Salon skug BAM! Wahlspecial mit Café Schädlweh (Grafik: Nguyen Gobber // https://nguyengobber.com)
Salon skug BAM! Wahlspecial mit Café Schädlweh (Grafik: Nguyen Gobber // https://nguyengobber.com)

Fünf Gründe, warum die Wienwahl spannend wird

Beim Salon skug BAM! Wahlspecial am 27. April 2025 im Flucc geht es ans Eingemachte. Hier erfahrt ihr, wieso. Spoiler: Es geht nicht um das Investment-Imperium von skug.

Die immer gleichen Gesichter und immer gleichen Sprüche, könnte man angesichts des Wahlkampfes in Wien 2025 meinen. Nicht dass es genau die gleichen Gesichter sind. Eher bedienen die verschiedenen Akteur*innen verfestigte Charaktermasken. Der starke Mann, der sich für Sicherheit ausspricht (und selbst Strafverfahren am Hals hat), die besorgte Kümmererin, die sich für unsere Kinder einsetzen will (aber ganz viel Sparpotenzial sieht), oder die Ökowarriors mit ihren kessen, aber nicht ganz dekodierbaren Sprüchen (die vor lauter Kompromissen mit ihren Themen nicht durchkommen). Bei dem Getöse sollte aber nicht vergessen werden, dass es tatsächlich um etwas geht. Hier fünf Punkte, warum es wichtig ist, am Sonntag wählen zu gehen – wer darf. Fünf Punkte, über die wir bei unserem Salon skug BAM! Wahlspecial am 27. April 2025 ab 16:30 Uhr live im Flucc reden werden. Programmüberblick siehe unten.

1. Wien ist nicht Wien allein

Wien macht gerne auf Weltstadt und das geht nur, wenn man auch wirklich bereit ist, über den Tellerrand zu blicken. Keine Frage, Kommunalpolitik hat mit der jeweiligen Kommune zu tun, nur haben die Entscheidungen Auswirkungen auf den Rest der Welt. Wien war und ist nur dann gut, wenn es sich Abschottungstendenzen widersetzt und nicht versucht, eine »Insel der Seligen« einzuzäunen, sondern beispielsweise auch Solidarität mit dem globalen Süden lebt. Das heißt fairer Umgang mit jenen, die sich nach Wien geflüchtet haben oder hier nach einem besseren Leben suchen. Außerdem, die entscheidenden Probleme, vor denen die Welt steht, lassen sich nur gemeinsam lösen. In Wien hier und da den Asphalt aufzureißen und Bäume zu pflanzen, ist eine gute Sache, nur damit allein wird sich die Klimakatstrophe nicht aufhalten lassen. Wien muss von seinen Bürger*innen dazu getrieben werden, mutig und vollständig umzuschwenken.

Angesichts aktueller Umfragen können wir davon ausgehen, dass die SPÖ die Wahl gewinnt. Unklar ist allerdings noch, welche Koalitionen im Landtag möglich sein werden. Grüne, NEOS und ÖVP ringen um den dritten Platz. Und jede Koalition würde Wien anders in der Welt verorten. Um diese Möglichkeiten auszuloten, haben wir (u. a.) Bernadette Schönangerer von der entwicklungspolitischen, feministischen Zeitschrift »Frauen.Solidarität« eingeladen. Die Wahl ist eine gute Übung: Think globally, act locally! 

2. Die Wahl bestimmt das Überleben konkreter Initiativen 

Zwei Grundthemen bestimmten den Wahlkampf. Zum einen der »Rechtsruck«, also das Adaptieren rechter Deutungsmuster, zu dem nahezu alle im Landtag vertretenen Parteien übergegangen sind und dabei ein gewisses Maß an Rassismus ausleben. Hierbei denke man nur an die Deutschpflicht, die allerorten eingeführt wird. Die damit als unumgänglich apostrophierte Hierarchie erschwert das Zusammenleben. Das zweite Motiv ist das Spardiktat. 500 Millionen müssen eingespart werden und traditionell spart man gerne bei den Schwachen, weil es dort weniger Widerstand gibt. Das sind nicht nur die Menschen, die nicht »g’scheit deitsch kenan«, sondern auch jene, die in freien und unabhängigen Szenen arbeiten, nicht-kommerzielle Ziele haben und sich somit nicht am Markt finanzieren können. Ohne die ist Wien aber nur ein Shopping-Outlet und sie zu stärken ist eine wichtige Aufgabe der (Lokal-)Politik.

Um dieses Problemfeld abzustecken, sind beim Wahlspecial etwa Fricka Lindemann und Réka Novák von 4lthangrund für alle mit an Bord! Auf dem Gelände der Alten WU organisieren und koordinieren sie das Kulturzentrum 4lthangrund mit, das aktuell 35 Gruppen und Initiativen eine Heimat bietet. Dafür hat das Zentrum 2024 den Preis der Freien Szene gewonnen. Doch sein Mietvertrag läuft Ende 2025 aus. Da das Areal abgerissen werden soll, ist eine Alternative nicht in Sicht. Ende dieses Jahres könnte also ein bedeutender Teil der Kulturszene vor geschlossenen Türen stehen. Damit das nicht passiert, braucht es Unterstützung von Seiten der Stadt und der Bezirke. Die Wahl hat konkrete – und möglicherweise katastrophale – Auswirkungen auf einzelne Vereine. Hier hilft nur Vernetzen und Forderungen stellen – genau das tut die IG Kultur mit dem »4-Themen-Programm zur Stärkung, zum Ausbau und zur Absicherung der Kunst- und Kulturszene in Wien« und folgerichtig diskutiert auch Irmgard Almer von der IG mit. 

3. Lokalpolitik: Hartes Brot als Chance 

Es geht nicht nur um den Bürgermeister, der als Pater Familias über seine mehr oder minder vertrottelten Kinder wacht. Das Wiener Wahlrecht mit seinen turmhohen Fünf-Prozent-Hürden sorgt allerdings dafür, dass im Landtag nur die bisher schon dort vertretenen Parteien Einzug erhalten werden. Bis auf den ÖVP-Spin-off NEOS hat in den letzten Jahrzehnten keine Partei und kein Bündnis den Sprung ins Rathaus geschafft. Auch diesmal sieht es nicht danach aus. Demokratie ist aber Mitmachtheater und dafür bietet die Stadt zumindest die Hintertür der Bezirke. Hier dürfen zumindest die EU-Ausländer*innen mitwählen und sobald die Stimmenzahl für ein Bezirksrät*innenmandat erreicht wurde, darf dies auch angetreten werden – ohne sonstige Prozenthürde. Das erlaubt demokratiepolitisch erfrischenden Wildwuchs, selbst wenn dieser von der Marketingabteilung einer Partypunkband ausgenutzt wird. 

Zwei erfahrene Aktivist*innen auf Bezirksebene erzählen von den »Mühen der Ebene«. Wer eine Kleinpartei startet, muss beispielsweise zunächst genügend Unterstützungsunterschriften sammeln, und das muss bei Regen oder Sonnenschein in the real world passieren. Dies und die Erfahrungen des Straßenwahlkampfs machen ein wenig streetwise. Die hier gemachten Erfahrungen sind weniger parteipolitisch als demokratiepolitisch relevant und der ein oder andere Praxistipp springt bei dem Gespräch vielleicht sogar heraus, für diejenigen die sich selbst in die Lokalarena wagen wollen. Denn man unterschätze niemals, wie sehr unsere aller Leben von Entscheidungen auf Bezirksebene mitbestimmt wird. Positionierung von Parkbank, Einbahnstraße und Bushaltestelle prägen ein alltägliches Leben.

4. Die Wahl ist ein demokratiepolitischer Skandal!

610.895 Wiener*innen im Wahlalter von 16 Jahren oder älter sind von der Wahl ausgeschlossen, weil sie keine österreichische Staatsbürgerschaft haben. Die Stadt Wien selbst muss daher zugeben: 34,6 % der Wiener Bevölkerung dürfen nicht an den Landtagswahlen teilnehmen und sind »daher von der wichtigsten Form der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen«. Das betrifft vor allem Jüngere. 40,9 % der 16- bis 24-Jährigen dürfen nicht wählen, bei den 25- bis 45- Jährigen betrifft es sogar 45,7 %. Oder anders: In Favoriten dürfen 44,2 % nicht wählen. 64 % der Arbeiter*innen sind von der Wahl ausgeschlossen. Bei Reinigungskräften sind es gar 81 %!

Für das »European Capital of Democracy« sind solche Zahlen schlichtweg erbärmlich. Der systematische Wahlausschluss von riesigen Anteilen der Bevölkerung ist der größte demokratiepolitische Skandal dieses Jahrhunderts. Um ihn anzugehen, braucht es eine breitangelegte Debatte zum Wahlsystem. Bestimmt dieses unsere politische Landschaft ähnlich mit wie Parteien? Das ist zumindest die Intuition vom Künstler*innenkollektiv Wochenklausur. Drei Wochen vor der Wahl haben sie »Wahllabore« aufgebaut und 2.000 Interessierte an einer fiktiven Wahl teilnehmen lassen. Das Ergebnis: Je nach Wahlmethode ändert sich das Ergebnis! Gemeinsam mit Wolfgang Zinggl von der Wochenklausur werden wir uns am Sonntag die Frage stellen: Ist das österreichische Wahlsystem ein Relikt vergangener Zeiten?

5. Die Wahl ist Reaktion auf multiple Krisen

Am 27. April 2025 jährt sich die Gründung der Zweiten Republik zum 80. Mal. Wenige Tage vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnten wieder demokratische Strukturen in Österreich aufgebaut werden. Die ersten Wahlen fanden bereits im November 1945 statt. Achtzig Jahre später dürfen sich die Menschen in Österreich glücklich schätzen, dass es einen Rechtsstaat und Parlamentarismus gibt. Nur leider sind die aktuellen Bedrohungen gigantisch. Von den Krypto-Bros, die mit ihren Algorithmen bestimmen, welche Themen noch in die Restaufmerksamkeit der Bürger*innen gelangen, über neuartige orwellsche Sprachverdrehungen (Antisemit*innen, die vorgeben, gegen den Antisemitismus zu kämpfen z. B.) bis hin zum neoliberalen Einsparen und autoritären Abbauen demokratischer Institutionen. Die Demokratie ist in Gefahr! Ein Teil der Krise ist, dass man nahezu notwendig den Überblick verliert. skug bemüht sich seit Längerem, dem Rechnung zu tragen. 

Die Wienwahl verhält sich gegenüber diesen Krisen wie ein Kristallisationspunkt. Das sehen nicht nur wir so. FPÖ-Wähler*innen sind statistisch die unzufriedenste Gruppe. 72 % blicken der Zukunft pessimistisch entgegen. Wie auch immer das Ergebnis in den einzelnen Bezirken und Grätzeln ausfallen wird: Es ist eine Antwort auf multiple Krisen. Gerade deshalb braucht es aber auch vielfältige Perspektiven auf die Ergebnisse. Das wollen wir mit dem Wahlspecial bieten. Besonders freut es uns, dass wir Teil des Programmschwerpunktes »Demokratie oder was?« von Radio Orange 94.0 sein dürfen. Der Wiener Community-Sender ist eines der besten Beispiele dafür, wie ein schillernder Diskurs funktionieren kann. Etwa ist er eines der wenigen österreichischen Medien, das Nachrichten zum Inlandsgeschehen in den verschiedenen Sprachen migrantischer Gruppen bietet – und damit Vorreiter für eine globale Stadt. Für Radio Orange 94.0 berichten Ramin Siawash und Peter Supp live von 17:00 bis 18:00 vom Wahlspecial. Später möchten wir Highlights des Abends zum Nachhören aussenden. Multiple Krisen verlangen plurale Antworten. Suchen wir sie gemeinsam!

Programmablauf

16:30 Uhr: skug DJ-Line

17:00 Uhr: Wahlberichterstattung und Kommentar der Ergebnisse mit BAM!, dem Bündnis alternativer Medien (»Augustin«, »Frauen.Solidarität«, »Unter Palmen« etc.) 

18:00 Uhr: Bekanntgabe der Pass Egal Wahl mit Blick auf den Wahlausschluss in der »European Capital of Democracy« Wien (live auf Radio Orange 94.0)

18:30 Uhr: Panel zum »Wahllabor« der Künstler*innengruppe Wochenklausur

19:00 Uhr: Panel »Wien hat gewählt, was heißt das für uns?« Die Wiener Szene mutmaßt und sagt frech und frei, was sie sich von der neuen Regierung wünscht.

19:30 Uhr: »Die Freuden und Mühen der Bezirkspolitik« – Aktivist*innen berichten über die Wahlanstrengungen auf Bezirksebene (später zum Nachhören auf Radio Orange 94.0)

20:00 Uhr: Café Schädelweh live – Punkmusik, die wir uns dann auch redlich verdient haben. Danach skug DJ-Line, bis alle ins Bett wollen.

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