Song »3D Country« ist besonders gut gelungen. Es spielt lyrisch mit dem Stereotyp des Cowboys, der alles verloren hat und nun sein Leben neu aufstellt, musikalisch untermalt mit Gospelchören und klassischer Country–Rock–Gitarre. Im Song »I See Myself« zeigt der Sänger der Band, Cameron Winter, die breite Vielfalt seiner Stimme, die im unteren Register an Alex Turner in den letzten beiden Alben der Arctic Monkeys erinnert. Und im oberen Register hört man auch ein wenig Radioheads Thom Yorke. Was seine Stimme noch besonderer macht, ist der fließende Übergang zwischen diesen Lagen. Was auch schon in den Songs davor immer wieder durchblitzte, wird im Song »Undoer« dann endgültig manifest, nämlich der Progressive–Rock–Einschlag des Albums. Immer wieder findet man musikalische Eruptionen über die ganze Laufzeit des Albums verteilt, die an Black Midi erinnern. Komplexe Rhythmik, Distortion und ein ständiges Aufblähen und Zusammensacken gipfeln in einer dissonanten Eskalation mit Schreien und kunstvoll produziertem Lärm. Ab der zweiten Hälfte des Albums findet man mehr von diesen Einflüssen, immer noch durchzogen von den Themen der alten Country- und Soul-Songs. Besonders hervorzuheben ist auch noch der Closer »St. Elmo«, getragen von einem Pianoriff auf einem verstimmten Pianino, wie es in einem alten Saloon vermutlich zu finden wäre, einem torkelnden Rhythmus und einem Text, der überzeichnet einen Menschen schildert, der alles verloren, niemanden mehr hat. »3D Country« ist ein Album, das zwei Genres kombiniert, die am Papier nicht zusammengehören. Und wenn geniale Musiker wie Geese zwei dichotome Sachen verbinden, passiert entweder etwas Ungenießbares oder etwas Geniales. Hier ist das Zweite passiert, ein absoluter Anwärter für das Album des Jahres.
Geese
»3D Country«
Partisan Records
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