In brachialer Gleichzeitigkeit waltet die Primitivität in diesem in Grein/Donau aufgeführten Auftragswerk für das Festival der Regionen 1999. Wenn sich eine Frau gegen ihren gewalttätigen Mann nur noch mit totbringender Gegengewalt zu helfen weiß- gemeinsam mit ihrem Sohn zerstückelt sie ihn, kocht ihn und verfüttert ihn an Hunde – ist plötzlich die dumpfe, gefühlskalte Mühlviertler Welt aus dem Jahre 1921 wieder präsent. Zur gleichen Zeit verkünden Sprecherin und Sprecher die rassenideologischen Ausfälle des Lanz von Liebenfels, die der rechtsextreme Ordensbruder auf der Burg Werfenstein im Strudengau ausbrütete. »Immer ist das heimtückische oder rachsüchtige Weib das Verderben des Mannes, immer steht es auf der Seite der minderen Rasse und des Unrechts.« Diesem von Silke Dörner bearbeiteten Wahnsinn von durch Sprachlosigkeit entstandener Gewalt und Gewaltausübung durch Sprache begegnet Peter Androsch mit dem Klang von acht zu einer Wand aufgerichteten Konzertflügeln. Das Orchester bringt die Klaviersaiten in Schwingung und Schwebung. Wo die verschieden gestimmten Klaviergruppen dem Zuhörer noch unbewusst ins Fleisch fahren, suggeriert eine aufbrausende Gitarre die Affekthandlung mit tödlichem Ausgang.
Peter Androsch/Silke Dörner
Fleisch - Eine Hinrichtung
Atemmusik Records
Text
Alfred Pranzl
Veröffentlichung
30.09.2000
Schlagwörter
44
Atemmusik Records
Peter Androsch/Silke Dörner
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